„Charonspfennig“, die vierte Episode der zweiten Staffel von “Star Trek: Discovery”, ist deutlich stärker als die beiden vorangegangenen Episoden. Die Folge überzeugt nicht nur wegen der emotionalen Dialoge und tollen Effekte, sondern insbesondere deshalb, weil sie klassische Star Trek-Botschaften transportiert.
Vorsicht Spoiler!
Die Handlung
Während die Discovery Spocks Shuttle verfolgt, wird das Schiff plötzlich von einer unbekannten Sphäre aus dem Warpfeld gerissen. Die Gravitation der Sphäre hält das Schiff gefangen. Gleichzeitig infiziert es den Bordcomputer der Discovery mit einem Störprogramm und bringt die Besatzung dadurch in große Schwierigkeiten. Eine ausführliche Analyse von Commander Burnham und Saru ergibt allerdings, dass dieses Wesen über 100.000 Jahre alt ist und keine feindseligen Absichten hat, sondern lediglich sein Wissen unbedingt an die Nachwelt weitergeben möchte. Die Discovery erfüllt dem Wesen diesen Wunsch, sodass die Kreatur beruhigt sterben kann.
Durch den Einfluss der sterbenden Kreatur wird bei Saru das „Vaharai“ ausgelöst. Dabei handelt es sich um einen biologischen Prozess, der signalisiert, dass Kelpianer ihren baldigen Tod erwarten müssen. Der Tod kommt für die Kelpianer in Form einer rituellen Schlachtung durch die Ba’ul, der Raubtierspezies auf Sarus Heimatwelt Kaminar.
Im Angesicht des Todes wird Saru und Burnham der Wert ihrer Freundschaft erst richtig bewusst und Michael ist bereit, ihrem Freund in seinen letzten Stunden beizustehen. Doch am Ende stirbt Saru nicht, sondern er erreicht vielmehr eine ihm bisher noch unbekannte Entwicklungsstufe seiner Spezies. Das „Große Gleichgewicht“, die grundlegende soziale Ordnungsstruktur und Lebensweise auf Kaminar, hat sich als falsche Lehre erwiesen und die Kelpianern über Generationen um ihre Evolution betrogen.
Stamets, Tilly und die Ingenieurin Reno finden indessen heraus, dass das Myzelnetzwerk der Lebensraum einer fremden Spezies ist, die sich durch die Verwendung des Sporenantriebs bedroht sieht. Während eines Zwischenfalls wird Tilly vom eukaryotischen Organismus verschlungen.
Derweil hat die verstorbene Weltraumkreatur der Discovery eine gigantische Sammlung von Wissen hinterlassen, welche die Wissenschaftler der Föderation noch Jahre beschäftigen wird. Glücklicherweise sind auch die Koordinaten von Spocks Shuttle darunter…
Saru – endlich!!!
Nachdem Saru in den letzten beiden Episoden leider etwas unterbeschäftigt war, steht er in „Charonspfennig“ nun endlich im Zentrum der Handlung. Saru überzeugt hier einerseits mit seiner (oftmals sträflich vernachlässigten) wissenschaftlichen Expertise und andererseits mit seiner bemerkenswerten Haltung im (vermeintlich) sicheren Angesicht des Todes.
Ein schöner Nebeneffekt von Sarus Aufwertung besteht darin, dass sich diese auch positiv auf die Figurenzeichnung von Michael Burnham auswirkt. Im Gegensatz zu etlichen anderen Episoden wird Burnham hier endlich mal nicht allwissend, überheblich und selbstbemitleidend gezeigt, sondern stattdessen als eine verletzliche Person, die mit dem scheinbar unaufhaltsamen Sterbeprozess einer ihr nahestehenden Person völlig überfordert ist. Diese Hilflosigkeit macht Burnham irgendwie menschlicher und somit auch nahbarer, sodass ich die Hoffnung habe, dass die Autoren vielleicht doch noch die Kurve kriegen und Burnham künftig etwas weniger nervig schreiben.
