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StartPicardPicard - Season 2Zweitrezension: Picard 2x08 - "Mercy" / "Gnade"

Zweitrezension: Picard 2×08 – “Mercy” / “Gnade”

Mit Folge 8 geht die 2. Staffel allmählich auf die Zielgerade, doch die Handlung kommt weiterhin nur schleppend voran. Die Ups and Downs von “Mercy” lest ihr in unserer ausführlichen Zweitrezension. SPOILER-ALARM!

Zweitrezension: Picard 2x08 - "Mercy" / "Gnade" 1

Handlung

Picard (Patrick Stewart) und Guinan (Ito Aghayere) werden von FBI-Agent Wells (Jay Karnes) verhört, wobei sich schnell herausstellt, dass Wells auf eigene Faust handelt und seine Vorgesetzten über die Aktion nicht im Bilde sind. Wells unterstellt Picard und seiner Crew, Aliens zu sein, deren teuflischer Plan darin besteht, die geplante Europa-Mission zu sabotieren.

Wenig später findet Picard dank Guinans Hilfe heraus, dass Wells als Kind eine unheimliche Begegnung der dritten Art hatte: Des Nachts im Wald stieß er auf eine Gruppe Außerirdischer, die ihn daraufhin verfolgten, ihm ins Gesicht fassten und sich anschließend in Luft auflösten. Anhand der Schilderungen von Wells wird Picard schnell klar, dass es sich hierbei um Vulkanier gehandelt haben muss. Im Folgenden gelingt es ihm, Wells’ Vertrauen zu gewinnen und ihn davon zu überzeugen, dass man nichts Böses im Schilde führt, sondern vielmehr darum bemüht ist, die Zukunft der Menschheit zu retten. Wells lässt Picard und Guinan daraufhin gehen.

Zuvor konnte Guinan noch ein Gespräch mit Q (John de Lancie) führen, der nochmals deutlich macht, dass der Sprung in die alternative Realität nicht sein Werk ist. Zudem deutet er an, dass seine Kräfte verschwunden sind. Und dass seiner Existenz wohl ein baldiges Ende bevorsteht.

Derweil verfolgen Raffi (Michelle Hurd) und Seven (Jeri Ryan) Juratis Spur, die von einer Bar zu einem abgelegenen Parkplatz führt. Dort finden sie zunächst einen ermordeten Mann vor, wenig später stoßen sie dann auch auf Jurati (Alison Pill). Diese befindet sich inmitten des Transformationsprozesses, an dessen Ende die Geburt einer neuen Borg-Königin stehen wird. Jurati isst Handy- und Autobatterien, um Borg-Nanosonden produzieren zu können. Nach ihrer Entdeckung greift sie die beiden Frauen an, sieht aber überraschenderweise davon ab, sie zu töten. Es sieht so aus, als sei der Kampf um Agnes noch nicht verloren.

Unterdessen erscheint Q in Soongs Haus und eröffnet Kore (Isa Briones) ihre wahre Identität: Sie ist das Produkt der genetischen Experimente ihres ‘Vaters’ Dr. Adam Soong (Brent Spiner). Zugleich schickt er ihr ein Päckchen zu. Es enthält ein dauerhaftes Heilmittel für ihre Gendefekte. Eine wütende Kore konfrontiert daraufhin Soong mit ihrer Entdeckung. Im Streit verlässt Kore ihr Zuhause und lässt ihren wütenden und verzweifelten ‘Vater’ allein zurück.

Der macht wenig später eine unerwartete Begegnung: Jurati steht in seiner Tür und bietet ihm einen finsteren Deal an. Er soll für sie die “Spearhead Operations”-Spezialeinheit rekrutieren, damit sie die La Sirena erobern kann. Im Gegenzug werde sie dafür sorgen, dass Soong die historisch bedeutsame Person wird, zu der er in dieser Zeitlinie geworden ist.

