In der zweiten Folge der aktuellen Staffel kommt es zur erwarteten Gerichtsverhandlung von Una. “Ad Astra Per Aspera” folgt sowohl den Pfaden eines klassischen Justizdramas als auch denen einer sogenannten invertierten Geschichte. Dabei gelingt es der Episode, an vielen Stellen sozialkritische Akzente zu setzen und somit an die Tradition klassischer “Star Trek”-Erzählungen anzuknüpfen. Lest hier unsere Drittmeinung zur Episode. Achtung: SPOILER!
Ein Gerichtssaal ist wie ein Schmelztiegel…
Justizdramen sind nicht nur ein spannendes Genre, sondern haben auch in “Star Trek” eine lange und oftmals auch erfolgreiche Tradition. Schon die Originalserie erkannte das Potential, das in der Kombination aus klassischem Science-Fiction-Erzählstoff und Geschichten aus anderen beliebten Genres steckt. Folglich markierte bereits die elfte Episode “The Menagerie, Part 1 & 2” (TOS 1×11/12 “Talos IV – Tabu, Teil 1 & 2”) das erste Courtroom-Drama der “Star Trek”-Geschichte. Es sollten noch viele weitere Episoden dieser Art folgen (siehe Liste unten), darunter echte Sternstunden der Fernsehgeschichte mit Ewigkeitsgarantie, aber auch Durchschnittskost, die wieder schnell in Vergessenheit geriet. Die Faszination von Gerichtsdramen ist mit einem Zitat von Captain Picard bestens erklärt:
Die stärksten Justizdramen waren derweil jene, in denen es nicht nur um Einzelschicksale ging, sondern auch um die große Fragen des Menschseins. Um Themen von aktueller und epochenübergreifender gesellschaftlicher Relevanz, wie etwa Selbstbestimmung (“The Measure of a Man”, “Death Wish”) und Rechtsstaatlichkeit (“The Drumhead”, “Tribunal”), um exemplarisch zwei Themen herauszugreifen.
Justizdramen in “Star Trek”
The Original Series:
- “The Menagerie, Part 1 & 2” / “Talos IV – Tabu, Teil 1 & 2” (1966)
- “Court Martial” / “Kirk unter Anklage” (1967)
- “Star Trek VI: The Undiscovered Country” / “Star Trek VI: Das unentdeckte Land” (1991)
The Next Generation:
- “Encounter at Farpoint” / “Der Mächtige/Mission Farpoint” (1987)
- “The Measure of a Man” / “Wem gehört Data?” (1989)
- “A Matter of Perspective” / “Riker unter Verdacht” (1990)
- “Sins of the Father” / “Die Sünden des Vaters” (1990)
- “Devil’s Due” / “Der Pakt mit dem Teufel” (1991)
- “The Drumhead” / “Das Standgericht” (1991)
- “The Outcast” / “Verbotene Liebe“ (1992)
- “The First Duty” / “Ein missglücktes Manöver” (1994)
Deep Space Nine:
- “Dax” / “Der Fall ’Dax’” (1993)
- “Tribunal” / “Das Tribunal” (1994)
- “Rules of Engagement” / “Das Gefecht” (1996)
Voyager:
- “Death Wish” / “Todessehnsucht” (1996)
- “Distant Origin” / “Herkunft aus der Ferne” (1997)
Enterprise:
- “Judgement” / “Das Urteil” (2003)
Ich persönlich bin ein Fan von Justizdramen, unabhängig davon, ob sie nun – wie “Star Trek” – im militärischen (z.B. “Eine Frage der Ehre” [1992], “J.A.G.” [1995-2005]) oder im zivilgesellschaftlichen (z.B. “Philadelphia” [1993]) Kontext erzählt werden. Folglich ging ich auch mit einer entsprechenden Erwartungshaltung an die Episode heran, stets in dem Bewusstsein um die schwierige Prämisse von “Ad Astra Per Aspera”.
Invertiertes Gerichtsdrama
Jeder, der schon einmal eine Folge der Kult-Krimiserie “Columbo” mit Peter Falk gesehen hat, ist mit dem Konzept der sogenannten invertierten Detektivgeschichte (auch: “howcatchem”) vertraut. Zu Beginn jeder Episode ist die Prämisse klar: Innerhalb der ersten Minuten erfährt der Zuschauer alles über den Mord, den Mörder und dessen Motive. Und so sicher wie das Amen in der Kirche ist auch das Ende der Geschichte: Lieutenant Columbo wird den Mörder überführen. Mit Worten und gänzlich ohne Gewalteinsatz. Die Spannung der invertierten Detektivgeschichte liegt also im Weg und nicht im Resultat.
