In Folge 4 der dritten Staffel kehrt die Serie wie keine Episode zuvor zu den Wurzeln von “Star Trek: The Next Generation” zurück. Lest hier unsere ausführliche SPOILER-Rezension.
Transparenzhinweis: Der Autor dieser Rezension hat bisher noch keine Screener der verbleibenden sechs Staffel-Episoden gesehen und verfügt demnach über keine zusätzlichen Plot-Kenntnisse.
Handlung
Die Titan treibt hilflos dem Gravitationszentrum des Nebels entgegen. Maximal vier Stunden bleiben der Crew noch, um sich auf den sicheren Tod vorzubereiten – oder das No-Win-Szenario doch noch abzuwenden.
Im Angesicht des drohenden Endes räumen Picard (Patrick Stewart) und Riker (Jonathan Frakes) in einem versöhnlichen Gespräch ihre Differenzen aus. Will leidet seit dem Tod seines Sohnes an depressiven Verstimmungen, die auf die Dauer auch seine Ehe belastet haben. Er empfiehlt Picard, die verbleibenden Stunden zu nutzen, um seinen Sohn Jack näher kennenzulernen.
Derweil versuchen Seven (Jeri Ryan) und Shaw (Todd Stashwick), den Wechselbalg auf dem Schiff aufzuspüren und unschädlich zu machen. Als Beverly (Gate McFadden) herausfindet, dass es sich bei dem vermeintlichen Nebel eigentlich um eine Art Weltraum-Uterus handelt, schöpft die Crew neuen Mut, der ausweglosen Situation doch noch entkommen zu können.
Mit jeder Menge Teamwork und technischem Knowhow gelingt es der Titan-Crew am Ende, sowohl die Gefahrenzone zu verlassen als auch die Shrike (zu deutsch: die Würger) manövrierunfähig zu machen…
Drehbuch & Dramaturgie
Das Drehbuch zur Folge ist eine Koproduktion von Showrunner Terry Matalas und Sean Tretta. Der deutsche Episodentitel “Die Pattsituation” eliminiert das wörtliche Kirk-Zitat aus “Star Trek II: Der Zorn des Khan” (“I don’t believe in no-win scenario.” / “Ich glaube nicht an ausweglose Situationen.”), was für mich nicht wirklich nachvollziehbar ist. Zumal hier auch keine “Pattsituation” im eigentlichen Sinne vorliegt, da der zweite “Schachspieler” (die Shrike) hier überhaupt keine zentrale Rolle mehr spielt.
Der Episodentitel mag vielleicht auf den zweiten Kinofilm der Originalserie rekurrieren, das Drehbuch von “No Win Scenario” steht aber zweifelsohne in der Tradition von “Star Trek: The Next Generation”. Jedenfalls enthält Folge 4 einiges von dem, was diese Serie einst so großartig gemacht hat. Zu nennen sind hier vor allem drei Aspekte: Teamwork, Wissenschaft/Technologie sowie der berühmtberüchtigte ‘Sense of Wonder’.
Und so gelingt es der Folge in durchaus mitreißender und emotionalisierender Weise, das grundsätzlich eher düstere Setting – die drohende Zerstörung des Schiffes samt Besatzung – peu à peu in eine optimistische Botschaft zu verwandeln: Gemeinsam sind wir stark! Wenn auch das Resultat von Anfang an klar ist (wie eigentlich bei etlichen “Star Trek”-Folgen), so ist der Weg zur Rettung des Schiffes hier abermals das Herzstück dieser Geschichte. Und genau das ist es, was auch in TNG oftmals der Fall war: Der Weg ist das eigentliche Ziel der Geschichte.
Auch wenn der Science/Technobabble-Anteil für meinen Geschmack gerne noch etwas größer hätte sein können, so bin ich doch mit der grundsätzlichen Tonalität und auch mit dem Spannungsbogen der Folge weitestgehend zufrieden. Vieles, was mir in Folge 3 noch fehlte, hat Folge 4 nachgeliefert.
Interessanterweise bricht “No Win Scenario” erstmals mit der dualen Struktur der ersten drei Episoden. Die B-Handlung um Raffi und Worf kommt dieses Mal nämlich gar nicht zum Zug, was aus zwei Gründen eine wirklich kluge Entscheidung der Autoren ist.