Drehbuch & Inszenierung

Für das dieswöchige Drehbuch zeichneten Cindy Appel und Kirsten Beyer verantwortlich. Erfreulicherweise geht die Niveau-Kurve des Skripts mit “Mercy” wieder leicht nach oben. Spannungsbogen und Dialoge wirken etwas verbessert, wenngleich auch Folge 8 der laufenden Staffel wieder einige Plot Holes beinhaltet. Nichtsdestotrotz ist diese Episode insgesamt unterhaltsamer als die Folgen 6 und 7.

Gleichwohl liegt es auf der Hand, dass der Story-Arc um Agent Wells lediglich dem Zwecke dient, die Handlung der Staffel auf zehn Episoden zu strecken. Einen wirklichen Mehrwert vermag ich in diesem kurzen Ausflug in die Gefilde von “The X-Files” leider nicht zu erkennen. Denn dafür war mir die Geschichte einfach zu belanglos. Und auch handwerklich hat man sich hier gewiss nicht mit Ruhm bekleckert. Sowohl Einführung (in “Monsters”) als auch die Auflösung der Wells-Story sind in meinen Augen einfach nur schlecht getimt (im Hinblick auf den Staffel-Arc), viel zu hastig erzählt und inhaltlich auch nicht wirklich überzeugend. Gutes Storytelling geht dann doch irgendwie anders, zumal man an dieser Stelle wirklich diverse Möglichkeiten hat verstreichen lassen, eine spannende und konsistente Verbindung mit dem bekannten Kanon herzustellen. Von den im Vorfeld erhofften Verbindungen zu “Carbon Creek” (ENT 2×02) oder “Relativity” (VOY 5×23) ist hier jedenfalls weit und breit nichts zu sehen.

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Apropos Storytelling: “Picard” bleibt seiner fragwürdigen Linie, bei anderen, erfolgreichen Produktionen abzukupfern, leider auch in dieser Episode wieder äußerst treu. Neben den bereits erwähnten Agent Mulder-Vibes haben mich die Szenen mit Jurati auch irgendwie an “Terminator 3: Rise of the Machines” aus dem Jahr 2003 erinnert. Juratis Auftreten als borgifizierte Superfrau hat bei mir nämlich sofort Assoziationen mit Kristanna Lokens Terminatrix T-X geweckt. Die Sache mit dem Ausschlürfen von Batterien ist natürlich auch keine originäre Idee der beiden Autorinnen, sondern stammt ursprünglich aus “My Stepmother Is an Alien” (1988). Wie gesagt, in meinen Augen handelt es sich hierbei um das Eingeständnis, selbst keine coolen Ideen zu haben.

Kleiner Fun Fact am Rande: Irgendwer muss bei Amazon Prime Video die Episodentitel verwechselt haben, sodass Folge 6 (“Two of One”) zunächst den für Folge 8 angedachten Titel “Gnade” erhielt. Diesen Fehler hat man nun endlich erkannt und den Titel von Folge 6 nachträglich in “Zwei von Eins” geändert, wobei Wikipedia dieselbe Folge unter dem Titel “Die Gala” listet. Damit ist das Episodentitel-Wirrwarr nun perfekt.

Wenn der Episodentitel “Mercy” als Gegenstück zu “Penance” (Folge 2×02) angedacht war, dann ist die damit intendierte Botschaft bei mir leider nur bedingt angekommen. Sicherlich, “Gnade” kann man auf mehrere Personen beziehen: Auf Agent Wells, der durch Picard endlich Frieden mit seinem Kindheitstrauma schließen kann. Oder auf Raffi, die sich angesichts der Vorwürfe, die sie sich selbst macht, nichts sehnlicher wünscht als (Selbst-)Vergebung. Auch Jurati zeigt Gnade gegenüber Raffi, deren Leben sie verschont. Das sind viele nette, kleine Anspielungen, aber die große inhaltliche Klammer mit Folge 2 sehe ich hier leider (noch) nicht.

