Leider geht die Besprechung diesmal nicht völlig spoilerfrei. Wer nicht einmal Infos aus den ersten 5 Minuten erfahren möchte, sei hiermit gewarnt.
Story
Während Ensign Rutherford auf der Cerritos versucht, das plötzlichen Auftauchen eines vermeintlich verstorbenen Kollegen aufzuklären, hadert Boimler damit, dass er von den Schiffssystemen nicht als berechtigtes Besatzungsmitglied registriert wird. Da er sich weigert, Hilfe anzunehmen, gestaltet es sich für Boimler schwierig, sein Idol Tom Paris zu treffen, der das Schiff besucht. Tendi und Mariner sind derweil auf privater Mission für Dr. T’Ana und stellen fest, dass sie noch einiges von und übereinander lernen können.
Von den drei Handlungssträngen ist Tendis und Mariners Spezialmission die mit dem befriedigendsten Ausgang. Sowohl Boimlers als auch Rutherfords Quest geht am Ende die Luft aus.
Dialoge und Besetzung
Robert Duncan McNeills Einsatz als Tom Paris wirkt im Vergleich zu anderen Cameos aus den Live-Action-Serien leider relativ lieblos. Es scheint fast so, als sei das Wortspiel im Episodentitel der wichtigste Grund für seinen Auftritt.
Dafür bekommen Mariner und Tendi eine willkommene Möglichkeit, ihre bisher recht oberflächliche Beziehung zu vertiefen. Auch wir als Zuschauer wissen praktisch nichts über Tendi. Die Mission, die sich in einen regelrechten Roadtrip wandelt, ist eine tolle Gelegenheit, die vom Drehbuch-Autor M. Willis auch reichlich ausgeschlachtet wird.
Kanon und Rahmenhandlung
Paris ist ein McGuffin, der Boimler zu einer gefährlichen Odyssee durch die Innereien der Cerritos motiviert, weil er sich nicht von anderen Crewmitgliedern dabei helfen lassen möchte, seine Systemberechtigungen wiederherzustellen. Es ist schon witzig zu sehen, wie absolut unmöglich das Leben auf einem Sternenflottenraumschiff wird, wenn sich selbst die Türen nicht mehr automatisch öffnen, geschweige denn Replikatoren Essen ausspucken. Im 24. Jahrhundert sollte man ganz sicher nicht das Passwort für sein LCARS-Konto vergessen.
In Rutherfords Handlungsast werden allerlei Referenzen zu Tod und Wiederauferstehung aus 55 Jahren “Star Trek” durchgerattert. Gleichzeitig behauptet Mariner, dass Sternenflottenoffiziere ein großes Geheimnis darum machen würden, wenn sie von den Toten zurückkehrten. Das klingt ziemlich unplausibel, wenn Rutherford andererseits alle Formen der “Wiedergeburt” runterbeten kann. Woher weiß er dann so viel darüber? Die Episode versucht, sich über ein Klischee (“unerklärliche Rückkehr von den Toten”) lustig zu machen, das in der Form in “Star Trek” keine wesentliche Rolle spielt, und verpasst dabei das relevante Klischee (“inflationäre Rückkehr vermeintlich Toter”) treffend zu persiflieren. Im Verlauf spielen die Figuren wieder und wieder mit der vierten Wand, so dass ähnlich wie in den Wochen zuvor die Folge zu brüllen scheint: “Seht her, liebe Zuschauer, wir sind eine unmögliche Fiktion, Zwinkersmiley”. Und am Ende der Folge schaut man fassungslos auf eine sinnfreie Pointe, und fragt sich, ob es das Wert war.
Tendi und Mariner besuchen bei Ihrem Ausflug verschiedene bekannte Orte des “Trek”-Universums: Qualor II, das seltsame Ähnlichkeiten zu Freecloud aus “Picard” hat, und Sternenbasis Earhart, wo einst Nausikaaaner Picard ein Messer ins Herz rammten, sind Stationen, bevor “Lower Decks” selbst ein bisschen den Kanon erweitert. Denn Tendi steuert einen orionischen Piratenaußenposten an, wo wir nicht nur mehr über ihr Volk, sondern auch ihren Hintergrund erfahren. Und auch den Lore über die Caitianer vertieft “We’ll Always have Tom Paris”.
Inszenierung
Nach den aufwendigen und auch visuell dichten Vorgängerepisoden ist “We’ll Have Always Tom Paris” eine etwas bodenständigere Angelegenheit. Die Wimmelbilder fehlen diesmal, aber das heißt nicht, dass es langweilig würde. Regisseur Bob Suarez liefert wieder ein sehr kompaktes und stringentes Stück Unterhaltung ab, in dem alle drei Handlungsstränge ihren Platz finden.
