Ein junger Mann will eigentlich Psychologie studieren und so schreibt er sich an der Universität für dieses Fach ein. Doch dann geschieht das Unfassbare: Er arbeitet nebenher als Platzanweiser in einem Schauspielhaus und entdeckt so seine Leidenschaft für das Theater. Er wechselt die Uni und das Fach, startet eine Laufbahn als Bühnenschauspieler in New York, reist als ‘Captain America’ durch die USA und landet am Ende in Hollywood, wo er Karriere als Film- und Fernsehschauspieler, Regisseur, Produzent und TV-Moderator macht.
Ist diese Geschichte wahr oder frei erfunden?
So unglaubwürdig das auch klingen mag, unseren Recherchen zufolge hat sich diese Geschichte tatsächlich so zugetragen. Alles begann in den frühen 50er-Jahren, irgendwo im Osten der USA…
Eine ‘Star Trek’-Legende
Spaß beiseite, die Rede ist natürlich von keinem Geringeren als von Jonathan Frakes, der am heutigen Freitag seinen 70. Geburtstag feiert.
“Johnny”, wie ihn seine Freunde nennen, ist in den vergangenen 35 Jahren zu einer echten ‘Star Trek’-Legende geworden. Zweifellos hat ‘Star Trek’ ab 1987 der Karriere von Frakes, damals 35 Jahre jung, einen gewaltigen Schub verpasst. Gleichwohl war der Benefit dieser Zusammenarbeit für das Franchise ebenso groß wie für ihn selbst. Denn neben seiner Expertise als Schauspieler und Regisseur bringt Frakes auch stets eine gewaltige Portion Elan, Kreativität und Lebensfreude mit aufs Set. Davon zeugen schon allein die zahlreichen ‘Behind-the-Scences’-Bilder, die zumeist einen gestikulierenden, nachdenklichen und vor allem lachenden Frakes zeigen. Aber auch seine Kollegen loben ihn stets in höchsten Tönen.
Sogar seinen bekannten Look mit Vollbart hat Frakes mehr oder weniger ‘Star Trek’ zu verdanken. Den Bart ließ er sich nämlich in seinen Flitterwochen im Sommer 1988 erstmals wachsen, wollte ihn aber zu Beginn der Dreharbeiten der zweiten Staffel von “The Next Generation” eigentlich wieder abrasieren. Gene Roddenberry fand jedoch Gefallen an Frakes’ neuem, “nautischen” Erscheinungsbild und so ziert der Bart bis heute Frakes’ Gesicht.
Allerdings wurde damals nicht nur mit dem Aussehen von Frakes’ Alter Ego, Commander William T. Riker, experimentiert, sondern auch mit dessen Charakter. Zu Beginn der Serie war Riker nämlich noch ein sehr ernster, gerade zu stoischer Mann. Ab der zweiten Staffel wurde die Figur dann etwas umgeschrieben, sodass Picards “Nummer Eins” von diesem Zeitpunkt an viel eher dem Naturell entsprach, das auch der Schauspieler Jonathan Frakes verkörpert.
“Gene Roddenberry […] hatte mich ursprünglich gebeten, nicht zu lächeln. Er wollte, dass Riker mit einem – wie er es nannte – ‘Gary-Cooper-Blick’ aus dem Mittleren Westen gespielt wird. Nicht mit einem finsteren Blick, aber auch nicht lächelnd. Und da ich von Natur aus lächle, sah ich – zumindest in der ersten Staffel – sehr unbehaglich aus, weil ich Roddenberrys Wunsch entsprechend spielte.“
Jonathan Frakes, zit. n. Giant Freek Robot
Absoluten Kultstatus erlangte mit der Zeit Frakes’ Eigenart, sich mit einem Bein auf Stühlen, Steinen oder Konsolen abzustützen und somit in eine Schonhaltung überzugehen. Ursächlich hierfür war eine Rückenverletzung, die sich Frakes während einer Tätigkeit als Möbelpacker zugezogen hatte. Auch seine ungewöhnliche Art, sich auf einen Stuhl zu setzen (in Fankreisen auch “The Riker Maneuver” genannt), ist über die Jahre zum beliebten Running Gag geworden.
Legendär ist derweil auch Frakes’ Ruf, größere und kleinere Produktionsspoiler via soziale Medien zu verbreiten. Ob dieses “Whistleblowing” tatsächlich Ausrutscher sind oder es sich hierbei vielleicht doch um bewusst gestreute PR handelt, sei jedem selbst überlassen. Unterhaltsam ist es allemal.
“Ein wunderbarer Kerl”
Dass Frakes ein geselliger Typ mit viel Charme, Witz und Eloquenz ist, davon konnten und können sich die Trekkies dieser Welt bei seinen zahlreichen Convention-Auftritten überzeugen. Vor wenigen Wochen war Frakes beispielsweise auf der FedCon in Bonn zu Gast. Und auch dort waren seine Panels wieder einmal ein Publikumsmagnet. Aber wie könnte es auch anders sein? Brent Spiner hat seinen “The Next Generation”-Kollegen einst als “very loud human being” (“sehr lauter Mensch”) und “amazingly wonderful guy” (“außergewöhnlich wunderbarer Kerl”) beschrieben. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Der Schauspieler
Geboren wurde Jonathan Scott Frakes am 19. August 1952 in Bellefonte, Pennsylvania. In diesem Bundesstaat wuchs er auch auf. Seine Vorfahren kamen überwiegend aus England und Deutschland. Sein Vater, Dr. James R. Frakes (1924-2002), war Universitätsprofessor für englische Literatur und dürfte seinem Sohn somit die Begeisterung für fiktionalen Stoff in die Wiege gelegt haben.
Nach der Highschool wollte Frakes zunächst Psychologie im Hauptfach studieren, wechselte dann aber alsbald auf den Studiengang Theater. Er erwarb 1974 an der Pennsylvania State University einen Bachelor of Fine Arts in Bühnenkunst. Zwei Jahre später folgte ein Master of Arts an der Harvard University, wo er zugleich in der Schauspieltruppe der Universität, dem Loeb Drama Center, aktiv war.
Eine gewisse Zeit lang arbeitete Frakes für Marvel Comics. So trat er auf Conventions und in Comicläden als Captain America auf, um dessen Comic-Reihe zu bewerben. Die Anfangsjahre seiner Theaterkarriere verbrachte er dann in New York, wo er in einigen Broadway-Aufführungen mitwirkte. Ende der 70er-Jahre gelang ihm dann auch der Einstieg in die Film- und Fernsehbranche. Seine ersten Gastrollen hatte Frakes u.a. in beliebten Serien wie “The Doctors” (1977-78), “Charlie’s Angels” (1978), “Fantasy Island” (1978) und “The Waltons” (1979). Ebenfalls im Jahr 1979 spielte er erstmals in einem Fernsehfilm mit (“Beach Patrol”).
Zu Beginn der 1980er-Jahre war Frakes dann bereits ein regelmäßig engagierter Gastdarsteller, seine Mitwirkung in Erfolgsserien wie “Hart to Hart” und “Quincy, M.E.” (beides 1982) ebneten ihm schließlich den Weg hinsichtlich längerfristiger Engagements, wie etwa die Rolle des Stanley Hazard in der Miniserie “North and South” oder des Damon Ross in “Falcon Crest” (beide 1985).
Seine Rolle als Commander William T. Riker in “Star Trek: The Next Generation” machte Frakes dann weltweit bekannt. Er spielte diese Rolle in allen 176 Episoden der Serie sowie in allen vier “TNG”-Kinofilmen. Hinzu kommen weitere Gastauftritte als William beziehungsweise Thomas Riker in “Deep Space Nine” (1 Episode), “Voyager” (1 Episode), “Enterprise” (1 Episode), “Picard” (bisher 2 Episoden) und “Lower Decks” (bisher 3 Episoden, nur Stimme). Neben Frakes kann kein anderer Schauspieler auf eine Mitwirkung in sechs verschiedenen ‘Star Trek’-Serien und vier Kinofilmen zurückblicken.
