Wir haben uns die zweite Episode der neuen Animations-Comedy “Star Trek: Lower Decks” angeschaut und teilen mit euch unseren spoilerfreien ersten Eindruck.
Story
Boimler freut sich darauf, einen hoch dekorierten klingonischen Gesandten auf eine diplomatische Mission zu eskortieren. Gleichwohl lässt es sich Mariner nicht nehmen, sich dem Duo anzuschließen. Als der Gesandte K’orin auf Tulgana 4 den Sternenflottenoffizieren abhanden kommt, muss sich das ungleiche Paar zusammenraufen, um ihn pünktlich bei der Föderationsbotschaft abzuliefern.
Derweil versucht Rutherford, seine Karriere in neue Bahnen zu lenken, um mehr Zeit mit Tendi verbringen zu können.
Dialoge und Besetzung
Die Aufteilung des Casts in die Duos Mariner/Boimler für die A-Story und Tendi/Rutherford für den B-Plot ist eine konsequente Fortsetzung und vertieft die Beziehungsdynamik der Pilotepisode. Während die Archetypen der Charaktere weiterhin deutlich gezeichnet und grundsympathisch sind, fehlt es den Figuren in “Envoys” in jeder Hinsicht an Nuance, was den “Twist” der A-Story extrem vorhersehbar macht.
Etwas überraschend ist jedoch die Pointe von Rutherfords und Tendis Geschichte. Zudem entsprechen Rutherfords Interaktionen mit den Senioroffizieren deutlich mehr den Erwartungen, die wir an eine Sternenflottencrew stellen. Nachdem die Lower Decks letzte Woche für Captain Freeman & Co. offenbar Menschen zweiter Klasse waren, erfährt Rutherford von Chefingenieur Billups (Paul Scheer) und Sicherheitschef Shaxs (Fred Tatasciore) dieses Mal kollegialen Zuspruch.
Auch wenn es sehr subjektiv ist, scheint mir der Humor in dieser Episode kürzer zu kommen als noch in der Pilotfolge. Das hat auch damit zu tun, dass weniger Wortwitz als Situationskomik zum Einsatz kommt. Während ich während des Piloten mehrfach laut gelacht habe, musste ich bei “Envoys” bis auf eine Ausnahme höchstens schmunzeln.
Kanon und Rahmenhandlung
“Envoys” funktioniert gut als Einzelepisode mit einer wenig subtilen Kernbotschaft. Ob die gemeinsamen Erlebnisse von Mariner und Boimler in dieser Episode Nachhall in künftigen Abenteuern finden werden, darf bezweifelt werden. Rutherford und Tendi indes scheinen von den Autoren bereits als Paar gesetzt zu sein. Konsequenzen für künftige Folgen wird hingegen vermutlich eine kurze Begebenheit aus dem Teaser vor dem Vorspann haben.
Inszenierung
Im vertrauten Comicstil macht “Envoys” einen noch ambitionierteren “Kanon-Rundumschlag” als “Second Contact”. Das liegt daran, dass Tulgana 4 viele Kulturen beherbergt. Neben der Föderationsrepräsentanz bewohnen noch viele andere Völker Stadtviertel auf dem Planeten, so dass es neben einem Risa-Distrikt auch ein “Little Kronos” gibt. Das führt dazu, dass Mariner und Boimler bei ihrer Jagd nach K’orin Dutzenden Spezies begegnen, die wir aus den diversen Trek-Inkarnationen kennen. Zudem nutzen die Zeichner auch den Hintergrund der Szenerie ausgiebig für Referenzen und Easter Eggs.
Auch diese Folge ersetzt explizite Ausdrücke durch Pieptöne, was weiterhin kurios anmutet. Schließlich kann CBS All Access im selbst betriebenen Streamingdienst zu jeder Tageszeit senden, was es will, und tut sich bei “Discovery” und “Picard” ebenfalls keinen Zwang an. Entweder peilt man eine erwachsene Zielgruppe an, oder man lässt es bleiben. Wenn es kein Gag sein sollte (was nach dieser Folge unwahrscheinlich ist), dann wäre es geradezu peinlich, sich bei einer Eigenproduktion unnötigerweise in Selbstzensur zu üben.
Beobachtungen
- Tricorder mit lila Streifen scheinen was Besonderes zu sein. Ich brauch auch einen.
- “It’s a blast shield, it’s blast shield…”
- Der Warpkern der Cerritos scheint mehr als doppelt so groß zu sein wie die Exemplare der Enterprise-D oder -E, ganz zu Schweigen von der Voyager oder Defiant.
