Die streikende Hollywood-Gewerkschaft hat mehrere Strategien, um ihre Forderungen (Mindestlohn, generelle Zahlungsmoral, KI-Regulierung, …) durchzusetzen. Der Streik an sich ist die offensichtliche Taktik. Eine weitere Strategie sind die “Interimsvereinbarungen”, die Ausnahmefälle regeln. Sie werden scharf kritisiert. In der Absicht, der Filmindustrie humane Normen aufzuzwingen, könnten sie erfolgreich sein.
Rückblick
Von Mai bis September 2023 streikten die Hollywood-Autor:innen, seit Juli auch viele andere kreative Leute Hollywoods. Die großen Studios und Streamingdienste einigten sich kürzlich mit der US-Schreibgewerkschaft auf ein Streik-Ende. Doch die Mitglieder der US-Gewerkschaft für darstellende Künste setzen ihren eigenen Streik fort. Die meisten Hollywoodproduktionen stehen still, auch alle “Star Trek”-Projekte. Nicht betroffen sind Produktionen aus dem Genre Zeichentrick und Animation.
Neue Ausnahmen
Heute bzw. gestern (Stichwort Zeitzonen) veröffentlichte die streikende Gewerkschaft für darstellende Künste (Schauspiel, Tanz, Stunt, Makeup-Artists, TV/Radio-Redaktionen…) eine Liste mit unabhängigen Filmprojekten, für die der Streik eine Ausnahme macht. Die Liste ist lang. All diese Produktionen sind einen Vertrag mit der Gewerkschaft eingegangen, der “Interimsvereinbarung” heißt. Mitglieder der streikenden Gewerkschaft dürfen aber dennoch nicht an diesen Produktionen mitwirken.
Nur einige Projekte
Wer einen geplanten Film wegen des Streiks auf Eis liegen hatte und nun hofft, mit einer solchen Ausnahmeregel die Produktion fortsetzen zu können, darf in vielen Fällen für Cast & Crew keine Mitglieder der streikenden Gewerkschaft einstellen; das ist selbst bei europäischen Projekten oft eine große Anzahl an Berufstätigen. Beispielsweise sind normalerweise sehr viele britische Filmprojekte mit Mitgliedern der streikenden US-Gewerkschaft besetzt. Internationale Schauspieler:innen, die jemals in US-Film- oder Serienproduktionen mitwirkten, mussten vorher dieser US-Gewerkschaft beitreten. Sie alle müssen streiken oder die Gewerkschaft verlassen. Wer die Gewerkschaft verlässt, wird als unsolidarisch vermerkt und wird es schwer haben, jemals wieder eintreten zu können; in anderen Worten: jemals wieder in Hollywood arbeiten zu können. Doch, wie gesagt, nun gibt es Ausnahmen.
“Interimsvereinbarung”
Die Interimsvereinbarungen fördern Unmut unter der Streikenden, denen Einigkeit und Solidarität sehr wichtig ist und sich diesem Anspruch voll hingegeben haben. Dass manche Produktionen nun dann doch weiterfilmen dürfen, wird mit Sorge beobachtet. “Korruption in der Gewerkschaftsleitung” ist eine Unterstellung, die in den Kommentarspalten unter Medienberichten zu lesen ist. Unserer Ansicht handelt es sich bei den Interimsvereinbarungen um eine bedeutsame Strategie, der man Glück wünschen sollte.
Eine Interimsvereinbarung gilt nur für Produktionen, die für jene Medien filmen, die nicht bestreikt werden: Es betrifft also nur unabhängige Projekte, die eben nicht Vertragspartner der bestreikten US-Studios/Streamer sind (nicht Disney, nicht Netflix, nicht Paramount, usw.). Und diese unabhängigen Filmprojekte müssen den strengen Gewerkschaftsbedingungen erst zustimmen, bevor sie für die Interimsvereinbarung infrage kommen.
Die Interimsvereinbarungen sind also eine Strategie der Gewerkschaft, um weltweit mehr und mehr Produktionen dazu bewegen, die erstrebte neue Vertragsnorm durchzusetzen: Mindestzahl an Mitwirkenden, Mindestlöhne, KI-Regelungen und so weiter.
Gründe
Die Interimsvereinbarungen sollen vor allen Dingen Filmschaffende unterstützen, die auf mehreren Kontinenten arbeiten und ihren Lohn per Hin-und-her-reisen erarbeiten. Für sie wurden diese Ausnahmen geschaffen. In den wenigsten Fällen besteht ein Cast nur aus Schauspieler:innen dieser Art. Soll heißen, für viele betreffende Produktionen bedeutet dies die Erwägung, die Besetzung (zum Teil) neu zu casten, was oft vertraglich gar nicht möglich ist. Nicht jede Ausnahmeproduktion kann also den Dreh wieder aufnehmen. Aber Arbeiten der sog. Vor- und Nachproduktion werden für einige wieder möglich, ohne Streikbruch zu begehen.
Die Liste
Die vollständige Liste steht als PDF auf der Webseite der US-Gewerkschaft für darstellende Künste (auch “SAG-AFTRA” genannt) online. Folgt diesem Link, um das 21-seitige Dokument einzusehen. Preview der ersten Seite: