In unserer Review sehen wir uns an, ob das Tal der Schatten wirklich im Schatten liegt. Oder ob es auch ein wenig Licht gibt.
Achtung Spoiler!
Sie haben es wieder getan
Bei “Discovery” musste man ja teilweise über diverse Logiklöcher hinwegsehen, um die Handlung genießen zu können. Bisher war ich ja durchaus bereit, der Serie das hin und wieder zuzugestehen, manchmal will man einfach das sogenannte Popcorn-Kino haben. Hirn aus, und genießen.
In der neuen “Discovery-Folge” werden aber gleich zu Beginn derartige Dei ex Machina rausgehauen, dass es einfach mittlerweile nicht mehr schön ist. Tyler steht putzmunter am Tisch, obwohl er die Folge vorher kurz am Abnippeln war. Georgiou ist einfach so weg, um Leland zu jagen (bzw. Sektion 31 wieder aufzubauen). Und plötzlich haben wir auch einen ganzen Planeten voller Zeitkristalle, der aus dem Hut gezaubert wird. Bäm, bäm, bäm! Gib ihm, friss oder stirb! Das war diesmal selbst mir zu viel, um es noch ignorieren zu können.
Man mag jetzt einwenden, dies war in den älteren Serien auch schon so. Allein die Voyager war nach heftigen Raumschlachten (z.B. mit den Borg) in der nächsten Folge meist wieder komplett repariert und glänzte wieder wie zuvor. Das ist natürlich durchaus richtig, die alten Serien hatten aber keinen Season-Arc, den sie sich groß auf die Fahne geschrieben haben (von gelegentlichen Mehrteilern und “Enterprise”, Staffel 3 mal abgesehen). Wenn man schon eine in sich verzahnte Geschichte erzählt, gehören nun einmal auch ein paar Erklärungen geliefert und nicht einfach nur vollendete Tatsachen geschaffen. Diese Inkonsequenz hat sich bereits durch die erste Staffel gezogen und reißt nun leider auch in Season 2 nicht ab. Wollen wir hoffen, dass es in Staffel 3, wenn es hoffentlich mal keine Querelen hinter den Kulissen gibt, in der Hinsicht bergauf geht.
Immerhin verzichtet man in dieser Folge auf Commander “Cryham”. Wenn man das allerdings erwähnen muss, um der Folge etwas Positives abzugewinnen, will das schon was heißen.
Die Klingonen sind zurück
Na gut, an der Stelle müssen wir etwas zurückrudern, ein Totalausfall ist die Folge jetzt nicht, denn es gibt durchaus Aspekte, die zu gefallen wissen. So ist es schön, dass man sich mit L’Rell (Mary Chieffo) zusammen tut, um nach Boreth zu fliegen. Die Szenen zwischen ihr und Ash Tyler (Shazad Latif) – sowie später Tyler und Burnham – sind auch auf charakterlicher Seite durchaus nett umgesetzt und bringen selbige voran. Auch ist es gut, dass man immerhin so konsequent war und die Entwicklungen vom Beginn der Staffel miteinbezieht. Tyler darf nicht hinunter, er gilt bei den Klingonen als tot und das muss auch so bleiben! Sehr schön.
Visuell ist die Vulkanwelt Boreth auch sehr gut umgesetzt und erinnert schon fast an einen MMO-Dungeon. Und dass Tylers Sohn durch die Zeitkristalle inzwischen erwachsen ist, ist auch akzeptabel, auch wenn es ein paar Fragen zuviel aufwirft. Laut Leland hatten die Klingonen ja vor 20 Jahren Zeitforschung versucht, diese aber eingestellt. Offenbar war Boreth da nicht ganz unschuldig dran und diesen Aspekt hätte man durchaus etwas prominenter herausstellen können, denn es wäre ganz interessant zu erfahren gewesen, warum nicht irgendein Feldherr die Kristalle einfach zu stehlen versucht. Zwar eine schwammige, aber immerhin eine Erklärung für etwas, das schon früher in der Staffel erwähnt worden ist.
Neben den Klingonen ist übrigens auch Jett Reno (Tig Notaro) zurück, die dieses Mal nicht nur ihre üblichen coolen Sprüche drauf hat, sondern darüber hinaus auch Dr. Culber (Wilson Cruz) ins Gewissen reden darf. Wäre es von ihm nicht fahrlässig, sein “zweites Leben” nicht auch als neue Chance für seine Beziehung mit Stamets zu begreifen?
Die Szene ist zwar nett gespielt, man darf sich aber fragen, warum Reno plötzlich zur Einsicht gelangt, hier helfen zu müssen. Die Erklärung, sie brauche Stamets in Bestform und ohne Ablenkung, hapert hier dann doch ein bisschen, denn sie kann ja nicht davon ausgehen, dass nur durch ihre Worte zwischen den beiden alles wieder gut wird. Sowas braucht eben Zeit, wobei es bei “Discovery” gut sein kann, dass die beiden in der nächsten Folge aus heiterem Himmel dann doch wieder zusammen sind.
Immerhin hat man aber gelernt und zeigt Reno (und Linus, Nilsson und andere) in der Messe zusammen und das sich da sowas wie Freundschaft zu entwickeln scheint. Nach dem Fehler bei Airiam will man hier anscheinend Boden gut machen. So richtig warm werde ich mit der Szene allerdings dennoch nicht, was unter anderem auch an den oben erwähnten Einwänden zu Reno liegt. Es wäre schön, wenn man hier endlich mal wüsste, was der Charakter sein soll. Senior Staff-Mitglied, Aushilfskraft oder doch nur Passagier? Mal da, mal nicht da. Coole Sprüche klopfend oder ernste Therapeutin (oder besser: Freundes-Helferin)? Die Szene hätte vermutlich besser funktioniert, wenn man Reno öfter mal gezeigt hätte. Aber da beißt sich eben die Katze wieder in den Schwanz, wie man so schön sagt.
