Gefangen in einem Quantenwahrscheinlichkeitsfeld, legt die Crew der Enterprise in Songs ungewollt ihre Gefühle offen.
Eine Gastrezension von Jessica Schreiber. Achtung, SPOILER!
Where’s that music coming from?
Die Enterprise trifft auf eine natürliche Subraumspalte, die sie, so glauben zumindest Spock und Uhura, zur Langstreckenkommunikation nutzen können. Doch das Experiment geht schief und öffnet ein Quantenwahrscheinlichkeitsfeld, in dem die Regeln eines Musicals gelten. Wann immer also jemandes Emotionen hochkochen, beginnt er zu singen – und legt dabei seine intimsten Geheimnisse offen.
Der Versuch, die Spalte wieder zu schließen, führt lediglich dazu, dass sich das Feld weiter ausdehnt, und zwar nicht nur auf Schiffe der Föderation, sondern auch auf die der Klingonen. Die wollen die Subraumspalte deshalb kurzerhand zerstören.
Eine der besten Musical-Folgen überhaupt
Die Kurzfassung lautet: Ich liebe, liebe, liebe diese Folge! Meine Einstellung zu Musical-Episoden ist generell eher indifferent, es gibt wahrlich genauso viele gute wie schlechte Beispiele. Aber eine Portion Nonsens gehört seit jeher zu “Star Trek” dazu, und eigentlich bin ich überrascht, dass man das Experiment nicht schon viel früher gewagt hat. (Andererseits, wenn es immer gleich um das Ende des gesamten Universums geht, bleibt natürlich wenig Zeit für Gesangseinlagen.)
Dennoch war zu erwarten, dass die “Subspace Rhapsody” die Fans spalten würde. Und es ist ganz amüsant, dass bei der IMDb-Wertung zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig im Mittelfeld passiert. Es gibt die 10, 9 oder auch 8 Sterne … und eine Menge Leute, die nur 1 Stern vergeben haben.
Sei’s drum, in meinen Augen gelingt der Spagat zwischen reiner Spaßfolge und ernsthafter Charakterentwicklung herausragend. Das könnte sogar meine bisher liebste Folge der Serie sein. (Da, ich hab’s gesagt.)
Das Musical-Element erfüllt einen Zweck
Tatsächlich gehört es heute für jede erfolgreiche Serie schon fast zum guten Ton, mindestens einmal eine Musical-Episode zu produzieren. (Wenn ich mich recht erinnere, hatte “The Magicians” seinerzeit sogar drei.) Als Auslöser des ganzen Hypes und fraglos immer noch beste Umsetzung des Konzepts muss sich indes jeder neue Versuch an der “Buffy”-Folge “Once more with Feeling” messen lassen. Eine Folge, die die Songs eben nicht nur dazu nutzte, den Fans mit einem Soundtrack Geld aus der Hüfte zu leiern (wir haben es trotzdem gerne dafür ausgegeben), sondern zugleich einen Wendepunkt in der Geschichte darstellte.
Und das ist es auch, was “Subspace Rhapsody” für mich zu einer so guten Folge macht. Trotz aller Albernheit, die keineswegs verneint wird, bleibt sich die Serie im Kern treu und nimmt ihre Figuren ernst. Beziehungen, die im Laufe der Staffel aufgebaut oder vertieft wurden, rücken nun in den Vordergrund. Und das auf eine Weise, wie das ohne das Musical-Element nicht möglich wäre. Die Songs sind kein bloßer Selbstzweck, sondern bringen die Erzählung voran, weil sie die Protagonisten zwingen, Wahrheiten zu singen, die sie sonst nie laut aussprechen würden.
Kein Happy End für die Liebe
Am offensichtlichsten und auch tragischsten ist das bei Spock und Chapel. Auch deshalb, weil wir eigentlich nichts von dieser Beziehung gesehen haben, nachdem sie so lange vorbereitet wurde. Aber das ist wohl die Lektion daraus: Sie hatten beide zu unterschiedliche Vorstellungen davon, was das zwischen ihnen ist oder sein könnte. (Im Grunde wurde das schon angedeutet, als Chapel sich weigerte, es irgendwie zu definieren.) Es passiert in Serien selten genug, dass sich eine Frau für die Karriere statt für die Liebe entscheidet. Aber wie sie Spock einfach aus ihrer Gleichung herausstreicht, das ist schon sehr herzlos.
