Letzte Woche scheiterten die Hollywoodstreik-Gespräche zwischen den Studios und der US-Film/TV-Gewerkschaft. Ein weiterer Streik zeichnet sich ab — mit der Videospielbranche!
Vorwort: Der Streik & “Star Trek”
Seit Sommer 2023 gehen viele Schauspieler:innen streikend auf die Straßen der US-Unterhaltungsindustrie: in New York, in Los Angeles und in weiteren US-Städten, in denen Filme und Serien produziert werden. Auch Stuntleute, Make-up-Artist, und andere Arten von Kreativen, die der Branche zuarbeiten, nehmen am Hollywoodstreik teil. Die meisten Produktionen stehen still.
Besonders auf Instagram, TikTok, X und Facebook findet man täglich Streikfotos mit und von bekannten “Star Trek”-Gesichtern. Sie erhoffen sich vernünftige Arbeitsverträge und bessere Gagen, um ihre Mieten zahlen zu können, um nicht mehr Nebenjobs haben zu müssen; und sie stehen für ihre Grundrechte ein, beispielsweise für das Recht auf ihr Abbild. Kommende KI-Regulierungen werden entweder erlauben, dass Darsteller:innen einmal eingescannt und die entstehende Digitalkopie von den Produktionsstudios quasi auf ewig weiterverwendet werden darf… oder man wird festlegen, dass eine solche Herangehensweise von vorneherein falsch ist und ein jeder das Vorrecht am eigenen Abbild behalten darf und bei Wiederverwendung erneut bezahlt werden muss. Für diese und andere Rechte wird gestreikt, denn es gibt bisher keinerlei Gesetze oder Verträge, die dies regeln.
Im Laufe der Geschichte wurden so manche Grundrechte von Gewerkschaften verschiedenster Berufe erstreikt, einschließlich sehr vieler Grundrechte, die wir hier in Europa als selbstverständlich erleben. Dass für KI-Regulierung gekämpft werden muss, war eine Frage der Zeit. Dass enorm viele US-Schauspieler:innen, mit deren Namen und Gesichtern wir vertraut sind, noch immer für ein Minimalgrundeinkommen kämpfen müssen, um sich z.B. die Krankenkasse leisten zu können, ist allerdings erschreckend.
Studios: Die Kluft sei zu groß
AMPTP.org, die Webseite, auf der die Studios und Streamingdienste gemeinsame Pressemitteilungen zum Thema online stellen, hat ein recht kurzes Statement über die gescheiterten Streikgespräche veröffentlicht:
Die Verhandlungen zwischen [uns] und der [Gewerkschaft] wurden ausgesetzt, nachdem sie ihren jüngsten Vorschlag vorgelegt hatte. Nach intensiven Gesprächen ist klar, dass die Kluft zwischen [uns] und der [Gewerkschaft] zu groß ist und die Gespräche uns nicht mehr in eine produktive Richtung bringen.
press.amptp.org
Studios: Die wirtschaftliche Belastung sei unhaltbar
Der hier angesprochene Vorschlag, den die US-Film/TV-Gewerkschaft vorgelegt hatte und der zum Verhandlungsstopp führte, betrifft eine erhoffte Einnahme-Beteiligung am Streaming-Erfolg. Eine solche Beteiligung, und damit eine bessere Bezahlung der Schauspieler:innen, würde den Studios/Streamern jährlich weniger als 57 Cent pro Abonnent kosten. Sie erklärten jedoch, die Forderung sei eine “unhaltbare wirtschaftliche Belastung”, die sie im Laufe eines neuen Dreijahresvertrags mehr als 800 Millionen Dollar pro Jahr kosten würde.
Streikende Gewerkschaft: “Absichtlich falsch dargestellt”
Die Gewerkschaft wiederum erklärte gegenüber Deadline.com, dass die Studios “die Kosten des Vorschlags gegenüber der Presse absichtlich falsch darstellten und um 60 Prozent zu hoch angesetzt haben.” Auf der New York Comic Con ergänzte Gewerkschaftsvertreter Duncan Crabtree-Ireland:
“Sie machten dasselbe beim Thema künstlicher Intelligenz, indem sie behaupteten, uns zu schützen, aber weiterhin die ‘Zustimmung’ zu Digitalkopien von Personen schon am ersten Beschäftigungstag für die Weiterverwendung in ganzen Franchises zu verlangen”.