Da wäre erstens der zeitliche Aspekt: In der jüngeren Vergangenheit wurde von uns Fans oftmals der berechtigte Kritikpunkt vorgebracht, dass räumliche und zeitliche Distanzen nicht korrekt wiedergegeben werden. Und auch hier wäre es enorm unglaubwürdig gewesen, wären Worf und Raffi bereits an ihrem nächsten Zielort angekommen, während die Titan noch ihrem baldigen Ende entgegentrudelt.
Zweitens macht es aus dramaturgischer Sicht auch Sinn, sich hier voll und ganz auf die A-Handlung zu fokussieren. Ein Szenenwechsel hätte diesem No-Win-Szenario definitiv die Wucht genommen, weil wir als Zuschauer aus dieser angespannten, teils hektischen Lage zweitweise herausgenommen worden wären. Mittendrin statt nur dabei ist hier klar die bessere Devise. Daher auch ein großes Kompliment an Matalas und Tretta: Alles richtig gemacht! Und auch die Rückblenden fügen sich inhaltlich gut ins Gesamtgefüge der Gegenwartsnarration ein, auch wenn ich das ‘Ten Forward’-Setting mittlerweile für überstrapaziert halte.
Während die Dramaturgie weitestgehend stimmt, sind auch dieses Mal leider wieder ein paar Logiklöcher, Kanon-Inkonsistenzen und merkwürdige Dialoge im Drehbuch enthalten.
In der Gegenwartshandlung fällt ein großes Plot Hole auf, das wir allerdings schon aus TNG- und “Voyager”-Zeiten kennen. Denn obwohl Riker befiehlt, alle nicht-essentiellen Schiffssysteme abzuschalten, um Energie für das Lebenserhaltungssystem zu sparen, lädt Picard seinen Sohn Jack ins Holodeck ein. Das ist ein sehr gängiges Plot Hole in “Star Trek”, daher kann man hier sicherlich ein Auge zudrücken. Zumal man hier auch um eine halbwegs plausible Erklärung bemüht ist (die ich allerdings fragwürdig finde).
Etwas irritiert hat mich zudem, wie schnell sich Picard und Riker in ihr Schicksal fügen. Riker hat zu Hause immerhin noch eine Frau und eine Tochter, die ihn lieben. Und Picard war schon immer eine Kämpfernatur, den auch ein durchstochenes Herz oder tagelange Folter nicht zur Resignation brachten. Hier geht er aber lieber aufs Holodeck, anstatt für die Crew – und vor allem für seinen Sohn – fieberhaft nach einem Überlebensweg zu suchen. Ob seine Positronen vielleicht doch nicht so viel Selbsterhaltungstrieb haben wie sein originaler biologischer Körper?
Und auch das Verhalten des Wechselbalgs wirkt auf mich etwas seltsam. Frühere Exemplare dieser Spezies agierten irgendwie cleverer. Demnach folgt auch Sevens Jagd auf den Formwandler nur dem Schema F. “Deep Space Nine” konnte eine solche Geschichte vielschichtiger und spannender erzählen.
Ansonsten führt “No Win Scenario” auch noch die ein oder andere Kanon-Ungereimtheit zutage. Da wäre erstens Jacks Alter, das hier mit 23 oder 24 Jahren angegeben wird. Das kann aber nicht stimmen, denn dann wäre Jack bereits vor “Star Trek: Nemesis” (2379) geboren worden. Oder Dr. Crusher hätte in diesem Film wenigstens hochschwanger sein müssen. Diese Altersangabe passt auch nicht zu Beverlys Aussage in der vorangegangenen Folge, die ihre Empfängnis in der Zeit verortet, in der Picard schon die Rettungsmission für Romulus koordinierte (zirka 2381-85).
Das zweite Kanon-Problem betrifft Jack R. Crusher, also Beverlys verstorbenen Ehemann. Picard behauptet hier, Jack und er seien schon auf der Akademie Freunde gewesen. Memory Alpha hat den entsprechenden Eintrag auch bereits mit “No Win Scenario” in Übereinstimmung gebracht. Meiner Erinnerung nach war Jack aber einige Jahre jünger als Picard. Laut Drehbuch (Deleted Scene) zu “Familienbegegnung” (TNG 4×02) wurde er wie Beverly im Jahr 2324 geboren. Zu dieser Zeit besuchte Picard gerade die Akademie.