Natürlich könnte ich mich jetzt wieder darüber auslassen, dass Michael wirklich in jeder Episode sentimental wird. In dieser speziellen Situation (Sarus Todeskampf) sind ihre tränenbenetzten Rehäuglein aber wirklich mal angebracht und absolut nachvollziehbar. Auf der anderen Seite muss ich gestehen, dass mich der Grad von Sarus und Burnhams Emotionalität doch etwas überrascht hat. Denn aus dem bisherigen Verlauf der Serie ist mir persönlich nicht wirklich ersichtlich geworden, dass die beiden tatsächlich so eng miteinander befreundet sind. Saru spricht ja sogar davon, dass Burnham für ihn eine Art „Ersatzschwester“ geworden ist. Und Burnham bezeichnet Saru als “Familie”. Im Gegensatz dazu hatte ich in der Pilotfolge allerdings eher den Eindruck, dass beide ein reines Arbeitsverhältnis pflegen und sich sogar als Konkurrenten um die Gunst und Anerkennung von Captain Georgiou betrachten. Im späteren Verlauf der ersten Staffel hatte ich zwar das Gefühl, dass Saru seinen Argwohn gegenüber Burnham nach den Geschehnissen in „Das Urteil“ (1×02) überwinden konnte – nicht aber, dass beide über ihr Arbeitsverhältnis hinaus großartig miteinander Zeit verbringen, geschweige denn Gefühle füreinander haben (“I love you, Saru!”). Sicher, beide haben sich bei diversen Gelegenheiten gegenseitig um Rat gefragt oder über ihre gemeinsame Freundin Captain Georgiou gesprochen. Aber war da wirklich so viel emotionale Vertrautheit, wie in „Charonspfennig“ suggeriert wird?
Wenn ich an tiefe Freundschaften in „Star Trek“ denke, dann fallen mir spontan Kirk und McCoy, Geordi und Data, Sisko und Dax und vor allem O’Brien und Bashir, Archer und Trip beziehungsweise Trip und Malcom ein. Natürlich, auch Spock und Kirk verband (bis “Star Trek II”) mehr eine Kameradschaft denn eine tiefe Freundschaft (auch wenn Spock in „Star Trek II“ das Gegenteil behauptet), aber in diesem Fall konnte man sehen, wie diese Beziehung stetig über Jahre gewachsen ist. Bei Burnham und Saru hat mir bis “Charonspfennig” noch das gewisse Etwas gefehlt, das diese enorme Emotionalität und Vertrautheit rechtfertigen würde. Das Problem liegt einfach darin, dass wir erstens nicht wissen, wie lange und wie eng die beiden auf der Shenzhou zusammen gedient haben. Und zweitens spricht der Umstand, dass Saru Burnham nach ihrer Verurteilung gewissermaßen links liegen gelassen hat (oder hat er sie besucht, ihr geschrieben, ihr Mut zugesprochen?), nicht unbedingt für eine Art „Geschwisterbeziehung“ zwischen beiden. Wenn ich jemanden als meine „Schwester“ betrachte, dann kann ich auch über Fehler wie Burnhams „Meuterei“ hinwegsehen und breche zu dieser Person nicht einfach von einem Tag auf den anderen den Kontakt ab.
Mit “Charonspfennig” ist diese enge Beziehung nun natürlich absolut nachvollziehbar. Man hätte sie im bisherigen Verlauf der Serie allerdings intensiver “ankündigen” können.
Lassen sie ihn wirklich sterben?
Bereits der Trailer zur Episode ließ vermuten, dass Saru in „Charonspfennig“ wohl mit dem Tode ringen wird. Mir war zu diesem Zeitpunkt eigentlich sofort klar, dass diese Nebelkerze der Autoren nicht funktionieren kann. Denn kein Autor wird – vor allem nach dem “Culber-Fauxpas” in der ersten Staffel – so blöd sein und einen weiteren, sehr beliebten Charakter aus der Serie schreiben. Mit dieser Erkenntnis, die sich im Nachhinein auch als richtig herausgestellt hat, war allerdings die Befürchtung verbunden, dass ein solcher Pseudo-Spannungsbogen am Ende für den Zuschauer eben nicht spannend sein kann.