Beobachtungen
- Im Englischen ist der Folgentitel “We’ll Always Have Tom Paris” offenbar eine Anspielung auf die “The Next Generation”-Episode “We’ll Always Have Paris”, zu Deutsch: “Begegnung mit der Vergangenheit”. So trägt die “Lower Decks”-Folge den Titel “Begegnung mit der Befangenheit”. Die Referenz auf die “TNG”-Folge bleibt erhalten, der Bezug zum Inhalt der “Lower Decks”-Episode geht bei der Übersetzung aber verloren.
- Wie auf DS9 und Freecloud gibt es auf Qualor II ein Etablissement namens “Quark’s”. Aber auch Vic Fontaine scheint den Planeten für sich entdeckt zu haben.
- Klingonischer Acid Punk Rock. Lasse ich mal so stehen.
- Schwer zu glauben, dass Starbase Earhart aus dem Picard-Zwischenfall nicht klüger geworden ist…
- Nachdem wir in “Star Trek” schon sehr viele kosmetische Anpassungen für Undercover-Einsätze gesehen haben, ist es schon merkwürdig, dass Tendi keine bessere Methode einfällt, um Mariner mitzunehmen.
- Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich den Running Gag mit dem Teller als selbstironisch durchwinken oder als dreiste Vermarktungs-Masche sehen soll. Denn natürlich gibt’s das Teil für echtes Geld im wahren Leben zu kaufen.
- Die Auflösung von T’Anas Mission ist pures Comedy-Gold.
- Mariner markiert in “ihrer” Zelle die Anzahl ihrer Aufenthalte.
Fazit
Trotz prominentem Gaststar die bisher schwächste Episode dieser Staffel auf nach wie vor ordentlichem Niveau. Mir ist “Lower Decks” nach drei Folgen dieses Jahr “zu meta” unterwegs und spielt zu viel mit der vierten Wand. Das ist sparsam eingesetzt ein tolles Stilmittel, aber untergräbt in der Häufung die eigene Relevanz und Integrität der Charaktere. Ich möchte nicht ununterbrochen daran erinnert werden, dass Mariner, Boimler, Tendi und Rutherford Comicfiguren in meinem Fernseher sind.
Ich würde mich durchaus über etwas mehr “In-Universe”-Humor mit selbstironischem Einschlag freuen, denn Mariner & Co. haben es verdient, dass wir mit ihnen fiebern, und wir haben es verdient, dabei ein paar Minuten im 24. Jahrhundert abzutauchen.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 2 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 5 max=”6″] |
Spannung | [usr 3 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 3 max=”6″] |
Humor | [usr 3 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 3 max=”6″] |
Gesamt | [usr 4 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 13 (Staffel 3, Episode 3) |
Originaltitel | We’ll Always Have Tom Paris |
Deutscher Titel | Begegnung mit der Befangenheit |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 26. August 2021 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 27. August 2021 |
Drehbuch | M. Willis |
Regie | Bob Suarez |
Laufzeit | 25 Minuten |
Mit Rücksicht auf andere Leser, die die Folge noch nicht gesehen haben, bitten wir, in den Kommentaren zu diesem Artikel auf Spoiler zu verzichten. Danke!
Gehe sehr einig, dass das die schlechteste Folge der 2. Staffel ist. Aber es ist die dritte, nicht die zweite Folge 🙂
Eigentlich schade, denn die angesprochenen Dinge wäre, etwas dosierter und nicht mit der Brechstange im Dauertakt gebracht, sehr witzig gewesen. Dafür ist die Auflösung mit der Ärztin sehr schon. Bei mir hat sogar der Witz mit Tom Paris und Boimler auf der Brücke gezündet, vielleicht auch nur darum, weil es ganz kurz was anderes war.
Aber ich muss ehrlich sagen, dass ist jetzt schon auch jammern auf hohem Niveau.
Da hatte sich der Tippfehler eingeschlichen, aber wir haben es ausgebessert 🙂
Gruß
Tom
Gehe sehr einig, dass das die schlechteste Folge der 2. Staffel ist. Aber es ist die dritte, nicht die zweite Folge 🙂
Eigentlich schade, denn die angesprochenen Dinge wäre, etwas dosierter und nicht mit der Brechstange im Dauertakt gebracht, sehr witzig gewesen. Dafür ist die Auflösung mit der Ärztin sehr schon. Bei mir hat sogar der Witz mit Tom Paris und Boimler auf der Brücke gezündet, vielleicht auch nur darum, weil es ganz kurz was anderes war.
Aber ich muss ehrlich sagen, dass ist jetzt schon auch jammern auf hohem Niveau.
Da hatte sich der Tippfehler eingeschlichen, aber wir haben es ausgebessert 🙂
Gruß
Tom