Regie führte bei “Mercy” erneut Joe Menendez. Wie schon in der Vorwoche gibt es hier nicht viel zu meckern, mal abgesehen von dem FBI-Keller, der mir mit den Blutflecken auf der Tischoberfläche doch etwas zu übertrieben daherkommt. Und auch Guinans Nasenbluten hat mir missfallen. Neuerdings führen sämtliche mentalen Anstrengungen stets zu irgendwelchen Blutungen, sei es aus Nase, Mund, Augen oder Ohren. Da hatte Counselor Troi aber Glück, dass das früher noch nicht der Fall war. 😉

Figuren & Dramaturgie

Raffi & Seven

Seven und Raffi sind in “Mercy” immer noch in L.A. unterwegs, um Jurati ausfindig zu machen. Abgesehen von einer kleinen Actionsequenz à la “Terminator” kommt hierbei aber nicht viel rum. Aber wenigstens sind die Dialoge der beiden dieses Mal etwas gehaltvoller als in den vorangegangenen Folgen. Wobei man auch hier gewiss keine philosophischen Abhandlungen erwarten darf. Ich kann daher den Hype, welcher in den sozialen Medien teilweise um die Rückkehr von Seven of Nine beziehungsweise Jeri Ryan gemacht wird, nicht so ganz nachvollziehen. In “Picard” habe Seven eine solch tolle Charakterentwicklung genommen, so der Tenor.

Richtig ist, dass Seven in “Picard” etwas ‘menschlicher’ wirkt, teilweise auch humorvoller. Aber das war nach über 20 Jahren auch zu erwarten gewesen. Nichtsdestotrotz habe ich in “Picard” bisher noch keinen Dialogpartner gesehen, der aus der Figur Seven of Nine so viel herauskitzeln konnte wie seinerzeit die verschiedenen Dialogpartner in “Voyager”. Die Kombinationen Seven/Janeway, Seven/Holodoc oder auch Seven/Tuvok waren um Längen interessanter und fruchtbarer als Sevens Interaktionen mit Raffi. Auch von der Gesprächskombination Picard/Seven hatte ich mir im Vorfeld der Serie deutlich mehr erhofft. Aber diese Konstellation gibt es ja auch fast nie. Schade eigentlich.

Und Sevens neuerliche Konfrontation mit ihrer Borg-Vergangenheit ist in meinen Augen auch leider ein weiteres Beispiel dafür, dass die Serie einfach viel zu repetitiv beziehungsweise redundant ist. Das gleiche Problem hatte ich schon letzte Woche mit Picard. Irgendwie dreht man sich erzählerisch ständig im Kreis, wirklich neue Aspekte von Sevens Leben führt man hingegen nie zutage. Dabei lagen zwischen der Ankunft der Voyager (2378) und dem Start von “Picard” (2399) ganze zwei Jahrzehnte, in denen Seven u.a. ihre Beziehung mit Chakotay fortführte und schließlich auch wieder beendete. Oder in denen sie eine neue Aufgabe suchte. Die Fenris Ranger können ja erst nach der Zerstörung von Romulus (2387) entstanden sein. Also was hat Seven in den knapp 10 Jahren davor gemacht? Warum wird Chakotay nie erwähnt? Schließlich geht es hier doch dezidiert um das Thema “Beziehungsfähigkeit”. Ein Verweis auf Sevens frühere Beziehung(en) liegt also auf der Hand. Und auch Raffis gescheiterte Ehe (“Star Trek: Picard – The Last Best Hope”) spielt in den Dialogen zwischen beiden Frauen nie eine Rolle. Das ist schon sehr schwach. Man lässt – wieder einmal – erzählerisches Potenzial brachliegen, um stattdessen die ewiggleichen Traumata durchzukauen. Ich verstehe es einfach nicht!

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© Paramount + / Amazon Prime Video

Zu Raffi fällt mir auch nichts mehr ein. Diese Figur ist so unfassbar nervig und eintönig, dass man nur den Kopf schütteln kann. In genau einer Episode (2×01 “The Star Gazer”) hat man sie mal fröhlich und locker gesehen. In den restlichen Folgen ist sie entweder depressiv oder mürrisch. So emotional war nicht einmal Burnham in ihrer schlimmsten Emo-Phase (Staffel 2). Lustigerweise führt sie selbst das Scheitern ihrer Beziehung mit Seven auf deren Bindungsunfähigkeit zurück. Nein, mit einer solch unangenehmen Person wie Raffi hält es halt niemand lange aus. Ich glaube, da wäre selbst eine Borg-Assimilation angenehmer. Diese Figur könnte man auch ohne weiteres streichen, es wäre für die Serie wohl kein echter Verlust.