“Ad Astra Per Aspera” basiert – bedingt durch die Vorgaben des etablierten Kanons – auf einer sehr ähnlichen Prämisse. Aufgrund der DS9-Folge “Dr. Bashirs Geheimnis” (DS9 5×16 “Dr. Bashir, I Presume”, 1997), die stolze 113 Jahre nach den Ereignissen in dieser Episode angesiedelt ist, wissen wir, dass man auch im Jahr 2373 noch immer aus der Sternenflotte fliegen kann, wenn man genetisch augmentiert worden ist. Oder dass man, so wie Bashirs Vater, im Gefängnis landen kann. Damit ist (abgesehen vielleicht von der Option einer temporären Aussetzung des Gesetzes) sogleich ausgeschlossen, dass das grundsätzliche Augment-Verbot in “Ad Astra Per Aspera” fallen wird.
Aber das war es auch schon mit den vermeintlichen Kanon-Fesseln. Denn der Weg zu Unas (Rebecca Romijn) Wiedereinsetzung als Erster Offizier (siehe Trailer) kann über viele verschiedene Wege erfolgen: durch eine geschickte Verteidigungsstrategie, eine Gesetzeslücke, einen Formfehler oder sogar durch einen (bewussten) Gesetzesbruch des Gerichts. Auch eine Art Moratorium der Strafe wäre eine denkbare Auflösung für die Handlung gewesen.
Demnach hatte ich auch nie den Eindruck, dass der Episode vom Start weg das entscheidende Spannungselement fehlt. Und in dieser Auffassung wurde ich auch bestätigt.
Klassische Erzählweise
Hinsichtlich des dramaturgischen Aufbaus der Episode hat die Autorin Dana Horgan (u.a. “Supergirl”) allerdings keine innovativen Wege beschritten. Denn “Ad Astra Per Aspera” folgt den Leitlinien klassischer Courtroom-Dramen, was vielleicht sogar den größten Kritikpunkt dieser Folge darstellt. Wenn man schon den Ausgang weitestgehend erahnen kann, wäre es vielleicht ratsam gewesen, sich im Rahmen des Weges dorthin auch mal was zu trauen, was die Erwartungen der Zuschauer unterläuft.
Für einen kurzen Moment dachte ich tatsächlich, die Episode könnte die “Star Trek”-Version der deutschen Erfolgskrimiserie “Ein Fall für zwei” werden, nämlich als sich eine enge Zusammenarbeit zwischen der Anwältin Neera Ketoul (Yetide Badaki) und der (verdeckten) Ermittlerin Lt. Noonien-Singh (Christina Chong) andeutete. La’an auf den Spuren Josef Matulas? Dieses Erzählkonzept hätte durchaus seinen Reiz gehabt, zumal eine Art Hybrid-Folge aus Justizdrama und Krimi womöglich auch bei den Nicht-Trekkies besser angekommen wäre als diese dialoglastige Erzählweise im klassischen Trek-Stil. Bitte nicht falsch verstehen, ich mag das dialogzentrierte Erzählen. Und so geht es vermutlich zahlreichen anderen eingefleischten Fans auch. Aber im Sinne eines Kompromisses zwischen alten und gegenwärtigen Sehgewohnheiten hätte ich an der Stelle der Autorin hier eher auf eine hybride Erzählweise gesetzt.
Da man sich allerdings für den klassischen Ansatz eines Justizdramas entschieden hat, nimmt die Episode auch viele erwartbare Wegmarken und bedient leider auch diverse Stereotypen des Genres, die sich u.a. auf Wikipedia nachlesen lassen. Ich zitiere: “Oft steht der Angeklagte dem Justizsystem, einem übermächtigen Prozessgegner oder einer vorurteilsbehafteten Öffentlichkeit anfangs scheinbar ohnmächtig gegenüber und muss sich im Laufe des Films mit seinem Mut bewähren.“
So muss “Ad Astra Per Aspera” (wieder einmal) auch einige utopistische Elemente eliminieren und diese durch zeitgenössische ersetzen, damit das klassische Courtroom-Drama erzählt werden kann. Das spiegelt sich insbesondere in der Darstellung des Justizsystems der Sternenflotte wider, das weder fortschrittlich noch gerecht erscheint. So greift die Episode an mindestens zwei Stellen ins oberste juristische Regal, um den Spieleinsatz im Gerichtssaal künstlich zu erhöhen. An Una soll ein Exempel statuiert werden (20 Jahre Haft), nur weil sie einen Vergleich ablehnt. Und Pikes missachtete Anzeigepflicht wird ihm prompt als Straftatbestand der “Verschwörung” ausgelegt. Beides erscheint mir enorm unverhältnismäßig zu sein, allen voran für ein Rechtssystem im 23. Jahrhundert, das eigentlich fortschrittlicher sein sollte als beispielsweise die heutige US-Justiz (die hier wohl den Referenzrahmen bildet).