- Es scheint so, als sei am Landeplatz von Tulgana 4 der gleiche Architekt am Werk gewesen wie bei Farpoint Station.
- Auf dem Klingonenmarkt kann man nicht nur Disruptoren kaufen, die aus “The Original Series” stammen, auch Modelle, die bisher ausschließlich in den Kelvin-Filmen erschienen sind, findet man hier (was sinnvoll erscheint, schließlich dürfte die Entwicklung der klingonischen Technik durch den Split der Zeitlinie weit weniger beeinflusst worden sein als die der Föderation).
Fazit
“Envoys” ist weniger überzeugend als “Second Contact”. Das liegt einerseits daran, dass sowohl die Gags als auch die Charakterentwicklung noch mehr via Holzhammer vermittelt werden. Das vermeintliche “Happy Ending” der Folge scheint mindestens für Boimler und Mariner nicht verdient; der Plot der A-Handlung wirkt wie eine wenig witzige Überzeichnung eines arg verkürzten “Star Trek”-Klischees.
Dabei machen sowohl die A- als auch die B-Story klar, dass “Lower Decks” ganz “Trek”-typisch um einen sehr menschlichen Kern und eine utopische Zukunft konstruiert ist. Allerdings stellt sich im Gegensatz zu z.B. einer “Next Generation”-Folge durch die übersteuerte und weitgehend vorhersehbare Darbietung kein optimistisches Grundgefühl beim Zuschauer ein. “Envoys” ist deswegen nicht schlecht, aber halt auch ein bisschen verzichtbar.
Es stellt sich die Frage, ob “Lower Decks” auf mittlere und lange Sicht mehr sein möchte als ein kurzweiliger, aber letztlich belangloser Pausenfüller zwischen den Staffeln der “großen” Live-Action-Serien. Dafür müsste die Serie mehr Ambitionen an den Tag legen als möglichst viele Kanonreferenzen pro Minute rauszupumpen.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 3 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 5 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 4 max=”6″] |
Spannung | [usr 2 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 4 max=”6″] |
Humor | [usr 3 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 1 max=”6″] |
Gesamt | [usr 3 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 1 (Staffel 1, Episode 2) |
Originaltitel | Envoys |
Deutscher Titel | unbekannt |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 13. August 2020 |
Erstausstrahlung Deutschland | unbekannt |
Drehbuch | Chris Kula |
Regie | Kim Arndt |
Laufzeit | 25 Minuten |
Mit Rücksicht auf andere Leser, die die Folge noch nicht gesehen haben, bitten wir, in den Kommentaren zu diesem Artikel auf Spoiler zu verzichten. Danke!
Schönes Review! Interessant, wie teilweise die Meinungen auseinandergehen – ich persönlich fand die zweite Folge wesentlich besser (und auch lustiger) als die erste. Das lag zum einen an dem ausgelutschten Zombieplot als auch besonders an der Tatsache wie negativ die Führungsoffiziere (Freeman, McCat & Ransom) in der ersten Episode dargestellt wurden. Und Marina behauptet auch noch, Senior Offiziere würden das alles nur aus egoistischen Gründen machen… Ruhm und Ehre und so… blah.) Im Gegensatz dazu hat mir in Episode 2 das positive Feedback welches an Rutherford gerichtet war sehr gefallen – da fühlte sich die Serie einigermaßen nach Star Trek… Weiterlesen »
@ Star Trick: Kann den Bemerkungen über die Figuren nur zustimmen. Das “Duo” Marina/ Beumer ist für mich nicht stimmig. So wie sie gespielt werden, muss man sich Fragen (trotz Humor) wieso diese auf einem Raumschiff sind. Wie schon geschrieben Troi/ Barkley (als Vergleich) waren da stimmiger. Man konnte der Figur Barkley auch “humoristisch” was abgewinnen.
Tendi ist (noch?) ein blasse Figur, da könnte man mehr rausholen. Und ja, Kameradschaft n der Crew war mal ein Thema. So wie es eben auf einem Raumschiff der Föderation sein sollte.
Vielen Dank für die Kurtz-Rezension 😉
Was ich heraushöre (oder heraushören möchte) ist, dass man sich schon Mühe gibt, dass sich die Serie visuell zumindest in den Kanon einfügt. Was mir auch auffällt ist, dass man versucht, eine 45-minütige Episode in den für Cartoon-Serien üblichen 25 bis 27 Minuten zu quetschen und dadurch eine Hast entwickelt, die eher negativ zu sein scheint.