An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich mit dieser Einschätzung voll daneben gelegen habe. Denn es gab wirklich einen kleinen Moment gegen Ende der Episode, an dem ich meine Zweifel hatte, ob Saru nicht vielleicht doch stirbt. Dafür hätten in der Tat zwei Gründe gesprochen: Erstens haben die Autoren schon in der Vergangenheit mit Georgiou, T’Kuvma, Kol, Lorca und vor allem mit Dr. Culber gleich mehrere, (vermeintlich) zentrale Charaktere der Serie zu teilweise wirklich überraschenden Zeitpunkten sterben lassen. Zweitens ist Saru – ganz nüchtern betrachtet – für die Autoren ein Hindernis, sollte Burnham tatsächlich für den Captain’s Chair der Discovery vorgesehen sein.
Ich fand die Inszenierung von Sarus Todeskampf jedenfalls sehr glaubwürdig und daher auch spannend und sehr emotional. Die Szenen sind auch sehr gut gespielt. Einzig die – in meinen Augen – überraschend große Emotionalität hat mich ein Stück weit irritiert.
Saru reborn?
Saru scheint seine ängstliche Natur mit “Charonspfennig” nun endgültig abgelegt zu haben. Wahrscheinlich haben wir hier die Geburtsstunde eines völlig neuen Sarus gesehen, der ohne seine lästigen Gefahrenganglien sicher ein guter Captain werden kann.
Saru erfährt in „Charonspfennig“ eine beachtliche Charakterentwicklung, die mich nochmals in meiner Meinung bestärkt, dass Saru wohl der bessere Protagonist für die Serie gewesen wäre. Saru ist völlig anders als Burnham. Er ist fremd und unsicher, aber er ist doch zugleich mutig, neugierig und reflektiert. Eigentlich ist er „Star Trek“ pur. Ein Protagonist, der die Menschheit aus einer Außenperspektive betrachtet, wäre wirklich eine großartige Neuerung für „Star Trek“ gewesen. Burnham ist das leider nicht. Aber vielleicht kann ja auch diese Figur im Schatten von Saru wachsen.
Auch wenn William Shatner es nicht gerne hört, aber man munkelt ja schon länger, dass Leonard Nimoys Mr. Spock der wahre Held der Originalserie gewesen sei. Vielleicht trifft diese Konstellation auch auf „Discovery“ zu.
Klassische Star Trek-Botschaften
„An Obol for Charon“ ist inhaltlich deshalb so stark, weil die Episode viele altbekannte Star Trek-Botschaften transportiert. Zu nennen sind hier vor allem Grundthemen wie Kameradschaft, Freundschaft, Teamwork, Empathie und Forschergeist. Letzteres äußert sich einmal mehr darin, dass man das Unbekannte begrüßt und auch stets einen „zweiten Blick“ wagt. So glaubt die Besatzung der Discovery zunächst, die fremde Sphäre sei ihr feindlich gesinnt. Eine ausführliche wissenschaftliche Analyse nach dem altbewährten Sternenflotten-Motto „semper exploro!“ zeigt allerdings, dass dieses Wesen lediglich kommunizieren möchte und Hilfe sucht. Und dass es nicht einsam und vergessen sterben will. Die Crew zeigt daraufhin Empathie und tut alles, was getan werden muss, um diesem Wesen den letzten Wunsch zu erfüllen.
Natürlich könnte man hier anführen, dass auch diese Geschichte in „Star Trek“ schon mehrfach (zumindest in ähnlicher Weise) erzählt worden ist. Spontan fällt mir hier das Lebewesen „Gomtuu“ aus der „The Next Generation“-Episoden „Der Telepath“ ein. Oder auch die Folge „Begegnung im Weltraum“, die ebenfalls aus „The Next Generation“ stammt. Und dennoch muss man hier einfach honorieren, wie viel „Star Trek“ in dieser Geschichte drinsteckt. Genau das ist es doch, was viele von uns sehen wollen!