Drittens lassen sich sowohl Picards Besuch im ‘Ten Forward’ (ca. 2396) als auch Rikers Depression nicht wirklich mit der ersten Staffel der Serie in Einklang bringen. Denn gleich in Folge 1 wurde uns vermittelt, dass sich ein wütender und frustrierter Picard 2385 für gut 14 Jahre schmollend auf sein Weingut zurückzog und dort Bücher “über Geschichte” schrieb, “an die niemand sich erinnern möchte“. Er habe damals nicht gelebt, sondern nur auf den Tod gewartet, so Picard in “Gedenken” (PIC 1×01). Hier wird uns nun aber gezeigt, wie Picard in lockerer Atmosphäre mit jungen (und überaus interessierten) Sternenflotten-Offizieren über seine größten Abenteuer plaudert. Sorry, aber wie passt das denn mit Picards Eremitendasein, mit seiner gekränkten Ehre und mit seiner Wut auf die Sternenflotte in Season 1 zusammen?
Davon mal abgesehen hatte ich in Folge 2×01 “Die Stargazer” den Eindruck, dass Picard die ‘Ten Forward’-Bar zum allerersten Mal aufsucht (man beachte, wie er sich umsieht – als sei dies sein erster Besuch dort. Außerdem spricht ihn Guinan noch mit “Captain” statt mit “Admiral” an). Nimmt man die letzten beiden Episoden als Grundlage, dann ist Guinans Bar in L.A. aber schon seit vielen Jahren Picards Stammkneipe.
Zudem lässt sich auch Folge 1×07 “Nepenthe” nur schwer mit Rikers aktueller Depression vereinbaren. Darauf hat bereits Christopher in seiner Kurzrezension hingewiesen. Gleichwohl sind Depressionserkrankungen manchmal auch von wechselnden Stimmungslagen geprägt, was eventuell auch Rikers gute Laune in “Nepenthe” erklären könnte. Allerdings liegt Thads Tod wohl auch schon einige Jahre zurück, sodass es etwas konstruiert wirkt, dass Riker erst jetzt so dermaßen aus der Bahn geworfen wurde.
Diese Kanon-Ungereimtheiten sind allerdings kein Grund, die Folge deswegen schlecht zu bewerten. Ich frage mich nur manchmal, warum so etwas den Verantwortlichen – darunter auch zahlreiche Kanon-Experten – scheinbar nicht auffällt. Oder warum sie es nicht als störend empfinden.
Als enorm störend empfinde ich weiterhin die zeitgenössische und somit teils vulgäre Sprache, die den Menschen im 25. Jahrhundert hier in den Mund gelegt wird. Insbesondere Picards sprachlicher Duktus war in TNG ein gänzlich anderer. Hinzu kommen abwertende Bezeichnungen für Wechselbälger (“son of a bitch” bzw. “Mistvieh”), die ganz klar dem im klassischen “Star Trek” propagierten Ansatz widersprechen, allen empfindungsfähigen Lebewesen eine entsprechende Würde zuzuerkennen. Schade, dass “Picard” davon Abstand genommen hat.
Charaktere
Picard & Jack
“No Win Scenario” gibt sich wirklich sehr viel Mühe, dieser Vater-Sohn-Beziehung mehr Tiefe zu verleihen. Das ist erfreulich, denn schon jetzt geht dieser Charakter-Arc über die Kirk-David-Beziehung in “Star Trek II“ hinaus. Wirklich geschickt eingebaut ist die Szene am Ende, als klar wird, dass Jack vor fünf Jahren tatsächlich versucht hatte, in Kontakt mit seinem Vater zu treten. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Diese Szene ist (trotz Kanon-Problem) verdammt gut geschrieben und ebenso toll gespielt. Man sieht Picard deutlich an, dass er hier lügt, als er behauptet, ein Sternenflottenoffizier bräuchte keine “echte” Familie. Ebenso grandios gespielt ist Jacks Reaktion darauf. Man fühlt als Zuschauer förmlich, wie tief sich Picards abfällige Aussage in dessen Herz und Seele bohrt. Die Kirsche auf der Torte ist dann allerdings Picards Gesichtsausdruck in der Gegenwartshandlung, als ihm bewusst wird, wie sehr er Jack damals verletzt haben muss.
