In der sechsten Folge von “Picard” wird endlich so richtig aufgedreht. In unserer ausführlichen Review klären wir ab, was so alles passiert. Achtung, Spoiler!
The Borg are back!
Ok, das ist jetzt nichts Neues, denn der Kubus mit dem Rückgewinnungsprojekt war ja schon seit der ersten Folge Bestandteil der Serie. Und das Ende der letzten Folge hat ja schon deutlich gezeigt, wo die Reise hingeht. Während des Fluges zum Kubus darf Picard nochmal über seine Borg-Vergangenheit sinnieren, was aber mitunter nicht ganz stimmig mit der Serie und den Filmen ist. Denn eigentlich war man davon ausgegangen, Picad hätte den größten Hass auf die Cyborgs spätestens seit “Star Trek: Der erste Kontakt“ überwunden. Dass er hier wieder ein Stück in alte Muster verfällt, ist sicher auch den Neuzuschauern geschuldet, die man so an die Szenerie heranführen will. So ganz abkaufen kann ich Picard diesen Hass aber nicht.
Immerhin wird das alles später auf dem Kubus wieder relativiert, als Picard erkennt, welche Arbeit Hugh leistet. Und dass nicht alle assimilierten Personen verloren sind. Diese Szene versöhnt schon fast wieder mit diesem etwas schwächeren Einstieg.
Etwas schwächer ist auch Juratis Einstieg und die Erklärung, dass Maddox gestorben ist. Checkt denn keiner die Leiche? Immerhin gab es da Control-ähnliche blaue Adern. Und selbst wenn das vertuscht wurde, was ist dem MHN? So mir nichts, dir nichts ohne weitere Erklärung die Szene zu übergehen, ist dann doch etwas schwach.
Die Charakterszenen punkten
Neben diesen Schwächen punktet die Folge aber vor allem durch schöne Charakterszenen. So darf sich Rios um Raffi kümmern und ihr in ihrem Suff beistehen, wobei man zumindest im Moment noch verstehen kann, warum – Ablehnung durch ihren Sohn. Witzig ist auch die Szene, in der sie Picard einen Diplomatenpass besorgt. Hier sticht besonders hervor, wie sie über “JL“ spricht und dass dieser “Mister Hohe Moral” ist. Ein kleiner Querverweis auf den Rest der Serie und Picard an sich. Durchaus witzig anzuschauen.
Die Frage an der Stelle ist aber, warum Picard den Pass unbedingt braucht, außer als Plot Device, um allein auf den Kubus zu gehen. Er hätte doch einfach Hugh rufen können. Ich bin sicher, der Ex-Borg (oder xB, wie sie genannt werden) hätte ihn auch so empfangen.
Überdies knistert es zwischen Agnes und Rios. Da sich dies in den letzten Folgen durchaus ein wenig angebahnt hat, nimmt man diese Entwicklung den Charakteren auch ab. Im Gegensatz zu Narek und Soji, die hier eine weitere Facette ihrer Beziehung zeigen dürfen. Allerdings ist es diesmal überaus erträglich im Gegensatz zu den vorherigen Folgen, was sicher auch daran liegt, dass gerade dieser Handlungsstrang auch endlich Fahrt aufnimmt.
Die große Enthüllung
Denn Narek darf sich nun, nach einer weiteren nervigen Session mit Rizzo, entscheiden, was er bezüglich Soji macht – wobei auch der titelgebende Rubens-Würfel, ähem, die “geheimnisvolle Box“ ins Spiel kommt. Spätestens mit der Auflösung der Traumsequenz – die übrigens auch mit der Pinocchio-Anleihe (Soji zerlegt) eine nette Referenz an Datas Träume darstellt – wird klar, dass Sojis Schicksal besiegelt ist. Immerhin schwankt Narek noch ein wenig bzw. scheint Probleme mit dem Auftrag zu haben. Vielleicht wackelt er ja doch noch auf die “gute“ Seite.
Wobei man sagen muss, dass der rote Nebel, der Soji zerstören soll, schon etwas “langsam“ ist. Schon die Tür hätte einen Androiden eigentlich nicht aufhalten dürfen, daher ist das Durchbrechen des Decks in der Hinsicht konsequent. Allerdings braucht die liebe Soji so lange dafür, dass man sich schon fragt, warum der Nebel sie nicht längst erledigt hat. Doch trotz dieses Mankos gehören diese Szenen und auch die vorherige Charakterentwicklung, in der sie herausfindet, was mit ihr so Sache ist, durchaus zu den Stärken der Folge. Das Treffen mit Picard ist da schon fast das Tüpfelchen auf dem i und man darf gespannt sein, wie es nächste Woche weitergeht. Immerhin kennt Rizzo nun auch den Heimatort der Androiden.
