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Rezension: Star Trek: Strange New Worlds 2×06 – “Lost in Translation” / “Wo Worte fehlen”

Folge 6 der aktuellen Staffel setzt auf eine Kombination aus Charakter-Dynamiken und Horror-Elementen. Lest hier unsere erste SPOILER-Rezension.

Lost in Translation

Eine Task Force der Sternenflotte unter Führung der Enterprise soll eine im Bannon-Nebel errichtete Deuterium-Sammelstation reparieren. Die vermeintliche Routine-Mission nimmt eine dramatische Wendung, als Ensign Uhura (Celia Rose Gooding) und Lieutenant Ramon (Michael Reventar) seltsame Halluzinationen durchleben. Ramon sabotiert zunächst die Station und anschließend auch eine der Warpgondeln der Enterprise, wodurch er sein Leben verliert. Was ist nur in ihn gefahren? Und droht Uhura nun das gleiche Schicksal?

Tatkräftig unterstützt von Lieutenant James T. Kirk (Paul Wesley) von der Farragut findet die junge Kommunikationsoffizierin weniger später heraus, dass ihre Halluzinationen eine Form von Kommunikation darstellen. Doch die Botschaft der Fremden, die in der halluzinativen Übersetzung verloren gegangen ist, muss erst noch entschlüsselt werden…

Lost in Quantity

Schon die Rückblende zu Beginn macht deutlich, dass sich “Lost in Translation” als Sammelstelle für mehrere angefangene Charakter-Plots der Serie versteht. Und leider muss man sagen, dass sich die Episode damit ein wenig übernimmt. Denn die 54 Minuten sind vollgepackt mit mehreren verschiedenen Figurenkonstellationen und deren großen und kleinen Wehwehchen:

Uhura hat ihre Verlustangst noch immer nicht im Griff. La’an (Christina Chong) pendelt zwischen Liebeskummer und Eifersucht. Spock (Ethan Peck) und Chapel (Jess Bush) spielen nicht nur Schach, sondern auch Verstecken, was ihre Liebesbeziehung angeht. Derweil kabbelt sich Una (Rebecca Romijn) mit Pelia (Carol Kane) über Nichtigkeiten. Und die Gebrüder Kirk hadern mit ihrem fordernden Vater und dem Geschwisterwettstreit, den er schon früh zwischen den beiden gesät hat. Als obligatorische Nostalgie-Dosis gibt‘s dann auch noch die chronologisch erste Begegnung von James T. Kirk und Mr. Spock samt Handshake. Diese fällt aber überraschend unspektakulär aus, vor allem im Vergleich zu “Star Trek” von 2009.

Während sowohl das Kirk/Uhura-Team-up als auch der Brüderzwist durchaus Früchte tragen, läuft der Konflikt zwischen Number One und der Lanthanitin weitestgehend ins Leere. Viel zu oberflächlich und viel zu konstruiert, als dass man hier von einer nennenswerten Charakterentwicklung sprechen könnte. Die Pointe, dass Pelia steinalt ist, hat sich auch langsam etwas abgenutzt. Leider scheint hier aber auch nicht viel mehr zu kommen.

Eine weitere Enttäuschung ist der Umstand, dass Sicherheitschefin (!) La’an Noonien-Singh bei (Prime-)Kirks erstem Besuch auf der Enterprise weitestgehend außenvor bleibt. Im Hinblick auf “Tomorrow and Tomorrow and Tomorrow” und vor dem Hintergrund der angespannten Sicherheitslage auf dem Schiff ist das in meinen Augen eine eher zweifelhafte Kreativentscheidung der beiden Autoren Onitra Johnson und David Reed. Deren Drehbuch weist aber auch noch andere Logikprobleme und handwerkliche Fehler auf, darunter seltsame Figurenkonstellationen, atypisches Charakterverhalten und Wendepunkte, die im Schnelldurchgang abgewickelt werden.

Captain Pike (Anson Mount) zum Beispiel kommt mir die gesamte Episode über unangemessen passiv und sogar etwas naiv vor. Und der leitende Wissenschaftsoffizier Spock hängt lieber in der Bar rum und überlässt stattdessen Sam Kirk (Dan Jeannotte) die wichtige Aufgabe, Uhuras Halluzinationen zu untersuchen. Dabei wäre Spock mit seinen telepathischen Fähigkeiten doch geradezu prädestiniert dafür, Stichwort: Gedankenverschmelzung. Zwar versucht man diesen Umstand auch zu begründen, doch Spocks vermeintliche Logik überzeugt mich hier keinesfalls, ist sie doch lediglich den fragwürdigen Prämissen des Drehbuchs geschuldet.