In einer Sache muss ich Raffi allerdings in Schutz nehmen. Der (Selbst-)Vorwurf, sie sei manipulativ, ist – zumindest in Bezug auf Elnor – unfair. Ich habe Raffis Reaktion auf Elnors Überlegung, zeitweise nach Vashti zu den Qowat Milat zurückzukehren, keineswegs als “manipulativ” empfunden. Ihre Rückfragen waren mehr als berechtigt. Was haben die Krieger-Nonnen diesem jungen Mann noch zu bieten, was er bei der Sternenflotte nicht auch hätte? Und hieß es nicht auch, dass Männer dem Orden gar nicht angehören dürfen? Also irgendwie kommt mir dieser Story-Arc enorm konstruiert vor. Er dient wohl nur dem Zweck, Melancholie-Raffi ein neues Trauma zu verpassen und gleichzeitig Evan Evagora wenigstens zwei, drei Textzeilen zu verschaffen.

Rios & Teresa

Auch der Rios-Handlungsbogen entwickelt sich von Woche zu Woche zu einer wahren Tortur. Mir tut es einfach nur leid, was man in dieser Staffel mit Santiago Cabrera und dessen Figur macht. Der Mann hat damals für eine Science-Fiction-Serie unterschrieben und muss nun in Season 2 schnulzige Daily Soap-Szenen spielen.

Die Szenen auf der La Sirena verbrennen unnötig Screen Time, die man an anderer Stelle womöglich sinnvoller hätte nutzen können – zum Beispiel für Szenen mit John de Lancies Q. Man merkt hier einfach, dass man den Charakter Rios damals als Mysterium konzipierte, das allerdings schon in Folge 8 der ersten Staffel abschließend aufgelöst wurde. Nachdem dies geschehen war, hatten die Autoren scheinbar keinen Plan mehr, wohin sie mit dieser Figur hinwollen. Das Resultat kann man derzeit in Staffel 2 sehen. Denn der Rückgriff auf das Stereotyp des ‘Latin Lover’, der sich nach einer dauerhaften Bindung sehnt und in einer alleinerziehenden Mutter sein Lebensglück zu finden scheint, ist nichts anderes als eine sehr durchschaubare Verlegenheitslösung. Nochmal: Wie oft ist eine solche Geschichte nun schon erzählt worden? Und ist das wirklich die Art von Story, die jemand sehen möchte, der eine Serie einschaltet, die “STAR TREK” heißt?

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© Paramount + / Amazon Prime Video

Ob Rios nun in der Vergangenheit bleibt oder doch mit ins 25. Jahrhundert zurückkehrt, ist mir mittlerweile fast schon egal. Denn ich habe nicht den Eindruck, dass man im Writer’s Room wirklich noch Ideen hat, was man mit dieser Figur noch so machen könnte. Die Stargazer könnte in Zukunft auch jemand anders kommandieren – eventuell sogar Geordi oder Worf. Auch das Streichen von Rios wäre bedauerlicherweise kein kreativer Verlust für diese Serie, wenngleich ich es enorm schade fände, wenn Santiago Cabrera die Serie verlassen müsste. Er ist ein sehr sympathischer und guter Schauspieler, aber seine Figur wirkt schon jetzt total verbrannt.

Picard & Guinan

Ähnlich uninspiriert wie viele andere Handlungsbögen der zweiten Staffel kommt auch die Story um Agent Wells daher. Auch hier ist es ganz offensichtlich: Lückenfüller, mehr nicht! Das Treiben im Verhör-Keller des FBI ist leider weitestgehend langweilig, die Figur des Agent Wells und seine “Akte X” sind ein weiteres Musterbeispiel für klischeebehaftetes Lazy Writing.