Die andere geheimnisvolle Box: Der Kubus
Der Kubus wird in dieser Folge auch erstmals von Picard betreten und noch ein Stückchen weiter ausgebaut. Warum Picard allerdings nach seinem Hinüberbeamen nicht empfangen wird, ist schon mehr als fraglich. Auch hier kommt wieder ein Plot Device zum Einsatz, das einzig dazu dient, Picard einen kleinen Zusammenbruch auf den Leib zu schneidern. Auch das funktioniert nicht wirklich, auch wenn die Auflösung bzw. die Wiedervereinigung mit Hugh dafür dann doch wieder entschädigt. Wie erwähnt gibt es dann auch für Picard noch eine schöne Charakterszene, in der er einmal mehr seinen Hass für die Borg ablegen darf.
Dass der Kubus dabei etwas düsterer daherkommt und sich auch rekonfiguriert, sodass gewisse Bereiche nicht zugänglich sind, ist nicht nur eine konsequente Weiterentwicklung, sondern angesichts der folgenden Enthüllung mehr als passend. In der Kammer der Borg-Königin (diesmal ohne Schläuche) enthüllt Hugh nämlich ein Sikaris-Portal. Woher er davon weiß, sei an dieser Stelle mal dahingestellt, denn sowohl Picard als auch Hugh haben das Kollektiv lange bevor die Voyager auf Sikaris eintraf, wieder verlassen. Aber gut, hier kann man sich noch andere Erklärungen denken, auf jeden Fall ist diese Technologie, die auch an die Iconianer erinnert, ein schöner Fanservice.
An der Stelle darf auch Elnor nochmal glänzen, wobei jedem Zuseher wohl klar war, dass er nicht auf dem Schiff bleiben wird. Warum er dann aber auf dem Kubus zurückbleibt, ist allerdings wieder ein Punkt, an dem es gegen Ende noch mal etwas schwächelt. Immerhin bemerkt das auch Picard, was zu einem kurzen Dialog führt. Immerhin: Beim Kämpfen macht Elnor so schnell keiner was vor.
Und etwas Spekulation
Zu guter Letzt bleibt die Frage, wie es nun weiter geht. Alles, was in den Trailern gezeigt wurde, bis auf die Szene mit Riker und Troi, wurde bereits abgehakt. An der Stelle mal spekuliert: Besagte Szene ist am Ende der Staffel und Picard will auf eine Art Feldzug gegen die Sternenflotte gehen. Deswegen auch Wills “Ich könnte sie eh nicht aufhalten“. Nun, wir werden sehen, ob es so eintritt.
Fazit
Mit “Die geheimnisvolle Box“ zieht Picard ordentlich an und obwohl die Folge durchaus einige Schwächen hat, zeigt sie auch schöne Charakterszenen auf. So kann die neue Serie funktionieren und hoffentlich geht es auch in dieser Richtung weiter.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 4 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 5 max=”6″] |
Spannung | [usr 5 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 4 max=”6″] |
Humor | [usr 2 max=”6″] |
Gesamt | [usr 5 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 6 (Staffel 1, Episode 6) |
Originaltitel | The Impossible Box |
Deutscher Titel | Die Geheimnisvolle Box |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 27. Februar 2020 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 28. Februar 2020 |
Drehbuch | Nick Zayas |
Regie | Maja Vrvilo |
Laufzeit | 54 Minuten |
Mit der Rezension im Wesentlichen und der Bewertung voll einverstanden. Die Folge ist sehr gut und gibt Picard Schub. Vor allem die Crew darf mal mehr „sich selbst“ spielen. Zwei Punkte: „So ganz abkaufen kann ich Picard diesen Hass (auf die Borg) aber nicht.“ Ich schon. Das ist im Film „Der erste Kontakt“ ganz klar geworden. Man hat das gemerkt, als er auf dem Holodeck sein ehemaliges Crewmitglied mit einer MP „abgeschlachtet“ hat und bei seinem Anfall, als er mit Cpt. Ahab wieder auf Spur gebracht wurde. „Er hätte doch einfach Hugh rufen können.“ Sicherlich nicht. Hugh mag zwar der… Weiterlesen »
Aus Sicht der Traumaforschung muss ich dem Rezensenten hinsichtlich der ersten Absätze nachdrücklich widersprechen. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass extreme Traumatisierungen, wie Picard sie erlitten hat, “überwunden” werden können. Man kann lernen mit ihnen zu leben. Aber geradezu das Wesensmerkmal solcher Traumatisierungen ist es, dass sie in verschiedenen Lebensphasen immer wieder neu aufbrechen können und selbst durch kleinste, scheinbar zusammenhanglose Details getriggert werden können (und der Besuch eines Borg-Kubus ist da schon einige Nummern größer). Den Produzenten zu unterstellen, sie hätten lange bekannte Erkenntnisse der Traumaforschung berücksichtigt, wäre wohl recht gewagt. Dennoch freue ich mich sehr, dass eine extreme… Weiterlesen »