Nach dem Ende von “The Next Generation” (1994) konzentrierte sich Frakes dann zunehmend auf die Arbeit als Regisseur und Produzent. Zwischen 1995 und 2020 absolvierte er daher nur sehr wenige Gastauftritte, oftmals übernahm er hier auch nur Sprechrollen, entweder als Zeichentrickfigur oder als Erzähler. Darunter waren einige bekannte Produktionen, wie etwa “Leverage” (2009/2012), “Criminal Minds” und “NCIS: Los Angeles” (beide 2010) sowie die Animationsserie “Family Guy” (2005/2009).
2019 schlüpfte Frakes dann nach gut 18 Jahren erstmals wieder in die Rolle des William Riker, als er in zwei Episoden der Premierenstaffel von “Star Trek: Picard” (2020) mitwirkte. In der dritten Staffel (2023) wird Frakes neben seiner Tätigkeit als Regisseur auch fester Bestandteil der Hauptbesetzung sein.
Der Regisseur
Neben der Schauspielerei interessierte sich Frakes auch schon sehr früh für die Arbeit hinter der Kamera und bekam, ebenso wie seine “TNG”-Kollegen Patrick Stewart, LeVar Burton und Gates McFadden, die Möglichkeit, bei einer Episode von “The Next Generation” Regie zu führen. Sein Regiedebüt gab er 1990 in der dritten Staffel der Serie mit der Episode “The Offspring” / “Datas Nachkomme” (TNG 3×16). Bis zum Serienende inszenierte Frakes noch weitere sieben Episoden sowie zwischen 1994 und 1995 jeweils drei Episoden von “Deep Space Nine” und “Voyager”. 1996 sammelte Frakes dann auch erstmals Regie-Erfahrungen außerhalb des Science-Fiction-Genres, nämlich als er bei einer Folge von “Diagnosis: Murder” im Regiestuhl Platz nahm.
Sowohl für die Studiobosse von Paramount als auch für Executive Producer Rick Berman waren diese Referenzen ausreichend genug, um Frakes 1996 mit der Regie des zweiten “TNG”-Leinwand-Abenteuers “Star Trek: First Contact” zu betrauen. Mit einem großen Produktionsbudget im Rücken gelang es Frakes, einen sowohl bei Kritikern als auch an den Kinokassen erfolgreichen Film zu inszenieren. Folgerichtig durfte Frakes dann zwei Jahre später auch beim dritten “TNG”-Film “Star Trek: Insurrection” Regie führen.
Anders als sein Vorgänger wurde dieser Film jedoch deutlich kritischer aufgenommen und auch die Einspielergebnisse blieben deutlich hinter den Erwartungen des Filmstudios. Und wie so oft in der Branche wurde dieser mäßige Erfolg auch mit dem Regisseur in Verbindung gebracht, sodass Frakes’ Regie-Karriere zumindest im Filmbereich einen Knick bekam. Denn weitere Hollywood-Angebote der höheren Kategorie kamen danach nicht mehr, lediglich für kleinere Filmprojekte wie “Clockstoppers” (2002) oder “Thunderbirds” (2004) wurde er engagiert. Und auch die Studiobosse von Paramount entzogen Frakes ihr Vertrauen und engagierten für den vierten und letzten “TNG”-Film “Star Trek: Nemesis” (2002) stattdessen den damals erfahreneren britischen Regisseur Stuart Baird, was sich im Nachhinein allerdings als großer Fehler herausstellte.
Dafür startete Frakes ab Mitte der 90er-Jahre im Serienbereich so richtig durch. Neben den bereits erwähnten ‘Star Trek’-Engagements führte er auch bei einigen anderen Serien Regie, darunter “Roswell”, “Twilight Zone”, “The Good Guys”, “Leverage”, “Burn Notice”, “Falling Skies”, “NCIS: Los Angeles”, “The Librarians” und “The Orville”.
