In unserer Review zu “Star Trek: The Next Generation – Absturz” klären wir, ob der titelgebende Absturz auch für den ganzen Roman gilt.
Inhalt (Klappentext):
Beim Vermessen eines Nebels stoßen Captain Jean-Luc Picard und die Mannschaft des Raumschiffs Enterprise auf einen Einzelgängerplaneten. Auf der Oberfläche der unwirtlichen Welt messen sie Lebenszeichen und erhalten plötzlich eine verstümmelte Botschaft: eine unvollständige Warnung, um jeden Preis fernzubleiben. Entschlossen, seine Hilfe anzubieten, schickt Picard Commander Worf und ein Außenteam los, um die Angelegenheit zu untersuchen, doch ihr Shuttle wird zu einer Notlandung auf der Oberfläche gezwungen, jeder Kontakt bricht ab und dann verschwindet der Planet komplett.
Kritik
Dayton Ward kennt man eigentlich als “Star Trek”-Routinier, hat er doch bereits für “Vanguard” geschrieben, aber auch sonst einige weitere Romane im Franchise abgeliefert. Mit “Absturz” liegt nun ein “The Next Generation”-Roman vor, der aus dessen Feder stammt. Und eben jener Roman erweist sich hinsichtlich seiner Handlung leider als ein Stück weit zu generisch. Doch der Reihe nach.
Abenteuer im Paralleluniversum
Chronologisch ist das Ganze in der derzeitigen “TNG”-Timeline angesiedelt, genauer gesagt 2386 – also nach “The Fall” und den daran anschließenden Romanen. Dies gilt allerdings nur für die Prime-Timeline, denn im Verlauf des Buches bekommt es die Crew der Enterprise-E mit ihren Gegenstücken aus dem Paralleluniversums zu tun. Dabei handelt es sich allerdings um die Pendants aus dem Jahr 2367, die sich demnach noch auf der Enterprise-D befinden. Mit von der Partie sind auch Romulaner aus dem Jahre 2266.
An und für sich erlaubt ein Springen in Paralleluniversen auch immer die ein oder andere nette Spielerei, vor allem wenn auch noch Zeitreisen involviert sind. Zwar darf man nicht in das Prime-Parallel-Universe abbiegen – denn das ist ja bekanntlich für die Serien reserviert – andere Versionen gehen aber durchaus.
Gerade hier hapert es aber in diesem Buch. Die Ausgangslage ist dabei zwar noch interessant. So hat Picard etwa den Borg-Angriff von 2367 nicht überlebt und die Romulaner haben das Katz- und Maus-Spiel mit Kirk (“Balance of Terror”, TOS 1×14) gewonnen. Davon abgesehen bleibt aber vieles blass und bedient im weiteren Handlungsverlauf auch zu viele Klischees.
Blasse Widersacher
Fangen wir mit den Romulanern an: Hier ist eine Frau Kommandantin, die sich natürlich einen ihrer Untergebenen als Betthäschen hält. Jüngere Leser werden sich womöglich nicht mehr erinnern, aber dieses Klischee wurde in den Romanen aus den 80er-Jahren (Heyne-Verlag) zuhauf bedient und man hat sich irgendwie in diese Zeit zurückgesetzt gefühlt. Das mag womöglich auch so beabsichtigt sein, um so quasi den Flair der 60er einzufangen. Allerdings funktioniert das aber heutzutage leider nicht mehr.
Ansonsten handeln die Romulaner einfach nur nach Schema F: Erstmal angreifen und als das scheitert, suchen sie dann eben doch das Gespräch mit der Enterprise. Am Ende lassen sie sich dann im Handumdrehen von den guten Absichten der Menschen überzeugen und kooperieren schließlich sogar. Das spricht zwar für die Diplomatiekünste von Riker und Picard, kommt hier aber dann doch ein Stück weit zu plötzlich. Hier hätte man mehr Charakterarbeit investieren sollen, um diese Wendung glaubwürdiger zu machen. Am Ende fragt sich die romulanische Kommandantin Sarith sogar, was ihre Kollegen wohl von der Zusammenarbeit halten mögen. Eine Auflösung dieses zugegebenermaßen interessanten Gedankenspiels bleibt uns aber leider verwehrt. Das ist sehr schade und an dieser Stelle auch irgendwie eine vertane Chance.
Dürftige Charakterarbeit
Demnach bleiben die Romulaner in dieser Geschichte leider recht blass, aber auch den Gegenstücken auf der Enterprise-D ergeht es hier ähnlich. Zwar werden die bekannten Charaktere hier ein wenig besser ins Rampenlicht gerückt, sodass beispielsweise auch Riker und Troi ihre Beziehung wieder aufnehmen dürfen. Die Diskussionen über einen toten Picard kennt man aber bereits zur Genüge, denn auch dieses Thema wurde in der Vergangenheit leider schon mehr als breit gewalzt. Demnach bietet dieser Handlungsaspekt für unsere Charaktere auch eigentlich nichts Neues. Und natürlich muss Riker den toten Picard – in dem Fall das Prime-Gegenstück – noch einmal treffen, um seinen Frieden mit der ganzen Sache zu machen, nur um sich am Ende dann wieder an den Pokertisch zu seinen Offizieren zu gesellen. Das ist wirklich Klischee pur – und leider auch total langweilig!
