Eine nahezu spoilerfreie Ersteinschätzung zum “Lower Decks'”-Geburtstagsständchen an “Star Trek”-Schöpfer Gene Roddenberry.
Story
Boimlers freier Platz in der Beta-Schicht wird aufgefüllt, außerdem lernen wir den neuen Sicherheitsoffizier der Cerritos kennen. Während die Lower Decks für die Sammlergilde den Nachlass einer Raritätensammlung regeln müssen, schickt Riker Boimler auf eine geheime Mission, um die Paklets zu infiltrieren.
Dialoge und Besetzung
Die Dialoge sind gewohnt knackig, scharfzüngig und pointiert. Jet Manhaver, der Boimlers Platz zwischen Mariner, Tendi und Rutherford einnimmt, würfelt die übliche Dynamik des Quartetts angenehm durcheinander. Der C-Plot zwischen Mariner und Manhaver ist durchweg unterhaltsam. Neuzugang Kayshon, der als neuer Sicherheitschef schon aus den Trailern bekannt war, kann indes (noch) nicht so richtig aufspielen, aber es ist zweifellos eine originelle Idee, künftig einen Tamarianer mit an Bord zu haben.
Glücklicherweise verbringt diese Episode etwas mehr Zeit mit Boimler, so dass wir nicht nur sehr viel mehr von Jonathan Frakes “Freestyle-Jazz-Riker” sehen und hören, auch dürfen wir bedeutend mehr von der Titan Crew erleben. Dieser B-Plot kratzt mehrfach an der vierten Wand. Ähnlich wie “Crisis Point” ist die ganze Affäre ein ausgefuchster Vorwand, damit Boimler und die Titan-Crew über die unterschiedlichen Iterationen von “Star Trek” sinnieren können. Spoileralarm: Im Vergleich zu “der D” (Stellvertretend für “The Next Generation”) kommt der Rest nicht gut weg. Insbesondere die “komplexen Charaktere, die in schwer-serialisierte Schlachten geworfen werden”, bekommen ihr Fett ab.
Beide Stränge landen letztlich auf einer sehr humanistischen Note. Zwar bedienen sie bekannte “Star Trek”-Klischees, aber insbesondere Boimler hat diese Episode Dialogzeilen, die ehrlich und aufrichtig vermitteln, was das Wesen dieses modernen Mythos ausmacht. Die naive Schlichtheit einiger weniger Zeilen in dieser Folge vermitteln mehr Gänsehaut, als die letzten drei überspannten Monologe von Michael Burnham. Stark!
Kanon und Rahmenhandlung
Die Episode ist auf Grund ihres Settings randvoll mit visuellen Referenzen. Die Lower Decks bewegen sich durch den Nachlass eines Sammlers wie Kivas Fajo (“The Most Toys”). Jede Einstellung platzt förmlich vor Anspielungen. Das Problem dabei ist, dass einige davon nicht wirklich plausibel zu diesem Zeitpunkt in Sammlerbesitz sein können, und eher als Easter Eggs getaugt hätten. Da das Setting aber integraler Bestandteil der Story ist, sägt das ein oder andere Stück arg an der Immersion, und es gibt ein paar makabere Exponate, die an der Grenze zur Geschmacklosigkeit schrammen.
Bezogen auf “Lower Decks” selbst ist eine deutlich stärkere Kontinuität zwischen den Episoden wahrzunehmen. Es kann gut sein, dass nun ein neuer Status Quo gefunden ist, nachdem sich alle Charaktere wieder “gerüttelt” haben, aber mir gefällt die durchgängige Charakterentwicklung neben dem “Abenteuer der Woche” ziemlich gut.
Inszenierung
Kim Arndt hat eine sehr dichte Episode “Lower Decks” abgeliefert, die tatsächlich zwei interessante Storystränge griffig durcherzählt und zu einem befriedigenden Abschluss bringt. Beide Handlungsorte haben starke Actionszenen, die durchweg nachvollziehbar choreographiert sind.
Passend zum etwas brachialeren Humor in dieser Folge ist die Comedy auch physischer. Das funktioniert gewohnt gut, trifft aber nicht den Nerv des Rezensenten. Ich könnte auch mit etwas leiseren Tönen gut leben.
Beobachtungen
- Schallduschen produzieren an strategisch geschickten Körperpartien visuelle Unschärfen.
- Riker verhält sich gegenüber Sitzmöbeln immer noch übergriffig.
- Leider ist Deanna Troi nirgends auf der Titan zu sehen/hören.
- Ein Marsrover, ein Kadis-kot-Board, Khans Halsschmuck, Data’s Portrait von Spott, eine Terranische Flagge, (Siskos?) Baseball, (Rikers?) Posaune, das Ktarianische VR-Spiel, Picards Akt, eine Betazoid-Geschenkkiste, ein Einhorn, Wein vom Chateau Picard, eine vulkanische Lirpa, ein Salzvampier, Abraham Lincoln, (Datas?) Poker-Schirm, ein Horta-Ei, Odos Eimer… wir werden diese Folge noch Wochen auf Referenzen abklappern.
- Auch die Titan scheint mindestens ein Vorgängerschiff gleichen Namens zu haben. Im Konferenzraum hängt ein zweites Modell an der Wand, dessen Klasse leider nicht klar erkennbar ist.
Fazit
Eine sehr passende Episode zu Gene Roddenberrys 100. Geburtstag. Der unterhaltsame A-Plot ist ein (vorhersehbares) Kondensat eines Außenteameinsatzes, in dem unsere Figuren sich aneinander reiben, aber letztlich als Team erfolgreich zusammenfinden. Das Klischee ist erstens wegen des abgefahrenen Settings und seiner rasanten Inszenierung voll ok und wird dann durch Boimlers Beherztheit im B-Plot zu einem aufrichtigen Statement. Leider kann es sich das Drehbuch nicht verkneifen mit dem Vorschlaghammer darauf hinzuweisen, dass seit der “Next Generation” einiges an “Star Trek” sich ziemlich weit von seinem humanistisch-rationalen Wesenskern verabschiedet hat.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 3 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 5 max=”6″] |
Spannung | [usr 5 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 5 max=”6″] |
Humor | [usr 4 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 4 max=”6″] |
Gesamt | [usr 5 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 12 (Staffel 2, Episode 2) |
Originaltitel | Kayshon, His Eyes Open |
Deutscher Titel | Kayshon, seine Augen offen |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 19. August 2021 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 20. August 2021 |
Drehbuch | Chris Kula |
Regie | Kim Arndt |
Laufzeit | 25 Minuten |
Mit Rücksicht auf andere Leser, die die Folge noch nicht gesehen haben, bitten wir, in den Kommentaren zu diesem Artikel auf Spoiler zu verzichten. Danke!