“Die öffentliche Erklärung der [Studios] bezeichnete unsere Forderungen als überzogen. Wir sind jedoch nicht der Meinung, dass sie das sind. Die Zahlen, die sie verwendet haben, sind stark übertrieben. [Unsere tatsächliche] Forderung ist ein vernünftiger Ansatz, eine faire Entschädigung für den Beitrag, den Schauspieler:innen zur Existenz und zum Erfolg dieser Streaming-Plattformen beitragen.
Der Gedanke, dass ein:e Künstler:in das Recht auf eine informierte Zustimmung zur Verwendung des eigenen digitalen Abbildes nicht haben darf… jede:r ausübende Künstler:in sollte dieses Recht in jeder Form von Technologie haben, einschließlich KI und KI-Tools, die zu diesem Zweck entwickelt worden sind.
Duncan Crabtree-Ireland gegenüber Deadline.com
Gewerkschaft: Keine Kapitulation
In einem Thread auf Twitter.com wandte sich die Gewerkschaftsführung an ihre Mitglieder:
Mit großer Enttäuschung berichten wir, dass die CEOs der Branche den Verhandlungstisch verlassen haben, nachdem sie sich weigerten, auf unser jüngstes Angebot einzugehen. Wir haben in gutem Glauben mit ihnen verhandelt, obwohl sie letzte Woche ein Angebot vorgelegten, das schockierenderweise weniger wert war, als das, was sie vor Beginn des Streiks vorgeschlagen hatten. Sie weigern sich, ausübende Künstler:innen davor zu schützen, durch KI ersetzt zu werden, sie weigern sich, Löhne zu erhöhen, um mit der Inflation Schritt zu halten, und sie weigern sich, einen winzigen Teil ihrer immensen Einnahmen zu teilen, die die Arbeit [der Schauspieler:innen] ihnen einbringt. […]
Sie wenden dieselbe fehlgeschlagene Strategie an, die sie der Schreibgewerkschaft aufzudrängen versuchten: sie geben irreführende Informationen heraus, um unsere Mitglieder zu täuschen, damit diese ihre Solidarität aufgeben und Druck auf die Verhandlungsführung ausüben. […]
Wir haben zu viel geopfert, um vor der Blockadehaltung und Gier der Studios zu kapitulieren.
Offizielles SAG-AFTRA-Statement
Jeri Ryan, bekannt als Seven of Nine aus “Voyager” und “Picard”, ist seit Streikbeginn mit dabei. Als nun erneut die Verhandlungen abgebrochen wurden, postete sie ein Video auf Twitter.com, in dem sie ihre Kolleg:innen aufrief, zu den Streikposten zurückzukehren, wann immer möglich:
Streik gegen die Videospiel-Branche?
Viele der Themen, um der es der US-TV/Film-Gewerkschaft geht, sind auch Themen des Vertrags, den sie mit der Videospiel-Branche pflegen, darunter Löhne und künstliche Intelligenz. Aus diesem Grund hatten die 160.000 Gewerkschaftsmitglieder letzten Monat mit überwältigender Mehrheit für einen Streik gegen die zehn der größten Videospielunternehmen gestimmt.
“Diese Streikgenehmigung macht deutlich, dass wir eine Vereinbarung erreichen müssen, die Menschen fair entlohnt, vernünftige Sicherheitsmaßnahmen vorsieht und es ihnen ermöglicht, in Würde zu arbeiten. Der Lebensunterhalt unserer Mitglieder hängt davon ab.”
Verhandlungsführer der US-TV/Film-Gewerkschaft Ray Rodriguez, www.sagaftra.org
Diese Streikgenehmigung bedeutet nicht, dass die Gewerkschaft zwangsläufig zu einem weiteren Streik ausrufen wird; aber möglich ist es. Die Unternehmen, die bestreikt werden würden, sind folgende:
- Activision Productions Inc.,
- Blindlight LLC,
- Disney Character Voices Inc.,
- Electronic Arts Productions Inc.,
- Epic Games, Inc.,
- Formosa Interactive LLC,
- Insomniac Games Inc.,
- Take 2 Productions Inc.,
- VoiceWorks Productions Inc.,
- WB Games Inc.
Es ist einige Wochen her, seit erste Gespräch mit der Videospielindustrie begonnen und abgebrochen worden sind. Gestern wurde angekündigt, dass weitere Verhandlungen folgen werden.