Übrigens ist Tasha Yar in der anderen Realität noch am Leben. Was hätte man daraus nicht alles zaubern können?! Doch diese Figur wird in “Absturz” sträflicherweise zur einfachen Stichwortgeberin degradiert, sodass Tashas Rückkehr hier leider auch total verschenkt ist. Aber auch den übrigen Charakteren auf der Enterprise-E ergeht es nicht besser. Zwar dürfen einige Nebencharaktere sowohl am Anfang als auch am Ende kurz über ihre Beziehungen scherzen, ansonsten bleibt es aber bei diesem doch eher geringen Tiefgang. Man hilft den Sidrac und gut ist.
Generischer Plot
Hinsichtlich der Charakterarbeit scheitert der Roman demnach, womit wir bei der erwähnten Haupthandlung um die Sidrac wären. Deren Planet springt wegen eines Unfalls durch Paralleluniversen und darf die Enterprises natürlich mitreißen.
Bei einer Geschichte, in der alle friedlich sind (Enterprise-D, Sidrac, Enterprise-E) und es um wissenschaftliche Aufgaben geht, kann man kaum Action herausholen. Grundsätzlich ist das ja nicht verkehrt. Es darf durchaus auch mal Bücher geben, in denen der Forschergedanke im Vordergrund steht und in denen man auf große Schlachten oder ähnliches verzichtet. Immerhin entspricht ein solch friedliches Miteinander auch absolut dem Geist von “Star Trek”.
Nur muss bei einer derartigen Geschichte dann aber ganz besonders die Charakterarbeit stimmen, um den Leser nicht in der Langeweile versinken zu lassen. Aber wie bereits ausführlich dargelegt, weist “Absturz” diesbezüglich so einige Defizite auf.
Da hilft es auch nicht, dass man die Sprünge zwischen den Paralleluniversen als Dimensionssprünge – respektive die Universen selbst – als andere Dimensionen bezeichnet. Warum eigentlich? Um sich abzuheben und es eben nicht wie einen generischen Roman aussehen zu lassen? Leider funktioniert auch das Umbiegen der Sprache in dem Zusammenhang nicht, da Dimensionen eigentlich auch andere Dinge als Paralleluniversen implizieren können. Manchmal ist das Bewährte dann eben doch die bessere Wahl.
Und eine größere Menge an Technobabble darf natürlich auch nicht fehlen. Das mag zwar für Ingenieursanwärter (oder Fans, die so etwas werden wollen) noch interessant sein, es trägt aber auch leider im negativen Sinne zur doch eher langweiligen Atmosphäre des Buches bei, sofern man kein Faible dafür hat.
Am Ende steht schließlich Picards Entscheidung, Riker #2 die Pläne für den Transphasentorpedo zu geben, um die künftigen Invasionen der Borg abwehren zu können. Rein menschlich gesehen, ist diese Entscheidung durchaus nachvollziehbar, immerhin weiß der treue “Star Trek”-Zuschauer (und Leser), was auf die bekannten Charaktere noch alles zukommen wird. Und ob die obersten Direktiven (auch die temporale) auch für etwaige Paralleluniversen gelten, ist mit Sicherheit ein diskussionswürdiger Punkt. Aber leider bleibt es auch diesbezüglich bei einer nur sehr oberflächlichen Betrachtungsweise.
Da sich das Buch bis hierhin schon relativ lang gezogen hat, wünscht man sich fast schon, auch noch die Auswirkungen dieser Technologie-Weitergabe zu sehen – sei es bei der Enterprise-D oder eben im Prime-Universum auf Picard. Nichts davon wird aber vermutlich in den Folgebänden aufgegriffen werden. Daher ist auch diese Erwähnung reine Makulatur.
Ein kleiner Lichtblick
Immerhin gibt es noch eine witzige Szene gegen Ende, in der sich die “Lower Decks” beschweren, dass sie nichts darüber erfahren, was denn da oben auf der Brücke so abgeht. Also weder etwas über die Geschehnisse in den anderen Paralleluniversen noch wie man damit umgegangen ist – und erst recht nichts vom Transphasentorpedo.
Der Roman stammt von 2017. Zu dieser Zeit war die geplante Produktion der Animationsserie “Lower Decks” noch nicht bekannt gegeben worden. Dennoch zeigt diese Szene sehr gut (wenn auch sicher unbeabsichtigt), wohin die Reise dieser Serie gehen könnte. Diesen doch eher dürftigen Roman noch zu retten, das vermag diese lustige Szenen dann allerdings auch nicht mehr.
Fazit
Obwohl in der Geschichte von “Absturz” sicher einiges an Potential steckt, dümpelt der Roman leider auf ausgetretenen Klischeepfaden so vor sich hin. Zudem wird leider auch die Charakterarbeit versemmelt. Einzelne Szenen mögen zwar Lichtblicke sein, im Großen und Ganzen reicht es aber leider nicht für mehr. Da ist man von Dayton Ward eigentlich schon Besseres gewohnt.
Bewertung
[usr 1.5]
Quick-Infos
Autor: | Dayton Ward |
Originaltitel: | Headlong Flight |
Jahr der Veröffentlichung (Original): | 2017 |
Übersetzer: | Stepahnie Pannen |
Seitenanzahl: | 334 |
Preis: | 15.- Euro |
ISBN: | 978-3-95981-960-2 |
Verlag: | Cross-Cult |
Ihr seid schon ein paar Nerds : D
Und deswegen arbeiten wir auch grad an einer neuen Reihe namens “Nerdy Review!” 🙂
Also dranbleiben und weiter unsere Seite verfolgen 🙂