“Strange New Worlds” schickt Uhura auf einen wilden Trip voller Halluzinationen und einem unerwarteten Begleiter. Ob das Drehbuch bei der Übersetzung auf die Mattscheibe nichts verliert, verrät unsere spoilerfreie Kurzrezension.
Was meinen wir mit “spoilerfrei”?
Es gibt sehr unterschiedliche Auffassungen dazu, was “spoilerfrei” bedeutet. Damit ihr selbst entscheiden könnt, ob ihr die Rezension vorab lesen möchtet, machen wir hier transparent, was wir darunter verstehen:
- Wir verraten keine wichtigen und unerwarteten Wendungen der Handlung bzw. Informationen über die fiktiven Welt und ihre Figuren.
- Was im Vorfeld durch Vorschauclips und Trailer gezeigt wird, ist kein Spoiler.
- Was im Cold Open (vor dem Vorspann) bzw. im ersten Akt (bei Episoden ohne Cold Open) passiert, ist kein Spoiler.
- Handwerklichen Aspekte (Schauspiel, Drehbuch, Bühnenbild, Soundtrack, Spezialeffekte) sind keine Spoiler, sofern sie nichts Wichtiges über die Handlung verraten.
Eine Reihe eher merkwürdiger Handlungskonstruktionen sorgt dafür, dass Paul Wesleys James T. Kirk wieder einmal eine von zwei Hauptrollen in einer Folge von “Strange New Worlds” spielt.
Lost In Translation
“Lost in Translation” stammt aus den Federn von Onitra Johnson und David Reed. Während Enterprise und Farragut eine neu errichtete Deuterium-Sammelstation der Föderation reparieren und in Betrieb nehmen, beginnt Uhura Geräusche zu hören, die sonst niemand wahrnehmen kann. Bald kommen Halluzinationen vom verstorbenen Chefingenieur Hemmer dazu. Während der Rest der Crew glaubt, dass Uhura an den Folgen einer milden Deuteriumvergiftung und chronischer Überbelastung leide, findet sie im ersten Offizier der Farragut, James T. Kirk, einen unerwarteten Partner, der mit ihr der Sache auf den Grund gehen möchte.
Abstrakt gesehen haben wir es mit einer klassischen “Star Trek”-Folge zu tun, die viele vielversprechende Zutaten hat. Die technischen Probleme auf der Station und Uhuras Halluzinationen sind zwei eng miteinander verwobene Teile desselben Mysteriums. Parallel wird durch die Visionen von Hemmer die Frage von angemessener Trauerbewältigung in mehreren großen und kleinen Charakterbögen diskutiert. Schließlich lernen wir auch mehr über den Konflikt zwischen den beiden Kirk-Brüdern und am Rande etwas über die andauernde Affäre zwischen Chapel und Spock.
Wer jetzt einwenden möchte, dass das ganz schön viel Holz für eine knappe Stunde Fernsehen ist, hat völlig recht. “Lost In Translation” scheitert wie viele Folgen “Strange New Worlds” an einer ärgerlichen Unfokussiertheit. Es fehlt sowohl ein thematischer als auch ein emotionaler roter Faden, der das Sammelsurium von Geschichten und Geschichtchen zu einem Gesamtwerk verbindet. Wenn man doch so viel zu erzählen hat, und nichts liegen lassen kann, warum filmt man nicht einfach mehr als zehn Folgen pro Staffel?
Kirk steht neben Uhura im Mittelpunkt des Geschehens – das erste Mal nicht als Cameo oder Version aus einer alternativen Realität. Man fragt sich unwillkürlich: Warum? Viele Figuren des Hauptbesetzung sind immer noch praktisch unbekannte. Insbesondere Melissa Navi dürfte sich inzwischen fragen, ob jemand ihren Charakter vergessen hat. Die Zusammenarbeit mit Uhura wirkt extrem konstruiert.
Den Todesstoß versetzt das Drehbuch der Folge, indem es die Protagonist:innen in einem extrem vorhersehbaren Plot dümmer agieren lässt, als wir sie kennengelernt haben. Dass Uhuras Symptome von allen engen Arbeitskolleg:innen als Stress abgeschrieben werden und der unbekannte Kirk in die Bresche springen muss, strapaziert die Glaubwürdigkeit der Figuren. Dasselbe gilt für einen Konflikt zwischen Nummer Eins und Pelia, und die Tatsache, dass offenbar niemand 1 und 1 zusammenzählen kann. Die Auflösung der Episode ist aufgrund der Indizienlage nach 22 Minuten ziemlich eindeutig. Die Crew der Enterprise braucht bis zur ersten brauchbaren Theorie doppelt so lange.
Vielleicht sollte ich einfach froh sein, dass es noch Episoden gibt, die ausreichend logische Zusammenhänge respektieren, um solche fruchtbaren Spekulationen anstellen zu können. Dieses Mindestmaß an Kohärenz empfand ich als sehr wohltuend, auch wenn ich die Motivationen und Gefühlswallungen einiger Figuren nicht nachvollziehen konnte.
Ebenfalls auf der Habenseite der Folge verbuche ich, dass sie sich weitgehend auf dem selbst etablieren Teil des “Star Trek”-Kanons stützt. Insbesondere das wiederholte Auftauchen von Kirk wäre die Steilvorlage für billige Nostalgiefischerei gewesen. Und ja, wir bekommen eine Art Neuaufführung des Treffens zwischen Kirk und Uhura an einer Bar, die mit unserer Erinnerung an eine ähnliche Szene aus dem “2009”er “Star Trek” spielt. Und ja, es gibt eine erste Begegnungsszene zwischen Spock und Kirk. Aber, und das ist ein wichtiges Aber, die Figuren und ihre Beziehungen stützen sich vorwiegend auf das, was wir in “Strange New Worlds” über sie erfahren haben, nicht “TOS” oder die Kelvin-Filme.
Zudem ist auf rein handwerklichen Seite “Lost In Translation” wieder einmal eine runde Sache. Die Schiffsmesse sieht großartig aus, und das erste Mal seit “Eye of the Beholder” aus “The Next Generation” steigen wir wieder einmal in den Gondelkontrollraum. Der sieht klasse aus, genauso wie die Deuteriumsammelstation und der Protosternennebel in dem sie sich befindet. Das Sound Design weckt zudem Erinnerungen an “The Motion Picture” – subtiler und angemessener als dies in der dritten Staffel “Picard” geschah. Dan Liu fängt das Spektakel souverän ein. Insbesondere eine Schachpartie zwischen Chapel und Spock hat mir von der Inszenierung und Bildsprache sehr gut gefallen.
Mit Rücksicht auf die Leser:innen, die die Episoden noch nicht gesehen haben, bitten wir in den Kommentaren zu diesem Beitrag auf Spoiler zu verzichten. Danke!
Ich fand sie unterirdisch. 0 von 5 Punkten.
Ich fand die Folge klasse