Eine weitere, sehr „trekkige“ Botschaft beinhaltet Sarus “Todeskampf”. Saru macht sich zunächst zum Sklaven seiner eigenen, limitierten Denkweise. Er betrachtet die alten Traditionen seiner Heimatwelt als unumstößlich und fügt sich dementsprechend gleichmütig in sein Schicksal. Doch alsbald zeigt sich, dass sein Schicksal eben doch noch nicht in Stein gemeißelt ist. Saru erreicht eine neue Entwicklungsstufe seiner Spezies, weil er über einen Punkt hinausgegangen ist, den noch kein anderer Kelpianer überschritten hat. Man könnte also sagen: „He boldly goes where no Kelpian has gone before…“. Hierin steckt wohl eine der ursprünglichsten Kernbotschaften von „Star Trek“: Erkenne deine (vermeintlichen) Grenzen nicht an! Sei neugierig! Überwinde deine Ängste! Stelle dich dem Unbekannten! Entwickle dich weiter! “Risk is our business!”, würde Captain Kirk sagen.
Ein drittes typisches Star Trek-Motiv findet sich im Handlungsstrang um das Myzelnetzwerk. Dieses ist der Lebensraum einer fremden Spezies, die sich durch Stamets und die Discovery geschädigt fühlt. Nun gut, hier könnte man fragen, warum Stamets diese Lebenswelt stört, die Tardigraden aber nicht. Und man könnte bemängeln, dass sich die Autoren hier die einfachste und vorhersehbarste Lösung für das „Kontinuitätsproblem“ hinsichtlich des Sporenantriebs zu eigen gemacht haben. Sei’s drum. Die Botschaft, die dahintersteckt, ist äußerst aktuell: Der Zweck heiligt nicht die Mittel! Der technische Fortschritt darf nicht zulasten der Natur und anderer Lebewesen gehen!
Das Myzelnetzwerk und der Star Trek-Kanon
Ob diese Erklärung am Ende die Fans wirklich zufriedenstellen wird, muss sich noch zeigen. Die Büchse der Pandora hat man eben schon mit der Einführung des Sporenantriebs in der zweiten Episode der Serie geöffnet. Und die bekommt man wohl auch nie wieder geschlossen. Wenn man bedenkt, wie oft die Föderation in den Jahrzehnten danach noch vor der Vernichtung stehen wird (Borg, Dominion), dann ist es in meinen Augen unwahrscheinlich, dass der Sporenantrieb nach „Discovery“ trotzdem ein strenges Tabu bleiben sollte. Für die im Delta-Quadranten gestrandete Voyager hätten die Bewohner des Myzelnetzwerks womöglich sogar eine Ausnahme gemacht. Und dass nicht wenigstens „Sektion 31“ den Sporenantrieb in Zeiten des Dominion-Krieges aus der Mottenkiste holen würde, kann mir auch niemand erzählen. Der „normalen“ Sternenflotte ist ein gewisses Maß an Selbstbeschränkung sicherlich zuzutrauen. Man denke nur an den „Vertrag von Algeron“ („Das Pegasus-Projekt“) oder an die Episode „Die Raumkatastrophe“. Aber „Sektion 31“ oder der „Maquis“ würden diese Technik jeder Zeit ohne Bedenken einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen. Zudem dürften wohl auch die Geheimdienste der Klingonen und Romulaner die Existenz des Sporenantriebes auf einem Sternenflottenschiff in Erfahrung gebracht haben. Und was ist mit den technisch so fortschrittlichen Borg? Wie gesagt, dieser Erklärungsversuch überzeugt mich nicht wirklich.
Mischung aus Tempo, Sentimentalität und Humor
Was die Umsetzung der Episode angeht, so fällt auf, dass sich temporeiche Szenen mit vielen stillen Momenten abwechseln. Dieses Zusammenspiel verleiht „Charonspfennig“ eine ganz eigene Note, die mir persönlich sehr gut gefallen hat.