Die Liebelei zwischen La’an und Kirk hingegen wird direkt im Keim erstickt. Und obwohl ich ein kleines bisschen enttäuscht bin, ist das auf lange Sicht sicher die bessere Entscheidung. Wenn man bedenkt, was Kirks Zukunft noch so bereithält, ist eine Beziehung mit einer Nachfahrin von Khan Noonien-Singh das Letzte, was er braucht. Es geht ohnehin mehr darum, dass La’an lernt, sich jemandem zu öffnen, selbst wenn es zu nichts führt. Sie muss die Last ihrer Gefühle nicht allein tragen und die Ablehnung bringt sie auch nicht um. Das sind zwei enorm wichtige Lektionen.
Weniger dramatisch ist die kleine Meinungsverschiedenheit zwischen Pike und Batel über das Ziel ihres gemeinsamen Urlaubs. Das ist nur passend, in dem Alter ist so was nicht gleich ein Grund zur Trennung und ihr ganz und gar nicht privater Streit entsprechend harmlos. (Nicht zu vergessen äußerst amüsant, vor allem, wenn Pike noch theatralisch vor dem Bildschirm kniet, als La’an die Verbindung unterbricht.) Die beiden sind auch das einzige Paar, das in dieser Folge so etwas wie ein Happy End bekommt. Wobei ich das gerne mit einem Fragezeichen versehen möchte, denn ich hab da eine ganz böse Vorahnung bezüglich Staffelfinale.
Subspace Notes
- Schön, dass das große Vorbild “Buffy” eine liebevolle Erwähnung erfährt, als La’an die Befürchtung äußert, sie könnten sich als Nächstes in Kaninchen verwandeln. Und das “improbability field” hier in “Strange New Worlds” (2×09) erinnerte auch nicht nur zufällig an den “infinite improbability drive” aus dem “Hitchhiker’s Guide to the Galaxy”, oder?
- Der Blick, den sich Chapel und M’Benga zuwerfen, als Una “the secrets you keep safe inside might keep you awake and cut like a knife” singt. Eines von vielen wundervollen Details in der Folge.
- Nicht, dass ich ihn erkannt hätte, aber der Captain der Boygroup-Klingonen wird von niemand Geringerem als Bruce Horak gespielt. Außerdem: Wer hätte gedacht, dass das K in K-Pop für Klingonen steht? Völlig daneben, aber so genial.
- Ich mochte auch, wie am Ende fast nebenbei erwähnt wird, dass Spock für den Frieden mal wieder mit den Klingonen Blutwein trinken musste, woraufhin er leicht schwankend die Brücke betritt.
“[…]dass bei der IMDb-Wertung zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig im Mittelfeld passiert. Es gibt die 10, 9 oder auch 8 Sterne … und eine Menge Leute, die nur 1 Stern vergeben haben.” Ja, danke für den Hinweis! Überwältigend viele vergeben hier 10 Sterne. 10 Sterne ist eine Note, die bei mir der Eins mit Stern entspricht. Entsprechend selten vergebe ich 10 Sterne, denn dafür muss einfach alles stimmen! Kamera, Drehbuch, Regie und vor allem das Schauspiel; falls relevant natürlich auch der Score. Zählt man die Stimmen zusammen, die von 1 – 3 Sternen benotet haben, wobei für mich die 1 immer… Weiterlesen »
Ich mag Musicals nicht, daher mach ich zwei Sterne Abzug, und meckere nebenbei, das andere ihr “Gefühl” zum Bewerten heranziehen (mache aber natürlich genau das gleiche, weil “Ich mag Musicals nicht”, oder “ich will das halt nicht sehen” sind auch nur ein Gefühle 😉 ) Gut die Story war nicht der Knaller, es war wieder mal ein Nebel, wieder mal stochert man darin herum, wieder geht etwas schief. Kirk war wieder komplett unnötig und muss einfach mit dem Brecheisen in die Story hineingeschrieben werden. Warum die Beziehung zwischen Chapel und Spock beendet werden muss bleibt auch unklar, weil … Fernbeziehung?… Weiterlesen »
Ich mag Musicals nicht, daher mach ich zwei Sterne Abzug, und meckere nebenbei, das andere ihr “Gefühl” zum Bewerten heranziehen (mache aber natürlich genau das gleiche, weil “Ich mag Musicals nicht”, oder “ich will das halt nicht sehen” sind auch nur ein Gefühle ) Halt, Stop! Das hatte ich aber anders begründet!! Und das mit dem Gefühl bezog sich auf die 10er-Bewertungen mit entsprechend entlarvenden Rezensionstexten. Mindestens 3-4 Punkte muss man hier objektiv vergeben. Phantasielos zwar, aber ganz solide. Mehr oder weniger “objektiv” kam ich ja gemittelt auf 3,4 Sterne. Den Sternabzug gab es ja, weil ich Musical-Folgen ganz generell… Weiterlesen »
Vielleicht bin ich da voreingenommen, da ich Musicals grundsätzlich nicht mag. Wenn ich Science Fiction sehen will, will ich auch SF bekommen. Wenn ich ein anderes Genre sehen will, will ich das.