Und auch Jim Kirks Anwesenheit auf der Enterprise wirkt etwas erzwungen, auch wenn die Chemie zwischen ihm und Uhura ähnlich überzeugend rüberkommt wie die mit La’an vor wenigen Wochen. Kirk als Uhuras persönlicher Counselor? Naja…

Handwerklich grauenhaft umgesetzt ist derweil der wichtigste Wendepunkt in der Handlung, nämlich als Uhura, Jim und Sam herausfinden, dass die Halluzinationen eigentlich die Kommunikationsversuche einer fremden Lebensform sind. Uhuras hermeneutische Fähigkeiten sind hier schon mehr als erstaunlich. Ihre überaus präzise Traumdeutung gelingt jedenfalls gleich beim ersten Versuch (!) und fällt somit in die Kategorie Lazy Writing.

Lost in Repetition

Überhaupt ist die Haupthandlung von “Lost in Translation” kaum mehr als Durchschnittskost. Und das ist besonders enttäuschend, denn die Zutaten des Drehbuchs – Mystery, Horror und Charaktermomente – hätten doch so viel mehr ermöglicht.

Beim Angucken der neuesten Folge von “Strange New Worlds” erlebe ich nahezu wöchentlich ein Déjà-vu: Die ersten Minuten holen mich total ab, sodass ich mir schon die Hände reibe, endlich mal eine Rezension mit mindestens einer 4-Sterne-Wertung schreiben zu können. Auch Zombie-Hemmer verfehlt seine Wirkung in den Anfangsminuten keinesfalls, wodurch das Kopfkino so richtig Fahrt aufnimmt: Auferstehung als Monster? Oder ist er gar nicht gestorben? Was wird uns hier wohl erwarten? Die Gorn? Spannung pur!

Doch spätestens ab der Episodenmitte stellt sich dann leider doch wieder das Gefühl ein, das alles in leicht anderer Form schon mindestens einmal in einer anderen Trek-Serie gesehen zu haben. Und ziemlich genau erahnen zu können, wie es nun weitergehen dürfte. Massiver Spannungsabfall inklusive.

“Star Trek” hat nämlich schon recht häufig Geschichten über (vermeintliche) Halluzinationen und Aliens erzählt, die mittels Telepathie oder Träume kommunizieren. Und auch die Erzählung, dass die Technologie respektive die Forschungstätigkeiten der Sternenflotte ungewollten Schaden anrichten, ist gewiss nicht neu.

“Lost in Translation” macht sich leider gar nicht erst die Mühe, angesichts dieser breiten Vergleichsbasis eine Geschichte mit Haken und Ösen zu erzählen. Die Folge bleibt stattdessen beim üblichen Schema F. Keine Experimente lautet die ernüchternde Devise.

“Strange New Worlds” – lost in repetition…

Es gelingt dieser Serie einfach viel zu selten, auch Langzeit-Trekkies wie mich mal so richtig zu überraschen – allen voran was den Ausgang der jeweiligen Story angeht. Das liegt einerseits am Fehlen neuer Ideen, andererseits aber auch an dem oben bereits monierten Lazy Writing. Dabei böte das Prequel-Konzept meines Erachtens genügend Ansatzpunkte für spannende Geschichten. Nur fehlt hierzu scheinbar (noch) der Mut. Oder vielleicht auch doch die Kreativität?

Denn bedauerlicherweise zeigt auch “Strange New Worlds” bisher noch kein erkennbares Interesse an wirklich großen Science-Fiction-Themen. Vielmehr fokussiert sich auch diese Serie – ebenso wie die beiden anderen modernen Live-Action-Serien – lieber auf Einzelschicksale. Und auf die Gefühlslagen ihrer Charaktere.

Überdies wiederholen sich auch die Kernthemen. Schon wieder geht es in dieser Folge um Trauerbewältigung, Verlustschmerz und Versagensängste. Aber genau diese Themen werden doch schon seit Jahren ständig durchgekaut – ob in “Discovery” (Tilly in Season 3), in “Picard” (Rios in Staffel 1, Riker in Staffel 3) oder eben in “Strange New Worlds” (Uhura in Staffel 1).