Die Spezialeffekte und die Musik sind wie gewohnt großartig. Mit dem „odd couple“ Stamets und Reno hat man der Serie eine Figurenkonstellation hinzugefügt, die in gewisser Weise an die Hassliebe zwischen Spock und McCoy oder auch an Odo und Quark erinnert, wobei Stamets (“Why soar when you can crawl?”) und Reno (“I’m uninsultable, especially by a guy who thinks he can run a ship on mushrooms that I pick off my pizza.”) noch etwas mehr Wortwitz und Bissigkeit haben als ihre prominenten Vorgänger. Hier dürfen wir uns sicher noch auf viele, nette Wortgefechte freuen.
Ohne Logiklöcher kommt leider auch „Charonspfennig“ nicht aus. Die Nahrungsverteiler auf der Enterprise scheinen immer noch offline zu sein oder warum geht „Number One“ sonst schnurstracks in die Messe der Discovery, um sich einen Burger zu replizieren? Das fand ich etwas befremdlich, ebenso wie die Tatsache, dass Captain Pike schon wieder auf Warp beschleunigen lässt, bevor die besagte „Number One“ ihren Burger überhaupt verdrückt haben kann, geschweige denn auf die Enterprise zurückgekehrt ist.
Auch die Erklärung für die spätere Rückkehr der Sternenflotte zur Bildschirmkommunikation ist leider völlig unglaubwürdig. Die Sternenflotte kann durch das Myzelnetzwerk reisen, aber schafft es nicht, eine fehlerfreie Holokommunikation durchzuführen? Da hat wirklich nur noch die Aussage „Die holografische Kommunikation ist für uns alle Neuland…“ gefehlt.
Der Blick in den Spiegel – gesellschaftskritische Aspekte
An dieser Stelle soll wieder darüber nachgedacht werden, welche gesellschaftskritischen Narrative in der jüngsten Star Trek-Episode stecken. Welche offensichtlichen oder versteckten Botschaften transportiert „Charonspfennig“? Welche Denkanstöße können wir ausmachen?
Der Titel dieser Episode basiert auf einem Motiv aus der griechischen Mythologie. Ein „Obol“ – oder auch ein „Charonspfennig“- ist die Münze, die einem Toten in der Antike als Grabbeilage mitgegeben wurde. Der „Charonspfennig“ war ein Tribut für Charon, den Fährmann auf dem Fluss, der die Welten der Lebenden vom Totenreich Hades trennt.
Die Handlungsstränge um das fremde Weltraumlebewesen und Sarus „Vaharai“ spiegeln sich in diesem sehr schönen Episodentitel wider. Es geht einerseits um das Thema „Sterben und Tod“ und andererseits um die Frage, inwiefern festgefahrene „soziale Strukturen“ unsere persönliche und kollektive Entwicklung hemmen können.
Was die Weltraumkreatur angeht, so symbolisiert diese den Wunsch von uns Menschen, unserer Nachwelt etwas zu hinterlassen. Man möchte nicht mit dem Gefühl sterben müssen, dass all das Wissen, das man im Laufe seines Lebens angehäuft hat, mit dem Tod verloren geht. Man möchte seinem Leben einen tieferen Sinn verleihen, sich gewissermaßen “unsterblich” machen. Diesen Wunsch teilt die Kreatur überdies mit Saru, der sich gegenüber Burnham in gleicher Weise äußert.
Sarus Geschichte lehrt ferner, dass an sich nicht einfach gleichgültig in sein Schicksal fügen sollte. Dass es manchmal notwendig sein kann, soziale Strukturen, gesellschaftliche Konventionen, Traditionen und Rollenbilder kritisch zu hinterfragen. Sarus Schicksal ist ein Plädoyer für die Freiheit des Geistes und die Freiheit des Individuums. Schließlich hat die soziale Ordnung auf Kaminar sein Volk um einen weiteren Evolutionsschritt betrogen. Saru hat dies erkannt und nun stellt sich die Frage, ob er diese Erkenntnis seinem Volk tatsächlich vorenthalten kann und will.
