Der verletzte Spock wird von einer fremden Spezies geheilt — und aufgrund mangelnder Kenntnisse zum Menschen gemacht. Spoiler! Eine Gastreview von Jessica Schreier.
What the f–
Die Enterprise untersucht den Mond von Kerkhov, der einst Heimat einer uralten Zivilisation war, heute aber verlassen ist. Eine Energie-Anomalie erregt ihre Aufmerksamkeit, doch als Spock und Chapel sie untersuchen, kommt es zu einem Shuttle-Unfall. Die Kerkhovians, die als körperlose Wesen im interdimensionalen Raum leben, können den verletzten Spock zwar „reparieren“, doch da sie aus seiner gemischten DNS nicht schlau werden, machen sie aus ihm einen Menschen. Und ausgerechnet jetzt reist T’Pring mitsamt ihrer Familie an, um ein rituelles Verlobungsessen zu veranstalten.
Rat mal, wer zum Essen kommt
„Spock Amok“ war meine erklärte Lieblingsfolge der ersten Staffel, und „Charades“ kann zweifellos als direkte Fortsetzung davon verstanden werden. Trotzdem ist diesmal vieles anders und versteckt hinter einem vordergründig lustigen Plot lauern eine Menge kluger Gedanken zum Thema Beziehungen. Obwohl für meinen Geschmack so mancher Witz daneben geht, ist „Charades“ eine Folge, die ihren humorvollen Ansatz konsequent durchzieht und aufmerksame Zuschauer mit spaßigen Details im Hintergrund belohnt.
Spock schweigt, wo er reden sollte
Es ist eine alte Binsenweisheit, dass der Schlüssel für gesunde Beziehungen jedweder Natur Kommunikation ist. Trotzdem haben wir alle gelegentlich unsere Schwierigkeiten damit – das ist nur menschlich. Umso weniger überrascht, dass es der Mensch Spock ist, der beschließt, T’Pring nicht die Wahrheit über seinen Zustand zu sagen. Es gab keinen rationalen Grund dafür, das betont sie selbst, und es ist auch kein Verhalten, das Spock in der Vergangenheit an den Tag gelegt hat. Im Gegenteil, ich war damals bei „Spock Amok“ hocherfreut, dass er und T’Pring nach ihrem Körpertausch keine Sekunde zögern, Pike einzuweihen.
Normalerweise ist das Verschweigen wichtiger Informationen ein billiger Taschenspielertrick der Autoren, um wahlweise Drama oder Slapstick zu generieren. In diesem Fall halte ich es für eine sehr bewusste Entscheidung, um Spocks menschliche Gefühlswelt zu illustrieren. Er hat schlicht Angst. Angst, sich zu blamieren, Angst, sich seiner Verlobten von seiner verwundbarsten Seite zu zeigen, und nicht zuletzt Angst, alle zu enttäuschen. Es ist nur allzu verständlich, dass T’Pring das als Vertrauensbruch deutet, denn woher soll sie auch wissen, was er fühlt, wenn er es ihr nicht sagt?
Liebe macht blöd
Natürlich ist der Vertrauensbruch wirklich da, nur hat er wenig mit Spocks aktuellem Zustand zu tun. Angesichts seiner offensichtlichen Gefühle für Christine Chapel habe ich mich (nicht zum ersten Mal) gefragt, was genau Spock und T’Pring eigentlich verbindet. Es ist ein bisschen schade, dass es „Star Trek: Strange New Worlds“ verpasst, hier ein bisschen Kontext zu liefern. Denn ja, es ist bekannt, dass sie einander schon als Kinder versprochen wurden, doch wie genau funktioniert eigentlich Liebe in einer Gesellschaft, die ihre Emotionen weitgehend unterdrückt?
Die Pilotfolge der Serie hatte mich überzeugt, dass zumindest eine körperliche Anziehung existiert und die Beziehung nicht allein auf Verantwortungsbewusstsein basiert. Ehrlicherweise hatte ich seither aber oft den Eindruck, dass sich T’Pring deutlich mehr einbringt und ernsthaftes Interesse an Spock zeigt, während er alles ein bisschen lustlos schleifen lässt. Einerseits beiße ich mir bei der Frage, ob er Gefühle für sie hat, auf die Zunge, andererseits hat er sie ja offensichtlich für Chapel. Jede Menge davon, und das ist nicht allein seine menschliche Seite, das macht „Charades“ mehr als deutlich.
So faszinierend ist diesen emotionalen Schlamassel finde, so enttäuscht bin ich von der Richtung, die sie nun einschlagen. Eine Beziehungspause?! Sicher, das hat ja schon bei Ross und Rachel in „Friends“ so gut funktioniert. Nicht nur das, Spock wartet gefühlt fünf Minuten, nachdem T’Pring (immer noch seine Verlobte, schätze ich) abgereist ist, bevor er sich auf Chapel stürzt. Weil, jei, Beziehungspause. Nicht, dass Chapel so viel besser ist. Als sie zu ihm geht, tut sie das, ohne über Spocks neuen Beziehungsstatus („es ist kompliziert“) Bescheid zu wissen.
Die bedingungslose Liebe einer Mutter
Um das Beziehungskarussell abzurunden, erhalten wir in „Charades“ außerdem einen Einblick in Amandas Leben auf Vulkan. Das ist tatsächlich ganz wundervoll erzählt, weil es nur kleine Informationshappen hier und da sind, Dinge, die Spock zwar sein Leben lang gesehen, aber bis zu diesem Tag nicht verstanden hat. Sei es der kochend heiße Teekessel, der mit bloßen Händen gehalten werden muss, oder die subtilen Spitzen, die T’Prings Mutter T’Pril gegen sie austeilt.
Amanda hat all das auf sich genommen und sich nie beklagt, weil das nun mal der Preis für ihre Liebe zu Sarek ist. (Wie interessant wäre es gewesen, seine Seite der Geschichte zu hören. Ist er demgegenüber genauso ignorant, wie Spock es war?) Natürlich sollen wir die Parallele zu Spock und Chapel ziehen, weil Liebesbeziehungen in Serien nun mal die Hauptrolle spielen, aber im Kern ist es ein schönes (und seltenes) Beispiel für eine erwachsene Mutter-Sohn-Beziehung.
Deceptive Notes
- Ich liebe, liebe, liebe den Folgentitel, weil er in guter alter „Star Trek“-Manier doppeldeutig ist. Scharade heißt nicht nur das Ratespiel, sondern bezeichnet im übertragenen Sinne auch eine Täuschung. Und genau die vollführt Spock, als er vorspielt, ein Vulkanier zu sein.
- Meh, da erzählen sie uns extra von Pelias Freundschaft mit Spocks Mum, und dann kriegen sie hier nicht mal eine gemeinsame Szene.
- Mein Highlight war ja die Tür im Transporterraum, die uns allen aus der Seele sprach, als sie sich direkt vor Pike schließt, damit er dem peinlichen Gespräch zwischen Spock und Amanda beiwohnen muss.
- Ich kann euch gar nicht sagen, wie befriedigend es für mich ist, dass sich Spocks Ordnungsfimmel als durch und durch menschlich herausstellt. „Mr. Kirk! Clean your mess!“ Ich konnte fast nicht mehr vor Lachen.
- Oh, und bitte mehr von Pantoffelheld Sevet, der Pikes Kochkünste heimlich ganz famos findet.