Nun gut, Militärgerichtsbarkeit war schon immer härter als die zivile Rechtsprechung. Und es passt auch in den Kanon. Und in “The Measure of a Man” fand ich die Sternenflotten-Justiz auch viel zu autoritär. Trotzdem bleibt auch hier zumindest ein kleines Geschmäckle…
Hinzu kommen einige teils unnötige Klischees, wie u.a. ein unfähiger Verteidiger, der schließlich durch eine (nahezu) unfehlbare “Superanwältin” ersetzt wird. Oder mal wieder ein “böser” Vulkanier als Bad Guy (Pasalk gespielt von Graeme Somerville), was schon in “Enterprise” überstrapaziert wurde und mir allmählich etwas auf die Nerven geht. Warum die Anklage auch hier wieder unbedingt vom Love Interest des Captains vertreten werden muss, erschließt sich mir ebenfalls nicht so ganz, zumal uns Pike-Freundin Captain Batel ursprünglich mal als Kommandantin der USS Cayuga vorgestellt wurde und nicht als J.A.G.-Offizierin. Die Folge hätte ohne diese Klischees jedenfalls genauso gut funktioniert, würde ich mal behaupten.
Sozialkritische Botschaft
Davon mal abgesehen ist das Drehbuch aber überdurchschnittlich gut – zumindest was alle seit 2017 produzierten Folgen angeht. Der Spannungsbogen passt, es gibt viele schöne Charakterszenen, einige herzerwärmende Crew-Momente, den ein oder anderen gelungenen Kalauer sowie eine erfreulich große Anzahl an starken Dialogen und Monologen. Und was man der Episode definitiv zugutehalten muss, ist der Anspruch, endlich mal wieder eine Geschichte mit philosophischem Tiefgang erzählen zu wollen. Eine Geschichte von echter Relevanz, die auch sozialkritische Botschaften sendet und zur Selbstreflexion anregt. Ganz nach dem Motto: Auch eine Demokratie kann Unrecht begehen und Unrecht tradieren. Auch ich lasse mich vielleicht unter bestimmten Bedingungen von meinen Ängsten – seien diese nun begründet oder unbegründet – zu moralisch falschem Tun verleiten. Und es sollte auch eine Selbstverständlichkeit sein, auch auf demokratischem Wege entstandene Gesetze hin und wieder kritisch zu prüfen und gegebenenfalls an neue Gegebenheiten anzupassen. In meinen Augen sind das alles wichtige Botschaften von gegenwärtiger Relevanz.
Zudem erinnert die Episode in guter, alter humanistischer Tradition daran, stets das Individuum zu sehen und Menschen nicht pauschal in Schubladen zu stecken. Da die Menschheit diese Lektion noch immer nicht gelernt hat, kann auch “Star Trek” niemals zu oft zur aufrichtigen Selbstreflexion animieren.
In einer kleinen, aber feinen Szene wird überdies in Gestalt von Uhura und La’an die Frage in den Raum geworfen, wie weit der Staat rechtmäßig in die Privatsphäre seiner Bürger eingreifen darf. Und wo hier die rechtlichen (und moralischen!) Grenzen gezogen werden sollten (Stichwort: Datenschutz). Schön!
Ein weiterer Pluspunkt: “Strange New Worlds” macht Spaß, weil es im Kern wirklich eine echte Ensembleshow ist, in welcher der Captain nur ein primus inter pares ist und nicht immer im Mittelpunkt stehen muss. Das unterscheidet SNW sowohl von “Discovery” als auch von “Picard”. Denn wenn man ehrlich ist, dann hat Pike (Anson Mount) in den ersten beiden Folgen keine nennenswerte Rolle gespielt, was aber überhaupt kein Problem darstellt, weil der gesamte Cast hier die Aufmerksamkeit bekommt, die er auch verdient. Schon allein das sorgt für klassische “Star Trek”-Vibes.
Ganz ohne Cherry Picking geht es nicht
Dass “Ad Astra Per Aspera” diesen klassischen “Star Trek”-Geist atmet, lässt mich auch über diverse Schwächen und Leerstellen im Drehbuch hinwegsehen. Der Vollständigkeit halber sollen diese aber nicht unter den Tisch fallen.