Pikes Prüfung
Reiner Fanservice ist an dieser Stelle natürlich auch Captain Pikes (Anson Mount) Prüfung. Hier darf er einen Blick in seine Zukunft werfen und man sieht, wie es zu seiner Verkrüppelung kam. Wobei er es im Übrigen nicht schafft, alle Kadetten zu retten. Danach sieht man ihm im Rollstuhl aus “The Original Series” – in einem für “Discovery” typischen visuellen Upgrade, welches – wie schon zuvor bei den Talosianern – durchaus gelungen ist. Vor allem Fans der ersten Stunde wird das sicherlich gefallen.
Durch das Annehmen des Zeitkristalls akzeptiert Pike diese Zukunft und sie wird als unabänderlich dargestellt. Stellt sich nur die Frage, warum das so ist, denn wie wir aus den vergangenen Serien wissen, funktioniert Zeit nicht unbedingt dergestalt. Gerade wenn Pike nun weiß, was passieren wird, könnte er doch eigentlich eingreifen, wenn die Situation letztlich da ist. Aber vermutlich ist das eine Eigenschaft des Zeitkristalls, die uns nicht näher vorgestellt wird. Immerhin: Um Millionen zu retten, ist Pike bereit, das auf sich zu nehmen. Hier zeigt sich sein Heldenmut und wie interessant eine Serie mit Pike und der alten Enterprise hätte sein können. Ansonsten erhält Pike an der Stelle aber keine neuen Facetten.
Control & Burnham
Die zweite Handlung der Episode dreht sich – wie könnte es anders sein – um Michael Burnham (Sonequa Martin-Green), die mit Spock (Ethan Peck) auf eine Mission geht. Schön ist hier, dass die Dynamik der beiden Geschwister erneut ganz gut eingefangen wurde. Die beiden haben sich wirklich angenähert. Und um den wiedergewonnenen Familiensegen komplett zu machen, darf auch Amanda (Mia Kirshner) auftauchen und eine schöne kurze Szene beisteuern. Das war durchaus etwas überfällig.
Die Mission an sich ist da schon um einiges brisanter. Man stöbert ein sabotiertes Sektion 31-Schiff auf und selbst der Zuschauer weiß, dass hier etwas nicht ganz koscher ist. Zwar ist es eine nette Anspielung, einen Lieutenant aus der ersten Folge auftauchen zu lassen (auch wenn sich an den vermutlich keiner erinnern wird), aber die Person schreit an dieser Stelle einfach derart nach Red Shirt, dass es fast schon keine Überraschung mehr ist, dass er sich letztlich als von Control infiziert herausstellt.
Hier hätte man vielleicht einen Ticken misstrauischer sein können, immerhin gibt es inzwischen eine Anti-Control-Richtlinie der Sternenflotte (wie gesagt wird), auch wenn wir von der bisher nichts gehört haben und diese uns mal wieder einfach so hingeklatscht wird. Aber gut, das Drehbuch muss funktionieren und es gibt immerhin eine recht gut umgesetzte Actionsequenz zu bestaunen, auch wenn sie an vielen Stellen etwas inkonsequent ist, aber dazu an anderer Stelle mehr.
Am Ende sagt Burnham folgerichtig, dass Control sich inzwischen unkontrolliert verbreitet haben könnte. Und da dann die ganze Sektion 31-Flotte Jagd auf die Discovery macht, muss man der KI an der Stelle Respekt zollen. Was die Borg ein Jahrhundert später nie schaffen, hat Control in wenigen Stunden hingekriegt: eine ganze Flotte assimiliert. Es sei denn die Dinge liegen ganz anders und wir werden in der nächsten Woche eines Besseren belehrt.
Die letzten 30 Sekunden reißen es raus…
“Selbstzerstörung einleiten, Enterprise anfunken, dass sie uns aufnimmt!” – Allein diese Sequenz lässt Fanherzen höher schlagen und auf nächste Woche hinfiebern. Umso mehr, da mir ein paar Minuten vorher noch durch den Kopf ging, dass die Staffel bald vorbei ist und Rebecca Romijn bisher in einer weniger als zwei Minuten dauernden Sequenz verheizt wurde. Zumindest an der Stelle verspricht das Finale also, noch mal alle Register zu ziehen.
Fazit
Leider kann auch diese Folge den Abwärtstrend nicht ganz aufhalten. Wir haben zwar schöne Charaktermomente und nette Action, aber auch eine Menge Handlungslöcher. Sieht man über die geflissentlich hinweg, kann man allerdings durchaus Spaß an der Folge haben. Der eingestreute Fanservice und vor allem die letzte Sequenz sind über jeden Zweifel erhaben.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 3 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 3 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 3 max=”6″] |
Spannung | [usr 4 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 4 max=”6″] |
Humor | [usr 3 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 2 max=”6″] |
Gesamt | [usr 3 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 27 (Staffel 2, Episode 12) |
Originaltitel | Through The Valley of Shadows |
Deutscher Titel | Tal der Schatten |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 4. April 2019 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 5. April 2019 |
Drehbuch | Bo Yeon Kim, Erika Lippoldt, |
Regie | Doug Aarniokoski |
Laufzeit | 45 Minuten |