Die gesamte Thematik um die Kelpianer und ihre Schlachtung durch die Ba’ul auf Kaminar kann aber auch in gewisse Weise als ein Fingerzeig in Sachen „Fleischkonsum“ betrachtet werden. Letztendlich ist das Leben der Kelpianer ebenso vorherbestimmt und ebenso traurig wie das der Milliarden Tiere, die jährlich weltweit gezüchtet, geschlachtet und anschließend verzehrt, verarbeitet oder manchmal auch nur weggeworfen werden.
Des Weiteren verweist Stamets im Gespräch mit Reno auf Ressourcen-Kriege und die Umweltverschmutzung der Vergangenheit (unsere Gegenwart), die letztendlich aber zu einem Umdenken und einer Energiewende geführt hätten. “Wir sind aufgewacht!”, ist seine Botschaft. Saru wiederum betont den Segen des Asylrechts der Föderation und spielt damit ganz sicher auf die aktuelle Flüchtlingsthematik an.
Alle diese Anspielungen auf unserer Gegenwart sind angenehm diffus und verzichten auf einen belehrenden Ton. Man bietet dem Zuschauer Denkanstöße, gibt aber keinen einseitigen Meinungskorridor vor. Das ist auch ein wohltuender Unterschied zu vielen deutschen Film- und Fernsehproduktionen unserer Zeit, deren Gesellschaftskritik mir oftmals viel zu einseitig und suggestiv daherkommt. Gute Gesellschaftskritik im Fernsehen zeigt sich darin, dass man zum Nachdenken angeregt, nicht aber belehrt wird. Und genau das ist auch eine der größten Stärken von „Star Trek“.
Fazit
„Charonspfennig“ übertrifft das doch eher mittelmäßige Niveau von „New Eden“ (2×02) und „Lichtpunkt“ (2×03) deutlich. Zwar ist auch diese Episode nicht perfekt, nichtsdestotrotz erinnern sowohl die Themen als auch die Inszenierung sehr stark an das klassische „Star Trek“ aus den 90er-Jahren. Ein kleiner Wermutstropfen ist sicherlich, dass der Story-Arc um Spock nicht konsequent weitergeführt wird und wir diesen wohl erst in der Mitte der Staffel zu Gesicht bekommen werden. Dafür werden „alte“ Handlungselemente wieder aufgegriffen, wie zum Beispiel die Problematik mit dem Sporenantrieb oder Sarus kulturelle Prägung („The Brightest Star“ aus „Short Treks“).
Im Hinblick auf die Charakterzeichnung macht „Charospfennig“ allerdings einen enormen Sprung nach vorne. Saru wird durch das Geschehen in dieser Episode nie mehr so sein, wie wir ihn bisher kennengelernt haben. Und Burnham ist sich nun ihrer Gefühle, sowohl in Bezug auf Saru als auch in Bezug auf Spock, deutlich bewusster. Mittelfristig können wir erwarten, dass Saru und Michael ihre Freundschaft intensivieren werden. Es dürfte spannend werden, wie sich diese „Bruder-Schwester-Beziehung“ auf ihr Dienstverhältnis auswirken wird.
Auch auf das Maschinenraum-Triumvirat Stamets-Tilly-Reno dürfen wir uns freuen. Hier sind bissige Wortgefechte mit humoristischem Unterton garantiert.
Unter dem Strich bleibt demnach eine schöne Episode mit vielen Stärken und nur einigen wenigen Schwächen. Für die Bestnote reicht es zwar noch nicht, aber ein „gutes“ Zeugnis ist der Episode sicher.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 3 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 5 max=”6″] |
Spannung | [usr 5 max=”6″] |
Action/Effekte | [usr 5 max=”6″] |
Humor | [usr 4 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 4 max=”6″] |
Gesamt | [usr 5 max=”6″] |
Episoden-Infos
Originaltitel | An Obol for Charon |
Deutscher Titel | Charonspfennig |
Erstausstrahlung USA (CBS All Access) | Donnerstag, 7. Februar 2019 |
Erstausstrahlung Deutschland (Netflix) | Freitag, 8. Februar 2019 |
Story | Jordon Nardino, Gretchen J. Berg, Aaron Harberts |
Drehbuch | Alan McElroy, Andrew Colville |
Regie | Lee Rose |
Laufzeit | 52 Minuten |