Erst mimt Wells den harten Hund, nur um sich dann aufgrund von Picards pseudo-psychologischen Geschwafel von einer auf die nächste Sekunde komplett umdrehen zu lassen. Das ist völlig unglaubwürdig, insbesondere für einen Mann, der es tagtäglich mit notorischen Lügnern, Großkriminellen und manipulativen Charakteren zu tun haben dürfte. Aber ein kleiner Handgriff mit Picards “heilenden” Fingern sowie dessen Kurzreferat über die Grundzüge der vulkanischen Gedankenverschmelzung reichen nach Ansicht der beiden Autorinnen scheinbar aus, um Wells’ plötzlichen Sinneswandel zu “begründen”. Sorry, mir war das – mal wieder – viel zu dünn. Zudem wird hier leider ignoriert, was wir einst in “Enterprise” gelernt haben: Die Geistesverschmelzung war zu diesem Zeitpunkt der vulkanischen Geschichte nämlich noch ein weitverbreitetes Tabu.

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© Paramount + / Amazon Prime Video

Auch Guinans Prädestinationsgelaber macht übrigens null Sinn, aber wen juckt in “Picard” schon Logik? Überhaupt fand ich Ito Aghayeres Performance auch dieses Mal wieder etwas drüber. Gewiss, Guinan nutzte schon immer einen leicht manipulativen Gesprächszugang, um Menschen ‘auszuhorchen’. Spontan fällt mir da der erfundene Tennisarm in “Suspicions” (TNG 6×22 “Verdächtigungen”) ein. Oder auch ihr Umgang mit Ensign Ro in der gleichnamigen Episode (TNG 5×03). Aber im Gegensatz zur ruhigen, sehr sachlich wirkenden Whoopi Goldberg interpretiert Aghayere Guinan diesbezüglich gänzlich anders. Bei ihr schwingt hier irgendwie so eine Art sarkastischer Unterton mit, der mir einfach nicht gefällt. Das passt nicht zu Guinan.

Nervig ist auch, dass man den El-Aurianern neuerdings Attribute zuschreibt, die ich eher mit den Betazoiden assoziieren würde. Ein Gefühl für die Zeit zu haben, muss nicht notwendigerweise mit telepathischen Fähigkeiten einhergehen. Ist das hier eigentlich noch “Star Trek” oder nicht vielleicht doch schon “Ghost – Nachricht von Sam”?

Völliger Quatsch ist auch, dass die vermeintliche Eigenart der Menschen, stets “in der Vergangenheit zu leben”, ein Unikat in der gesamten Galaxis sein soll. Stimmt einfach nicht! Denn auch andere Spezies hatten schon Traumata, darunter der Klingone Worf, der Cardassianer Garak, der Talaxianer Neelix oder sogar der Vulkanier Tuvok. Wenn man als Autorin schon keine Ahnung vom “Star Trek”-Kanon hat, dann sollte man sich solche Dialogzeilen einfach verkneifen.

Q

Eine der zwei besten Szenen der Episode findet abermals unter Beteiligung von Q statt. John de Lancie spielt einmal mehr überragend, wenngleich ich noch ein wenig mit dem neuen Q-Story-Arc hadere. Die Q nun doch sterblich zu machen, steht zumindest (noch) in einem kleinen Konflikt mit der “Voyager”-Episode “Death Wish” (VOY 2×18 “Todessehnsucht”). Andererseits war Q ja schonmal sterblich (TNG 3×13 “Déjà Q”/”Noch einmal Q”). Hier gilt es abzuwarten, was der Handlungsstrang noch so bringt. In meinen Augen ist Q aber das große Plus der Staffel, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht der Böse ist. Nichtsdestotrotz ergeben seine Handlungen bisher kaum Sinn und die meisten seiner Aussagen sind kryptisch.

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© Paramount + / Amazon Prime Video

An dieser Stelle ist aber ausnahmsweise mal ein Lob für die beiden Autorinnen angebracht. Qs emotionaler Monolog sowie seine Dialoge mit Guinan sind endlich mal auf einem Niveau, das ich mir viel häufiger wünschen würde. Gleichwohl habe ich mich schon gefragt, wie es Q ohne seine Kräfte eigentlich schafft, in ein bestens gesichertes FBI-Gebäude einzudringen. Oder wie er an all die Ressourcen gekommen ist, um das Heilmittel für Kore herzustellen. Ohne Plot Holes kommt leider keine neue “Star Trek”-Folge mehr aus, auch “Mercy” nicht.

