Wiedervereinigt machen sich Burnham und die Discovery auf, Kontakt zu den Überresten der Sternenflotte aufzunehmen. Was sie auf dem Weg zur Erde finden, verraten wir in dieser spoilerfreien Rezension nicht; wohl aber, ob sich die Reise für die Zuschauer lohnt.
Story
Burnham und die Crew der Discovery sind wiedervereint. In ihrem Jahr im 32. Jahrhundert hat sie mit Bookers Hilfe einige Informationen zusammengekratzt, insbesondere einen bruchstückhaften Ruf des Sternenflottenadmirals Senna Tal, der alle verbliebenen Föderationsschiffe auffordert, zur Erde zurückzukehren. Während Bookers und Burnhams Dilithiumreserven nie für eine Rückkehr ausgereicht haben, kann die Discovery mit dem Sporenantrieb die Reise ins Sol-System antreten.
Die Story von “People of Earth” stößt in den Kern dessen vor, was “Star Trek” ausmacht. Das hat viele gute Seiten, jedoch reißen “Discovery”-typische Abkürzungen und Simplifizierungen Logiklöcher in die Handlung, die die Freude über ein recht klassisches “Trek”-Abenteuer ein wenig trüben. Während der übergreifende Plot einen befriedigenden (und interessanten) Sprung nach vorne macht, ist die eigentlich Story der Episode eher zweckmäßig als inspirierend. Verantwortlich dafür ist das Drehbuch von Bo Yeon Kim und Erika Lippoldt, das aber im Vergleich zur äußerst fragwürdigen Episode “The Sound of Thunder” aus der zweiten Staffel eine sehr positive Entwicklung des Duos zeigt.
Dialoge und Besetzung
Während die Story “Discovery” eher an die Tradition vergangener Serien anknüpfen lässt, entwickelt die Episode für einige Figuren ein spannendes Vorwärtsmoment.
Im Zentrum der Charakterentwicklung steht Michael Burnham, die im verstrichenen Jahr notgedrungen ein Leben als Kurier begonnen hat. Sowohl die Zuschauer als auch die Discovery-Crew erfahren wenig darüber, was in diesem Jahr vorgefallen ist. Aber offensichtlich haben die Erlebnisse Spuren hinterlassen, die weitreichende Konsequenzen für den Charakter hatten und haben werden. Kollege Suzan wird jedenfalls starke Nerven brauchen, lässt Sonequa Martin-Green ob der vielen Wiedervereinigungsszenen gleich mehrmals literweise Tränen fließen. Die schönste hiervon ist sicherlich ein stiller Moment mit Tilly, der mit viel Fingerspitzengefühl andeutet, wie weit Burnham sich von dem Menschen fortentwickelt hat, den wir erst vor zwei Wochen zuletzt gesehen haben.
Das sorgt zwangsläufig für eine Veränderung der Beziehungsdynamik zwischen Burnham und Saru sowie Burnham und Georgiou. Wie konsequent die Autoren die durchaus interessanten Ansätze in kommenden Episoden ausbauen, wird darüber entscheiden, wie heftig wir mitfiebern werden.
“Peolple of Earth” führt auch eine Reihe neue Figuren ein, die bis auf einen weiteren Zuwachs der Crew eher blass und funktional wirken. Ein Highlight ist sicherlich das Bildschirmdebüt von Blu del Barrio als Adira, aber über diese Rolle soll an dieser Stelle stillschweigen herrschen. Schön jedoch, dass sich eine Beziehung zu Stamets und Tilly andeutet, im Trailer haben wir auch schon einen spritzigen Schlagabtausch mit Reno sehen dürfen.
Der Rest des Ensembles hat nicht gewaltig viel zu tun. Während Booker und Georgiou und die Brückenoffiziere wenigstens kurz in Erscheinung treten, müssen wir auf eine ganze Reihe von wichtigen Nebenfiguren in dieser Episode verzichten: Dr. Culber, Dr. Pollard, Commander Nhan und Reno finden keinen Platz in “People of Earth”.
Kanon und Rahmenhandlung
“People of Earth” ist eine Zäsur für den “Star Trek”-Kanon. Das Warum können wir in dieser spoilerfreien Rezension nicht beantworten. Aber ebenso wie “Picard” eine direkte Parabel auf aktuelle geopolitische und soziale Geschehnisse ist, zeigt nun “Discovery”, welche Entwicklungen im Zeitgeschehen sie kommentieren möchte. Soviel sei verraten: Die thematische Wahl ist in den Augen des Rezensenten eine wichtige und relevante.
Insbesondere für “Star Trek” scheint dieses 32. Jahrhundert ein nahezu perfekter Match zu sein. Deswegen könnte diese Staffel tatsächlich viel Boden bei den Fans gut machen, wenn die Qualität der Stories sowohl auf Plot- und Charakterlevel anzieht – und das ist ob der mäßigen Drehbücher ein großer Vorbehalt. Während die Discovery (das Schiff) vor einer interessanten Herausforderung steht, um ihren Platz im 32. Jahrhundert zu definieren, hat “Discovery” (die Serie) nun erstmals die Chance, ihre Relevanz für das 21. Jahrhundert zu beweisen und etwas von Substanz zu sagen.
Inszenierung
Zur Freude vieler Fans wird diese Folge wieder einmal von der einzig wahren “Number One” in Szene gesetzt: Jonathan Frakes. Durch ihn finden Form und Inhalt dieses recht klassischen Abenteuers zusammen. Vielleicht ist es Einbildung und das bloße Wissen darum, dass ein “Star Trek”-Urgestein die entscheidende Rolle hinter der Kamera spielt, verändert die Rezeption wie ein Placebo. Aber “People of Earth” atmet im Guten wie im Schlechten eher den Geist einer “Star Trek”-Folge des 20. als des 21. Jahrhunderts. Für diese Episode ist das durchaus passend.