Die nicht ganz unproblematische Metapher
“Ad Astra Per Aspera” ist es ein Anliegen, eine Parabel zu erzählen, die soziale Ausgrenzung thematisiert. Die Menschheitsgeschichte hat uns gelehrt, dass es viele Gründe gibt, warum sich Menschen von anderen Menschen bedroht oder gestört fühlen und diese deswegen ausgrenzen oder anderweitig diskriminieren, ja mitunter sogar physische Gewalt antun.
Das jüngere “Star Trek” hat es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht, sogenannte “Augments” – also genetisch veränderte bzw. verbesserte Menschen – zur Ausgrenzungsparabel schlechthin zu machen. Zugegeben, der Kanon bietet das auch irgendwie an. Jedenfalls ist es kaum mehr zu übersehen, dass das Gros der Autoren von “NuTrek” gewisse Sympathien für transhumanistische und eugenische Ideen zu hegen scheint. Oder zumindest keine Notwendigkeit mehr sieht, das Thema in seiner gesamten Ambivalenz zu betrachten. Gut, das hat das klassische “Star Trek” auch nur selten getan und in der Regel auch gegenteilig argumentiert: Transhumanismus und Eugenik sind (fast) ausschließlich gefährlich, so die Botschaft.
“Überspitzt gesagt, ist Genmanipulation nichts weiter als der Wunsch, Gott spielen zu wollen. Indem wir in die DNA eingreifen und genetische Ausreißer eliminieren, gefährden wir das Wesen der natürlichen Evolution.“
Captain Bartel
Ich persönlich sehe den Trans- und Posthumanismus bzw. die Eugenik auch eher kritisch. Diplomatisch ausgedrückt. Und das nicht wegen der fiktiven Eugenischen Kriege in “Star Trek”, sondern wegen des dahinterstehenden Menschenbildes und den damit verbunden Folgen, von denen einige ihre furchtbaren Spuren in der Menschheitsgeschichte bereits hinterlassen haben. Wie sagt Spock (!) doch so treffend in “Space Seed”: “Überlegene Fähigkeiten bringen auch übertriebenen Ehrgeiz hervor.”
Von daher habe ich auch etwas Bauchschmerzen, wenn mir “Ad Astra Per Aspera” über weite Strecken einreden möchte, dass die Furcht vor künstlichen Eingriffen in das menschliche Erbgut nichts weiter sei als eine obsolete – und somit gewissermaßen irrationale – Angst. Wenn ich diesen Satz auf die Goldwaage legen würde und mir dazu noch Pikes keuchendes Niederknien vor der genetisch verbesserten Illyrianerin Ketoul vor Augen führe, dann könnte man der Episode womöglich sogar eine gewisse Agenda unterstellen. Das lasse ich an dieser Stelle aber mal offen. Es ist mir nur schlicht etwas negativ aufgefallen…
“Die Föderation hat infolge dessen eine Utopie erschaffen. Und in dem ständigen Bemühen, die Utopie zu schützen, wurde sie von einer Jahrhunderte alten Angst geblendet (…).”
Neera Ketoul
Gleichwohl stimmt es natürlich, dass auch genetische Augmentierung keine Rechtfertigung für Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung sein darf. Und das arbeitet die Episode auch sehr gut heraus. Ich hätte mir nur eine etwas differenziertere Betrachtung dieses heiklen Themas gewünscht. Die Alibi-Aussagen zu Beginn des Eröffnungsplädoyers der Anklage war mir dann doch etwas zu platt. Im weiteren Verlauf der Episode wird die Verteidigerin dann auf Kosten der Anklage derart auf ein Podest gehoben, dass ich “Ad Astra Per Aspera” leider eine leichte Unausgewogenheit attestieren muss, was die vorgebrachten Argumente angeht.
An dieser Stelle versagt das Drehbuch, weil es Neera den roten Teppich ausrollt und die Anklage folgerichtig unverhältnismäßig gehemmt und dilettantisch wirkt, was deren Plattitüden (nach dem Motto “Das Gesetz ist halt so, weil Eugenik unweigerlich zu Genozid führt. Punkt!”) und haarsträubenden Vorwürfe (“Verschwörung!”) recht gut belegen. Aber gerade darin lag ja die Stärke von “The Measure of a Man” und “The Drumhead” – eine ebenbürtige Gegenseite. Diese fehlt mir hier über weite Strecken.