Soong & Kore

An Fahrt gewinnt endlich auch der Handlungsstrang um Dr. Soong und Kore. Allerdings gehe ich nach “Mercy” nicht mehr davon aus, dass wir in den restlichen zwei Episoden der Staffel noch eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Thema “Eugenik” erwarten dürfen. Schade, aber “NuTrek” bleibt sich auch hier treu: Bedeutsame gesellschaftliche Themen unserer Zeit werden bestenfalls angeschnitten, aber eigentlich nie wirklich richtig erforscht. Hierfür fehlt den Autorinnen und Autoren scheinbar der Mut – oder vielleicht auch der erforderliche Bildungshintergrund.

Folglich bleibt auch Dr. Adam Soong weiterhin sehr eindimensional, wird er doch hauptsächlich als geltungsbedürftiger Narzisst dargestellt. Das mag vielleicht in die Reihe der Soongs passen, aber Arik Soong fand ich in “Enterprise” irgendwie ambivalenter geschrieben. Dabei wäre ein solch genialer Schauspieler wie Brent Spiner eigentlich prädestiniert dafür, einen innerlich zerrissenen Wissenschaftler zu spielen, der sich zwischen einer utilitaristischen und einer an humanistischen Prinzipien orientierten Bioethik entscheiden muss. Aber wie gesagt: Eine solche Konstellation scheint den Writer’s Room von “Picard” auf der kreativen Ebene zu überfordern. Autoren wie Ronald D. Moore (TNG 5×15 “Ethics” / “Die Operation”; DS9 3×13 “Life Support” / “Der Funke des Lebens”) oder Autorinnen wie Melinda M. Snodgrass (TNG 2×09 “The Measure of a Man” / “Wem gehört Data?”) und Jeri Taylor (VOY 5×08 “Nothing Human” / “Inhumane Praktiken”) wachsen eben nicht auf Bäumen.

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© Paramount + / Amazon Prime Video

Nichtsdestotrotz haben mir die wenigen Szenen zwischen Soong und Kore sehr gut gefallen, weil wir hier zwei richtig gute Schauspieler zu sehen bekommen. Und weil diese Dialoge überraschenderweise recht gut geschrieben sind. Dass Brent Spiner ein Meister seines Faches ist, wissen wir seit über 30 Jahren. Aber auch Isa Briones ist ein leuchtender Stern am Horizont der um die Jahrtausendwende geborenen Schauspielergeneration. In meinen Augen ist es ein wahrer Frevel, dass man diese talentierte junge Frau in Staffel 2 so dermaßen unterfordert. Briones ist von den neuen Cast-Mitgliedern sicherlich eine der talentiertesten und auch schon vom Alter her diejenige, die wohl das größte Karrierepotenzial mitbringt. Aber ebenso wie bei Elnor, Raffi und Rios gilt auch für Soji: Das kreative Pulver scheint bereits verschossen zu sein. Und Kore ist bisher leider nur eine Nebenfigur, die kaum Screen Time spendiert bekommt. Und das ist wirklich sehr, sehr schade!

Soong & Borg Queen

Leider lässt das Finale von “Mercy” ein Staffelfinale erwarten, das mehr auf Action als auf eine durchdachte und nachvollziehbare Auflösung der verschiedenen Handlungsbögen setzt. Die unheilvolle Allianz zwischen Soong und der Borg-Königin wirkt auf mich wenig logisch, zumal Letztere schon genügend Möglichkeiten hatte, sich der La Sirena zu bemächtigen.