Nostalgisch wird auch der Soundtrack von Jeff Russo. In ihm finden wir zahlreiche Anspielungen an das klassische “Star Trek”-Thema, jedoch nur in Bruch- und Versatzstücken. Schließlich sind auch Sternenflotte und Föderation nur ein Schatten ihrer selbst.
Über die visuellen Effekte kann man ebenfalls nur Gutes berichten. Auch hier macht es mir den Anschein, als würde Frakes mäßigend auf das Tempo wirken. Jedenfalls gefallen mir die tendenziell längeren Einstellungen mit zurückhaltender Kameraarbeit besser als manche Achterbahnfahrt aus vorherigen Staffeln.
Beobachtungen
- Burnhams Logbucheintrag nutzt erstmalig eine 6-stellige Sternzeit (vor dem Komma). Die Sternzeit 865211,6 für das Jahr 3188 entspricht der mit “The Next Generation” eingeführten Konvention, dass ausgehend von Sternzeit 41000,0 für den Beginn des Jahres 2364 mit jedem fiktional verstreichenden Erdenjahr die Sternzeit um 1000,0 Zeiteinheiten größer wird.
- Am Anfang der Episode sehen wir kurz ein paar Föderationsschiffe des späten 31. Jahrhunderts. Deren Design ist im Vergleich zur Enterprise-J des 26. Jahrhunderts (“Azati Prime” aus “Enterprise”) nicht sonderlich modern. Wiederum scheint es, als hätte das “Discovery”-Team nicht die kreative Kraft, die notwendig ist, die gigantischen Zeitabstände sinnvoll auszugestalten.
- Noch eine Notiz zum Schiffsdesign der Antagonisten in dieser Folge: Sie ähneln tholianischen Schiffen. Aus der Identität der Angreifer wird lange ein großes Geheimnis gemacht. Wenn man im Wissen um die Auflösung darüber nachdenkt, fällt der gesamte Aufhänger als krachend unplausibel in sich zusammen. Mit nur geringen Anpassungen hätte man dieses offensichtliche Logikproblem ausräumen können.
- Ein Schelm, der Böses dabei denkt: In dieser von Jonathan Frakes (Riker in “The Next Generation”) inszenierten Folge wird sehr demonstrativ die Position des ersten Offiziers als “Nummer Eins” bezeichnet.
- Und noch eine wichtige Riker-Parallele gibt es am Ende dieser Episode zu entdecken. Sie lässt sich aber ohne Spoiler nicht erklären, das übernehmen dann die Kollegen für mich.
Fazit
Die Autoren haben mit dieser Episode einen Haken geschlagen, den ich vor zwei Wochen innerhalb unserer Redaktion als meinen liebsten Twist prognostiziert/herbeigewünscht habe. Insofern kann ich die Entwicklung der Rahmenhandlung nur als vielversprechend begrüßen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob Michelle Paradises Stab die kreative Klasse hat, das volle Potential dieser spannenden Anlage auf befriedigende und schlüssige Art auszureizen.
Bei Burnhams Entwicklung gehen mir ähnliche Gedanken durch den Kopf. Insbesondere, wo wir in “Far From Home” den Segen einer weitgehend eingespielten Ensemble-Crew erlebt haben, bin ich skeptisch, ob es wichtig und richtig ist, über die Hauptfigur neue Instabilität und potentielle Konflikte in die “Familie” der Discovery hineinzutragen. Nach einer beinahe toxischen ersten Staffel war der wachsende Zusammenhalt innerhalb der Crew ein Highlight der ansonsten durch schwere Logikproblemen geplagten zweiten Staffel. Dass “Discovery” ohne Not mit einer ihrer größten Stärken spielt, ist eine mutige Entscheidung.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 4 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 5 max=”6″] |
Spannung | [usr 4 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 5 max=”6″] |
Humor | [usr 2 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 3 max=”6″] |
Gesamt | [usr 4 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 32 (Staffel 3, Episode 3) |
Originaltitel | People of Earth |
Deutscher Titel | Bewohner der Erde |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 29. Oktober 2020 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 30. Oktober 2020 |
Drehbuch | Bo Yeon Kim, Erika Lippoldt |
Regie | Jonathan Frakes |
Laufzeit | 48 Minuten |
Mit Rücksicht auf andere Leser, die die Folge noch nicht gesehen haben, bitten wir, in den Kommentaren zu diesem Artikel auf Spoiler zu verzichten. Danke!
Für mich eine der schwächsten Disco Folgen ever. Man verfiel in die lächerliche Tradition mal eben in unter 45min. ein fundamentales Problem eines Planeten durch ein bisschen gut zureden und zusammen ein Liedchen trällern zu lösen. Wenn ich sowas sehen möchte schaue ich die Orville
[…] Senna Tal zu folgen. Christopher vom TrekZone Network hat, wie jeden Freitag, eine spoilerfreie Kurzrezension zu dieser Folge geschrieben. Ein Blick darein lohnt sich auf jeden […]
Für mich eine durchaus gelungene Folge. Wenn ich mir die “Einbrüche” in Staffel eins und zwei in der dritten Folge ansehe, dann scheint es, als ob die Autoren/Produzenten doch die Eine oder Andere Kritik gehört haben. Ob wie Christopher vermutet sie überhaupt in der Lage sind, “bessere” Geschichten abzuliefern bleibt abzuwarten. Der Ansicht verbleibt meiner Meinung nach jedoch vielversprechend.
(Mehr ist spoilerfrei gar nicht kommentierbar)