Vater und Sohn sind sich indes sehr ähnlich. Beide versuchen, ihre Verletzlichkeit zu kaschieren. Und beide nehmen dabei in Kauf, zumindest unbewusst auch mal die Gefühle anderer zu verletzen. Es dürfte interessant sein zu sehen, wessen harte Schale zuerst bricht. Picard macht hier zwar einen ersten Schritt, flüchtet dann aber sogleich wieder aus einer für ihn unangenehmen emotionalen Lage. Fortsetzung folgt.
Spannend bleibt auch Jacks mysteriöse Herkunft und seine “Mission” (Flüstern: “Jack, finde mich!”). Ist er ein Doppelagent, ohne sich dem bewusst zu sein (so wie anfangs auch Ash Tyler)? Oder ist er vielleicht sogar ein Wechselbalg und der echte Jack befindet sich in Gefangenschaft – oder ist bereits tot? Mal sehen, aber so langsam nimmt dieser Charakterbogen Fahrt auf. Meine Skepsis gegenüber einer weiteren ‘Schläfer-Story’ ist mit dieser Episode etwas geringer geworden.
Riker
Der Streit zwischen Picard und Riker wird bereits in den Anfangsminuten recht zügig (und unspektakulär) dekonstruiert. Und ich muss sagen, dass ich durchaus mit der hier gegebenen Erklärung leben kann. Riker hat überreagiert, weil er seit langer Zeit mit Depressionen zu kämpfen hat. Und Picard hatte mal wieder einen Anfall von unreflektierter Direktheit, ähnlich wie damals in “Star Trek: Der erste Kontakt” gegenüber Worf. Kann man durchaus so schreiben.
Darüber hinaus macht Will Riker in dieser Folge wieder unglaublich viel Freude. Seine Dialoge sind gut geschrieben und Jonathan Frakes ist – entgegen so manchen Behauptungen – nicht nur ein grandioser Regisseur und Moderator, sondern eben auch ein richtig guter Schauspieler.
Und dennoch hätte ich nicht ansatzweise erwartet, dass das Riker-Comeback so bedeutsam, so authentisch und so emotional sein würde. Insbesondere sein Gespräch mit Deanna am Ende hat mich zutiefst bewegt, gerade weil hier so viel “Star Trek” drinsteckt.
Seven & Shaw
Seven und Captain Shaw sind angesichts der dramatischen Lage darum bemüht, ihre Differenzen auszuräumen und sich besser kennenzulernen. Dabei wird offenkundig, dass Shaw ganz viel von seiner Stellvertreterin hält, dies bisher aber nicht zeigen wollte (und wohl auch nicht konnte), eben weil Seven eine Ex-Borg ist.
Was Shaws Background angeht, muss ich gestehen, dass ich die Neuauflage von Commander Sisko vs. Captain Picard in “Der Abgesandte” (DS9 1×01) zunächst nicht unbedingt kreativ fand. Zumal Shaw auch wissen könnte, dass Picard gegen seinen Willen assimiliert und von den Borg in perfider Weise instrumentalisiert wurde. Dieses ‘Victim Blaming’ passt irgendwie nicht so ganz zu dem Menschenbild des Advanced Human, das “Star Trek” vor allem in den 90ern vermittelt hat.
Auf der anderen Seite manifestiert sich hier eine spannende anthropologische Fragestellung. Nämlich ob es de facto negative menschliche Eigenarten gibt, die wir niemals überwinden werden können – egal wie sehr wir uns auch anstrengen mögen. Eben weil sie Teil unserer Natur sind. Wie etwa die Unart, selbst erfahrenes Leid oder Unrecht bewusst oder unbewusst auf einen von uns auserkorenen Sündenbock zu übertragen, weil wir uns davon eine erlösende Katharsis erhoffen.
Shaw hadert seit nunmehr 34 Jahren mit seiner Überlebensschuld. Und weil er noch immer keine Antwort auf seine Frage “Warum ich?” gefunden hat (vielleicht weil es keine Antwort darauf gibt), hofft er, in seiner Wut auf Ex-Borg wie Seven und Picard Erlösung zu finden. Ein Trugschluss, aber eben auch ein uraltes und leider stets wiederkehrendes Motiv der Menschheitsgeschichte. Shaws andauernde Wut hat ihn schließlich gebrochen. Allerdings kommt er langsam zu der Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann.