Und auch in Bezug auf Soong zeigen sich wieder so einige Plot Holes. Wie kann es sein, dass ein Wissenschaftler, der seine Zulassung verloren hat, Zugang zu geschlossenen Elite-Gesellschaften (NASA-Gala) und sogar zu militärischen Spezialeinheiten hat? Letzteres kann man vielleicht noch schlucken, schließlich scheint die “Spearhead Operations” eine Art Privatarmee zu sein. Aber angesichts seiner unerlaubten Genexperimente müsste Soong doch eigentlich schon längst in Untersuchungshaft sitzen.

Zweitrezension: Picard 2x08 - "Mercy" / "Gnade" 9
© Paramount + / Amazon Prime Video

Nun ja, der Trailer zu Folge 9 zeigt bereits, wohin die Reise gehen wird. Das ist wirklich enttäuschend, denn der Story-Arc um Soong und die bionischen Soldaten hätte nach meinem Dafürhalten deutlich mehr erzählerisches Potenzial gehabt, dürfte aber über einen plumpen “Terminator”-Verschnitt wohl nicht hinauskommen. Dass es besser geht, hat schon die vor über 30 Jahren von Robin Bernheim geschriebene “TNG”-Episode “The Hunted” (3×11 “Die Verfemten”) bewiesen. Und da war das Thema noch gar nicht so relevant wie heutzutage. Aber wie gesagt, an intelligenter Gesellschaftskritik hat das neue “Star Trek” leider kein aufrichtiges Interesse mehr.

Gesellschaftskommentar

An dieser Stelle versuche ich stets in guter (und wahrscheinlich naiver) Hoffnung, irgendwelche gesellschaftskritischen Narrative aus der jeweiligen Episode herauszulesen. Im Fall von “Mercy” fällt mir dies aber wieder enorm schwer. Dabei will ich den beiden Autorinnen gar nicht unterstellen, dass ihr Drehbuch gar keine sozialkritischen Aspekte beinhaltet. Nur leider haben wir es auch hier wieder eher mit Masse denn mit Klasse zu tun.

Bei Seven und Raffi geht es mal wieder um Schuldgefühle und ein Kindheitstrauma. Ganz ehrlich, ich kann es nicht mehr sehen und hören. Diese Thematik zieht sich seit 2017 durch die Großzahl der Folgen der beiden neuen Live-Action-Serien. Es ist mittlerweile einfach nur noch ermüdend.

Mit Teresa und ihrem Sohn will man scheinbar sowohl auf die Problematik der “alleinerziehenden Mutter” als auch auf das Thema “Latinos in der US-Gesellschaft” anspielen. Schön und gut, aber diese kurzen Gesprächsschnipsel reichen definitiv nicht aus, um eine gehaltvolle Message rüberzubringen. Und wenn man nicht dazu bereit ist, mehr Sendezeit in diese Storyline zu investieren, dann sollte man es vielleicht auch besser ganz bleiben lassen. Mit schlichten Andeutungen und Oberflächlichkeit ist nämlich niemandem geholfen, weder der Thematik noch dem Publikum. Es wirkt einfach alibimäßig.

Der Handlungsstrang um Wells kommt hingegen sehr bedeutungsschwanger daher (“Alle Menschen leben in der Vergangenheit”), ist in seiner Auflösung aber viel zu plump, als dass man hier von einem ertragreichen Gesellschaftskommentar sprechen könnte. Zumal genau dieses Thema schon im Zentrum des “Deep Space Nine”-Pilotfilms stand. Da ist Qs Sinnieren über die Endlichkeit des Seins weitaus spannender. Ontologie mit Q – da werden schöne Erinnerungen an “The Next Generation” und “Voyager” wach. Mal sehen, ob wenigstens dieser Story-Arc am Ende halten kann, was er spätestens seit “Mercy” verspricht.