Ab 1999 versuchte sich Frakes dann auch als Produzent. So produzierte er die Serien “Roswell” (1999-2002) und “The Librarians” (2016-17) sowie den TV-Film “Dying to Live” aus dem Jahr 1999.
Mit dem Start von “Star Trek: Discovery” im Jahr 2017 kehrte Frakes dann zum Franchise zurück. Und auch mit 70 Jahren scheint ein Rückzug ins Privatleben derzeit wohl noch keine ernsthafte Option für ihn zu sein. Für die Produzenten der aktuellen ‘Star Trek’-Serien ist das gewiss eine gute Nachricht.
Der Moderator
Einem größeren Publikum jenseits des Science-Fiction-Genres wurde Frakes aufgrund seiner Moderatorentätigkeit für die Mystery-/Anthologie-Serie “Beyond Belief: Fact or Fiction” (1997-2002) bekannt, die auch in Deutschland recht erfolgreich unter dem Titel “X-Factor: Das Unfassbare” auf RTL II lief.
Frakes führte als Nachfolger von James Brolin in den Staffeln 2 bis 5 durch die Sendung. Mit der für ihn so charakteristischen Mimik – der Fähigkeit binnen eines Augenblicks von tiefster Ernsthaftigkeit zu schelmischen Grinsen überzugehen – war Frakes geradezu prädestiniert dafür, diese Serie zu moderieren.
“Wir leben in einer Welt, in der Traum und Wirklichkeit nah beieinander liegen. In der Tatsachen oft wie Phantasiegebilde erscheinen, die wir uns nicht erklären können. Können Sie Wahrheit und Lüge unterscheiden? Dazu müssen Sie über Ihr Denken hinausgehen und Ihren Geist dem Unglaublichen öffnen. ‘X-Factor – das Unfassbare’. Präsentiert von Jonathan Frakes.“
“X-Factor: Das Unfassbare“-Intro-Text
Das Konzept der Serie sieht wie folgt aus: Pro Episode werden mehrere mysteriöse Geschichten aus dem Bereich des Paranormalen gezeigt, wobei zunächst offengelassen wird, ob es sich hierbei um eine reale Begebenheit oder doch nur um pure Fiktion handelt. Die hierbei von Frakes an das Publikum gerichtete Frage hat heute fast schon Kultstatus, wovon etliche durchs Netzt geisternde “X-Factor“-Memes” zeugen.
Vergangenen Monat wurde bekannt, dass “X-Factor: Das Unfassbare” mit neuen Folgen zurückkehren wird und auch Jonathan Frakes wieder als Moderator dabei sein wird. Ein “X-Factor: Special”-Testversuch mit in Deutschland produzierten Gruselgeschichten kam im vergangenen Jahr beim deutschen Publikum allerdings nicht so gut an, daran konnte auch Frakes‘ nostalgisch angehauchte Moderation nichts ändern.
Der Privatmann
Jonathan Frakes ist seit 1988 glücklich mit seiner Schauspielkollegin Genie Ann Francis (*1962) verheiratet, die er bei den Dreharbeiten zu “North and South” kennengelernt hatte. Das Paar hat zwei gemeinsame Kinder, Jameson Ivor Frakes (*1994) und Elizabeth Francis Frakes (*1997). Beide Sprösslinge sind wie ihr Vater im Filmgeschäft tätig.
Auch wenn Frakes’ Strahlemann-Image etwas anderes vermuten lässt, so ganz ohne persönliche Schicksalsschläge verlief sein Leben bisher leider nicht. Im Jahr 1997 verlor Frakes nämlich seinen jüngeren Bruder Daniel, der einem Krebsleiden erlag.
Die gesamte Redaktion des TrekZone Network wünscht Jonathan Frakes alles Gute zum runden Geburtstag, viel Glück und Gesundheit für die kommenden Lebensjahre und natürlich noch viele weitere ‘Star Trek’-Projekte.
Make it so, Number One! 🎂🎁🧔🏻🖖🏻