Ja ja, sie konnten gut singen und die Crew hatte sichtlich Spaß an dem Klamauk.
Für mich – nicht inhaltlich – eine der schlimmsten Folgen der Serie.
Ernstgemeinte Frage:
Haben dich dann z.B. die ganzen Holodeck-Folgen bei Voyager, DS9 und auch TNG dann auch gestört? Die gingen ja meistens auch eher in komplett andere Richtungen als Sci-Fi
Auch wenn die Frage nicht an mich ging, würde ich gerne eine kurze Antwort für mich geben. Jein. Wenn es Episoden waren, die sich mit den Charakteren und deren Entwicklung beschäftigt haben, konnte ich diese durchaus auch genießen, manche waren doof, manche lustig, viele davon Kategorie Füllfolge, einige waren Vehikel für sozialkritische Themen. Bei den Trek-Serien handelt es sich ja nur vordergründig um Sci-Fi, unter der Haube waren es damals gesellschaftskritische Ensemble-Dramen, da haben die Holodeck-Folgen schon ihren Platz gehabt, obwohl es schon auch ein wenig lazy writing war und sich viele der Botschaften auch anders hätten verpacken lassen. Ich… Weiterlesen »
Beiträge Filter Dominion Captain Dominion Dabei seit: 03.02.2002 Beiträge: 5926 #1 SNW [019] “Subspace Rhapsody” 03.08.2023, 20:22 Die Musical-Folge von Star Trek ! Ein Phänomen lässt alle Crewmitglieder und Umgebung singen… Viele hatten Angst vor der Folge, einige fanden die Musical-Episode besser als sie dachten. Ich für meinen Teil hatte mich tierisch auf diese Folge gefreut, weil ich dachte, das eine solche Episode mega Lustig werden könnte. Doch leider war die Folge aus meiner Sicht schlechter als Erwartet, aber auch kein Totalausfall, aber eben auch kein großer Hit. Aber wie komme ich darauf ? Nun die Prämise das ein Phänomen,… Weiterlesen »
ob man die folge nun mag oder nicht (ich mag sie) unbestreitbar ist die mühe die sich hier gegeben wurde. selten wurde charakterentwicklung, texte, emotion so transportiert. und verdammt, die können singen
Ich wurde vom absoluten Skeptiker zum Fan dieser Episode. Angekündigt war es ja schon, und etwas widerwillig habe ich es mir angesehen. Und wurde eines besseren belehrt. Die Musical Episode funktioniert nicht nur, sie ist sogar genial. Das liegt zu einem grossen Teil auch daran, dass die Schauspieler zum grossen Teil hervorragend singen können, und damit das Erlebnis episch machen.
Star Trek hat mal wieder Neuland betreten, mit dem nicht alle was anfangen können, die aber eindeutig einen weiteren Meilenstein der Star Trek Geschichte darstellt.
Durch und durch zum Fremdschämen. Was für ein niedriges Niveau hat Star Trek wieder erreicht.
Danke für eine so positive Rezension. Ich empfinde die Folge auch als sehr gut, habe sie schon dreimal gesehen – und das ist selten.
Die Musik ist viel besser, als ich das davor gedacht hätte. Die Texte, sie sprechen einem oft irgendwie selber aus dem Herzen und man kann die Gefühle der Figuren nachvollziehen. Auch den Mut, den La’an benötigt, um Kirk ihre Gefühle mitzuteilen können besonders introvertierte Menschen nachvollziehen.
Ich liebe diese Folge und ich liebe die Musik darin. Die Feinheiten, die Charakterentwicklung und alles, super!
Die Tanzeinlagen waren eher mau, bis auf die Enterprise mit den Warbirds. Aber das ist das Einzige und wenn man sich genau anschaut, was die Folge transportieren will auch das Unwichtigste.
Ich war unglaublich skeptisch, auch wenn ich Musicals mag. Aber schon das erste Lied hat mich voll abgeholt. Seitdem habe auch ich – Zitat Uhura – an Earworm. Und das bei mehreren Liedern.