Der Shaw-Charakterbogen hat also mehr philosophischen Tiefgang, als vielleicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.
Nichtsdestotrotz wirft diese Figur natürlich Fragen auf. Dieser Mann ist offenkundig ein psychisches Wrack und das ist ihm auch bewusst. Es stellt sich somit die Frage, wie es Shaw nach seinem Wolf 359-Trauma 34 Jahre lang geschafft hat, im Dienst der Sternenflotte zu bleiben und sogar bis zum Captain aufzusteigen. Immerhin lag in dieser Zeit auch der Dominion-Krieg. Immer nur auf Nummer Sicher gehen, dürfte demnach auch für ihn nicht möglich gewesen sein. Und auch seine fehlende Ambition, nach erfolgter medizinischer Behandlung schnellstmöglich wieder das Kommando über sein Schiff zu übernehmen, hat mich ziemlich irritiert. Denn dienstfähig scheint er in dieser Folge ja wieder zu sein.
Shaw ist eine typische Kurtzman-Trek-Figur: zeitgenössische Sprache, persönliches Trauma, stets emotional statt rational – also irgendwie auch ungeeignet für den Dienst bei der Sternenflotte (wie Raffi). Ich lasse mich gerne überraschen, aber diesen Charakter noch auf glaubwürdige Bahnen umleiten zu können, dürfte sich nach diesem bizarren Auftritt auf dem Holodeck (vor versammelter Mannschaft!) als Herkulesaufgabe erweisen.
Beverly
Dr. Crusher bleibt in dieser Folge zwar etwas im Hintergrund, aber am Ende ist sie es, die durch ihre wissenschaftliche Hartnäckigkeit das Leben aller an Bord rettet.
Das ist eine schöne Kompensation für die bedeutungslose Statistenrolle, die Gates McFaddens Charakter in den vier TNG-Kinofilmen spielen musste. Auch in “Star Trek: The Next Generation” gehörte Dr. Crusher neben Data, La Forge und Wesley zu denjenigen Crewmitgliedern, die in Krisensituationen unnachgiebig forschten und deren Wissbegierde und Beharrlichkeit am Ende den Tag retteten.
Es ist erfreulich, dass dieses Motiv aus TNG hier ein Revival erfährt – noch dazu in Gestalt dieses oftmals sträflich vernachlässigten Charakters. Und trotzdem hätte Crusher auch hier noch etwas mehr Screen Time vertragen können.
Vadic
Die Szenen auf der Shrike sind selten und kurz, bieten aber dennoch einen spannenden Einblick sowohl in den Charakter von Captain Vadic (Amanda Plummer) als auch in die Organisationsstruktur, in die sie eingebettet ist.
Bisher haben wir Vadic als Antagonistin kennengelernt, die mich hinsichtlich ihres Habitus an eine Mischung aus General Chang, Skeletor und dem Joker erinnert. In “No Win Sceanrio” wird nun aber deutlich, dass sie keinesfalls an der Spitze ihrer Organisation steht. Sie ist auch scheinbar ein Wechselbalg oder hat zumindest eine Art Metamorphose in diese Richtung durchlaufen.
Enorm spannend ist zudem die Veränderung ihrer Wesenszüge, als sie mit ihrem Befehlsgeber, einem seltsamen Formwandler-Gesicht (angelehnt an Snoke aus “Star Wars”?), spricht. Aus der extrovertierten und verrückt wirkenden Person wird urplötzlich ein “eingeschüchtertes Kind”, das sich nicht wirklich traut zu widersprechen. Sobald jedoch der Kommunikationskanal geschlossen ist, kehren die ursprünglichen Charaktereigenschaften Vadics wieder zurück.
Was ist denn hier los? Was steckt hinter dieser Unterwürfigkeit? Und wer steckt hinter dem Gesicht? Vielleicht Professor Moriarty? Es hat vier Folgen gedauert, aber Captain Vadic wird langsam interessant.
Inszenierung
Jonathan Frakes führte auch bei Folge 4 wieder Regie und es ist erstaunlich, wie gut er seine Doppelfunktion als Regisseur und Schauspieler hier meistert. Was die Inszenierung betrifft, zitiert “No Win Scenario” in vielfältiger Weise echte “Star Trek”-Klassiker, wie etwa “Illusion oder Wirklichkeit” (TNG 2×02), “Rikers Vater” (TNG 2×14), “Die Energiefalle” (TNG 3×06), “Der Telepath” (TNG 3×20), “Die Begegnung im Weltraum” (TNG 4×16), “Katastrophe auf der Enterprise” (TNG 5×05), “Die Soliton-Welle” (TNG 5×10), “Der Abgesandte” (DS9 1×01), “Der Widersacher” (DS9 3×26) und am Ende wohl auch direkt “Mission Farpoint” (TNG 1×02).
Formal gibt es auch hier wieder nichts zu kritisieren, denn Kamerafahrten, Schnitte und Effekte sind einerseits auf der Höhe der Zeit, andererseits aber auch nicht darum bemüht, irgendwelche abstrusen neuen Trends zu begründen (ich sag‘ nur Lense Flares!). Auch der Score von Stephen Barton ist wieder überragend, allen voran die durchaus passenden musikalischen Zitate von Jerry Goldsmith und James Horner.
Allerdings teile ich Christophers Eindruck, dass die Szenerie etwas unter den spärlichen Sets der Titan leidet. In einer regulären TNG oder “Voyager”-Folge mit entsprechenden Bestandsets hätte “No Win Scenario” wohl noch besser funktioniert, insbesondere was die Suche nach dem Wechselbalg betrifft.
Episoden-Infos
Serie | Star Trek: Picard |
Episoden-Nummer | 23 (Staffel 3, Folge 3) |
Originaltitel | No Win Scenario |
Deutscher Titel | Die Pattsituation |
Story & Drehbuch | Terry Matalas & Sean Tretta |
Regie | Jonathan Frakes |
US-Erstausstrahlung | 09. März 2023 |
DE-Erstausstrahlung | 10. März 2023 |
Laufzeit | 59 Minuten |
Datum (In-Universe) | 2401 |
On Screen: Serien-Podcast
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Star Trek Picard ist vom Ansatz her gut. Dennoch nicht wirklich durchdacht. Das gesamte Serienkonzept erweckt den Eindruck, nur halbgar zu sein. Dieses zeigt sich darin, dass erst in Staffel 3 alte Charaktere zurückgeholt werden und in den ersten beiden Staffeln mit neuen Schauspielern versucht wird, kreativ zu sein. Diese zünden allerdings meiner Auffassung nicht so wirklich. Daher wirken die Staffeln im Vergleich gesehen sehr zurechtgebastelt. Das zeigt sich bereits im unterschiedlichen Anspann beziehungsweise Abspann, der erst in der dritten und finalen Season ausgereift zu sein scheint. Die Serie Star Trek Picard zu nennen ist an sich schon äußerst problematisch,… Weiterlesen »
Shaw hadert seit nunmehr 34 Jahren mit seiner Überlebensschuld. Und weil er noch immer keine Antwort auf seine Frage “Warum ich?” gefunden hat […], hofft er, in seiner Wut auf Ex-Borg wie Seven und Picard Erlösung zu finden. Ein Trugschluss Dieser Gedankengang setzt etwas voraus, was meiner Ansicht nach generell unwahrscheinlich bei Traumaopfern ist. Traumatisierte Menschen haben selten ‘GRÜNDE’ für diese Art von Verhalten. Sie haben einen ANTRIEB, dem sie ausgeliefert sind. Das ist ja gerade die Sache. Da kann man nicht nach Rationalem fischen (= Gründe identifizieren). Traumatisierte sind sich den vernünftigen Gegenargumenten, die ihr Verhalten ent/bewerten können, bewusst:… Weiterlesen »
Das ist ja gewissermaßen mein Punkt: Wo liegen die natürlichen Grenzen des „Advanced Human“? Wohl in den menschlichen Antrieben… Picard ist eigentlich auch ein Opfer der Borg und das müsste Shaw eigentlich auch wissen, wenn er denn rational agieren würde/könnte. Aber anstatt sich mit Picard zu solidarisieren („Er ist ein Opfer der Borg, genauso wie ich.“), macht er ihn stellvertretend für die „echten Borg“, die er hier nicht direkt adressieren kann, zum Sündenbock („Er hat als Locutus die Welt in Brand gesetzt.“). Und ich glaube, dass dies ein Verhaltensmuster (oder “Antrieb”) ist, das sich leider durch die Menschheitsgeschichte zieht. Liegt… Weiterlesen »