Schön, wenn sich “Star Trek” den Fragen des Menschseins zuwendet. Aber doch bitte nicht ständig dieselbe Leier!

Meine Hoffnung, die Serie werde sich wieder mehr auf Entdeckergeist und Wissenschaftsaffinität fokussieren, wurde bisher leider nur in geringem Maße erfüllt. Denn auch “Lost in Translation” bringt diesbezüglich keinen Befreiungsschlag. Man dreht sich inhaltlich doch ein wenig im Kreis.

Starke Inszenierung

Der brettstarken Inszenierung von Regisseur Dan Liu ist es indes zu verdanken, dass die Episode trotz Figuren-Wirrwarr und unnötiger Bruchstellen im Drehbuch über weite Strecken dennoch ganz gut unterhält. Optisch hat “Lost in Translation” einiges zu bieten, darunter auch einige kreative Kamerafahrten und Einstellungen. Mit einer einfallsreicheren Story und einem stringenteren Drehbuch hätte die Folge womöglich ein einprägsamer Klassiker wie “Night Terrors” oder “Genesis” (TNG 7×19) werden können. Aber leider klaffen die Qualitäten von Drehbuch und Inszenierung mal wieder weit auseinander.

Ein weiterer Lichtblick der Folge sind die Schauspielerleistungen. Hier ist zuvorderst Celia Rose Gooding zu nennen, die ohne jeden Zweifel auch schon mit 23 Jahren die schauspielerische Klasse besitzt, um eine ganze Uhura-Folge zu tragen.

Lob gebührt aber auch Paul Wesley, dem es in “Lost in Translation” gelingt, Kirks Charaktereigenschaft als Menschenfänger glaubhaft zu transportieren. Auch wenn ich Wesley ob seiner fehlenden Ähnlichkeit mit William Shatner und aufgrund seiner (gelegentlich) übertriebenen Mimik weiterhin nicht für die Idealbesetzung der Rolle des jungen (!) James T. Kirk halte, hat er mir bei seinem dritten Gastspiel schon deutlich besser gefallen.

Rezension: Star Trek: Strange New Worlds 2x06 - "Lost in Translation" / "Wo Worte fehlen" 11
“Star Trek: Strange New Worlds” © Paramount, 2023

Bewertungsübersicht

Handlung
Dramaturgie
Dialoge
Anspruch
Atmosphäre

Fazit

“Lost in Translation” hat auf der Charakter-Ebene zu viele Ambitionen und auf der Science-Fiction-Ebene leider überhaupt keine. Vielmehr begnügt sich die Folge damit, alten "Star Trek"-Erzählstoff mit einer großen Portion Melodramatik und einer kleinen Prise Mystery-Horror lauwarm aufzuwärmen. Das reicht dann auch für 54 Minuten kurzweilige Serienunterhaltung. Höher scheinen die Ansprüche der Serie aber wohl auch nicht zu liegen.
Deutscher TitelWo Worte fehlen
OriginaltitelLost in Translation
SerieStrange New Worlds
Staffel2
Episodennummer6
Produktionsnummer16
RegisseurDan Liu
DrehbuchOnitra Johnson & David Reed
GastdarstellerPaul Wesley (Lt. James T. Kirk), Bruce Horak (Hemmer), Carol Kane (Pelia), Dan Jeannotte (Sam Kirk), Michael Reventar (Lt. Saul Ramon)
US-Erstausstrahlung20.07. 2023
DE-Erstausstrahlung20.07. 2023
Sternzeit / Missionsdatum2259
Dauer54
Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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“Lost in Translation” hat auf der Charakter-Ebene zu viele Ambitionen und auf der Science-Fiction-Ebene leider überhaupt keine. Vielmehr begnügt sich die Folge damit, alten "Star Trek"-Erzählstoff mit einer großen Portion Melodramatik und einer kleinen Prise Mystery-Horror lauwarm aufzuwärmen. Das reicht dann auch für 54 Minuten kurzweilige Serienunterhaltung. Höher scheinen die Ansprüche der Serie aber wohl auch nicht zu liegen. Rezension: Star Trek: Strange New Worlds 2x06 - "Lost in Translation" / "Wo Worte fehlen"
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