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Zu guter Letzt greift der Handlungsstrang um Soong, Kore und die “Spearhead Operations” abermals das Thema “Eugenik” auf. Auf die Parallelen zu realen Ereignissen aus der jüngeren Vergangenheit bin ich bereits in früheren Rezensionen eingegangen. Tatsächlich ist die Idee von “genetischen Supersoldaten” weniger fiktiv, als manch einer vielleicht glauben mag. Denn transhumanistische Ideen finden immer mehr Einzug in das Denken militärischer Strategen. Und das nicht nur im autoritären China. Selbst in einem demokratischen Land wie Frankreich scheinen sogenannte “bionische Soldaten” kein Tabu mehr zu sein, jedenfalls hat eine französische Ethikkommission Ende 2020 grünes Licht für ein entsprechendes Forschungsprogramm gegeben. Ziel sei es, die “körperlichen, kognitiven, perzeptiven und psychologische Fähigkeiten” der Soldaten zu verbessern.

Leider habe ich nur wenig Hoffnung, dass “Picard” dieses Thema ähnlich gut verarbeitet wie seinerzeit “The Hunted”. In dieser Folge geht es um bionischen Soldaten, die das Resultat eines staatlichen Eugenik-Programms der Regierung von Angosia III sind. Unter den augmentierten Soldaten ist auch Roga Danar (Jeff McCarthy), der für die Freiheit der nach dem Krieg inhaftierten “Supersoldaten” kämpft. “The Hunted” ist eine starke Episode, die man sich immer wieder anschauen kann. Tolle Story, tolle Dialoge und spannende Action. Eine der vielen Sternstunden von “Star Trek: The Next Generation”.

Bewertungsübersicht

Handlung
Dialoge
Charakterentwicklung
Stringenz (Staffelbogen & Kanon)
Spannung
Action & Effekte
Humor
Intellektueller Anspruch

Fazit

Nach zwei ganz schwachen Episoden geht die Formkurve der zweiten Staffel mit "Mercy" wieder leicht nach oben. Zwar enthält auch diese Episode wieder so einige Plot Holes und seichte Dialoge, zwischendurch gibt's aber auch den ein oder anderen qualitativen Ausreißer nach oben. Allen voran die Szenen mit Q und Kore überraschen hier positiv. Inhaltlich geht es zwar nur in Mini-Schritten voran, aber in der Gesamtbetrachtung ist "Mercy" hinsichtlich Erzähltempo und Spannung deutlich unterhaltsamer als die Folgen 6 und 7. Nichtsdestotrotz sind Zweifel angebracht, ob am Ende auch alle Handlungsstränge zufriedenstellend aufgelöst werden können. Immerhin verbleiben hierfür nur noch zwei weitere Episoden. Der Cliffhanger zu "Hide and Seek" lässt jedenfalls vermuten, dass mindestens Folge 9 wieder sehr actionlastig werden dürfte.
Deutscher TitelGnade
OriginaltitelMercy
SeriePicard
Staffel2
Episodennummer8
Produktionsnummer18
RegisseurJoe Menendez
DrehbuchCindy Appel & Kirsten Beyer
GastdarstellerJohn de Lancie (Q), Jay Karnes (Agent Wells), Ito Aghayere (Guinan), Sol Rodriguez (Teresa Ramirez)
US-Erstausstrahlung21.04. 2022
DE-Erstausstrahlung22.04. 2022
Sternzeit / Missionsdatum13./14. April 2024
Dauer48
Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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Nach zwei ganz schwachen Episoden geht die Formkurve der zweiten Staffel mit "Mercy" wieder leicht nach oben. Zwar enthält auch diese Episode wieder so einige Plot Holes und seichte Dialoge, zwischendurch gibt's aber auch den ein oder anderen qualitativen Ausreißer nach oben. Allen voran die Szenen mit Q und Kore überraschen hier positiv. Inhaltlich geht es zwar nur in Mini-Schritten voran, aber in der Gesamtbetrachtung ist "Mercy" hinsichtlich Erzähltempo und Spannung deutlich unterhaltsamer als die Folgen 6 und 7. Nichtsdestotrotz sind Zweifel angebracht, ob am Ende auch alle Handlungsstränge zufriedenstellend aufgelöst werden können. Immerhin verbleiben hierfür nur noch zwei weitere Episoden. Der Cliffhanger zu "Hide and Seek" lässt jedenfalls vermuten, dass mindestens Folge 9 wieder sehr actionlastig werden dürfte. Zweitrezension: Picard 2x08 - "Mercy" / "Gnade"
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