Wo liegen die natürlichen Grenzen des „Advanced Human“? Wohl in den menschlichen Antrieben… Eben nicht. Die sind über einen langen Evolutionszeitraum entstanden, die brauchen ein paar 10.000 Jahre an DNA-Recoding, um ausgehebelt zu werden. Emotionen sind Älter als die Menschheit. Da kann Kultur nur unterdrücken (– that’s a dead end –) oder lenken. Aber so tun als sei das etwas, was man weg-advancen kann… Heißt aber im Umkehrschluss: Wenn wir zutiefst verletzt oder beschämt sind, handeln wir in der Regel (oder immer?) emotional und nicht (oder nur bedingt) rational. Wir handeln immer emotional und weisen den Emotionen im Nachhinein Gründe… Weiterlesen »
Also da bin ich stellenweise anderer Ansicht, teilweise sehe ich das ähnlich, insofern ich dich hier überhaupt richtig verstanden habe. Ich glaube schon, dass Emotionen unser Verhalten immer beeinflussen, aber unter dem Strich ist es eine Mischung aus emotionalen Antrieben und rationalen Erwägungen. Immerhin ist der Mensch vernunftbegabt und ein Produkt seiner Sozialisation. Wie diese Mischung im Verhältnis aussieht, ist dann aber immer vom Kontext (Situation, Individuum) abhängig. Manche Menschen lassen sich komplett von ihren Emotionen leiten, andere reflektieren in bestimmten Situationen durchaus schon vor einer Handlung ihre Emotionen und nicht erst danach. Impulskontrolle hat auch viel mit Erziehung, Sozialisation,… Weiterlesen »
Grandiose Folge!
“Die wahren Borg sind immer noch da draußen.” Der wahre Gegner ist immer noch nicht bekannt. Kombiniere ich die vorhandenen Informationen, könnte der sehr interessant sein.
Was wenn die Borg sich zu einer Art Virus gewandelt haben, ähnlich wie Skynet bei Terminator, der z.B Vadic infiziert hat, dass würde gut dazu passen das sie sich ein Stück rausschneidet woraus ein Gesicht entsteht. Dieser Virus könnte sich praktisch quer durch die verschiedenen Völker im Star Trek Universum verbreiten. Und Jack hat diesen Virus durch seinen Vater Picard/Locutus übertragen bekommen.
Eine Story aus der man viel bauen kann…
Shaws Satz über die “wahren Borg” hatte ich – ehrlich gesagt – gar nicht so bewusst wahrgenommen. Könnte durchaus sein, dass das noch von Bedeutung sein könnte. Ich glaube aber eher nicht, dass man nach den Wechselbälgern jetzt auch noch die Borg ins Spiel bringt. Wäre doch irgendwie überladen das Ganze. Ausschließen würde ich es aber auch nicht kategorisch.
Nach Season 1 (Das Artefakt) und Season 2 (Jurati-Queen) halte ich es auch nicht für wahrscheinlich, das hier nochmal die Borg aus dem Hut gezaubert werden 🙂
Eine super tolle Folge. Also ich hätte den Würger in die Mangel genommen und so stark beschädigt, dass man sie nur noch direkt in die Arrestzelle rausbeamen könnte.
Danke für die Rezension, finde ich ganz gut. Für mich ist da allerdings ein zu großes Gewicht für NITTY/ Kritty gegenüber einer herausragenden Folge! Sie haben es mal wieder geschafft…einen echten Höhepunkt bei STAR TREK. Das Motto „Gemeinsam schaffen wir es“ und „Wir müssen uns vertrauen“ sind zentrale Botschaften von STAR TREK und Roddenberry. Hier wird es exemplarisch und sehr mitreißend umgesetzt. Picard und Riker…letztendlich zwei gut Freunde, die hart um Argumente streiten, der Freundschaft Raum geben und sich überzeugen lassen. Die Entscheidung wird im „Team“ getroffen, einer entscheidet. Auch Picard respektiert das Riker der Cpt ist. Die Ansprache vom… Weiterlesen »