Die problematische Wendung
Nicht ganz zufrieden bin ich auch mit der Auflösung. Gegen Ende triftet die Episode nach einem starken Mittelteil leider abermals ins Klischee ab, denn Ketoul wickelt das Gericht eher mit ihrer charismatischen Rhetorik als mit stichhaltigen Sachargumenten um den Finger. Der Ansatz mit der “Gesetzeslücke” ist eigentlich recht kreativ, aber der angebliche Antrag auf Asyl wirkt dann doch etwas konstruiert. Auch hier hätte ich mir der Glaubwürdigkeit wegen etwas mehr Gegenwehr von der Anklage gewünscht. Als bei Ketouls Schlussplädoyer nahezu alle Anwesenden – allen voran die vorsitzende Richterin – lächelnd Zustimmung signalisieren und brav nicken, büßt die Folge leider auch etwas von ihrer Ernsthaftigkeit ein. Das wirkt an dieser Stelle doch etwas aufgesetzt.
Mal abgesehen davon, manifestiert sich hier auch ein mittelschweres Logikproblem: Die Sternenflotte gewährt also einer Person, die auf einer Föderationswelt (!) verfolgt wird, Asyl? 25 Jahre nach der Flucht? Ist die Sternenflotte also ein Staat im Staate?
Zudem schafft das Gericht mit seinem Urteilsspruch gewissermaßen einen folgenschweren Präzedenzfall, der das Augment-Verbot der Sternenflotte faktisch ad absurdum führt. Vielleicht wäre ein Formfehler, eine Herabsetzung (z.B. Degradierung) oder auch ein gänzliches Aussetzen der Strafe aufgrund mildernder Umstände hier doch die bessere Auflösung gewesen und nicht ein Freispruch, der Nachahmern Tor und Tür öffnet. Aber gut, es ist und bleibt eben eine fiktive Geschichte und die Autorin wollte hier scheinbar kein “Happy End light”.
Das problematische Crewmitglied
Ein wahres Ärgernis der Episode ist mal wieder das Verhalten von Ortegas (Melissa Navia). Scheinbar muss jede neue “Star Trek”-Serie eine Figur haben, die entweder nervt oder einfach nur platt ist. Ortegas ist leider beides. Bis auf flotte Sprüche hat sie noch nichts Produktives zur Serie beigetragen. Es wäre langsam mal Zeit, dieser Figur Background, Charaktertiefe und Sympathiewerte zu verschaffen.
Regelrecht abstrus ist ihre längste Szene in “Ad Astra Per Aspera”: Während die Folge u.a. ein Statement gegen rassistische Vorurteile setzen möchte, sitzt Ortegas mit Dr. M’Benga (Babs Olusanmokun) im Gemeinschaftsraum der Enterprise und äfft in ziemlich herabwürdigender Weise das Verhalten von Spock (Ethan Peck) und Pasalk nach. Und das Ganze wird dem Zuschauer dann auch noch als humoristische Szene verkauft.
So, jetzt mal scharf nachdenken, ob das nicht ein Widerspruch ist: Rassistische Vorurteile gegenüber Illyrianern sind böse, aber abfällige Kommentare über die kulturellen Eigenarten der Vulkanier sind lustig… 🤔
Bottle Show mit hohen Schauwerten
Gerichtsdramen sind in der Regel sogenannte Bottle Shows, die in “Star Trek” zumeist in bekannten oder leicht umdekorierten Kulissen abgedreht werden. Für “Ad Astra Per Aspera” griff Regisseurin Valerie Weiss auf die Starfleet Headquarters-Kulissen aus “Discovery” zurück, um den Gerichtssaal darzustellen. Das ist völlig legitim und meiner Meinung nach funktioniert das auch sehr gut.
Darüber hinaus bietet die Folge aber auch szenische Vielfalt, u.a. die Heimatwelt von Ketoul, das Gefängnis in der San Francisco Bay und natürlich diverse Lokalitäten auf der Enterprise. Ein besonderes Highlight sind die Gala-Uniformen, welche die der Originalserie hervorragend modernisieren.
Auch hinsichtlich der Inszenierung ist “Ad Astra Per Aspera” ein klassisches Courtroom-Drama mit halbnahen Einstellungen und vielen Reaction Shots. Passt! Es bleibt also dabei: Keine der neuen Live-Action-Serien kommt so trekkig rüber wie “Strange New Worlds”. Ich mag diesen visuellen Stil.
Danke für die ausgewogene Kritik, ich bin mit der Folge nämlich extrem unzufrieden. Das Thema Asyl als fadenscheinige Argumentation hast Du ja schon angesprochen. Für mich ist das größte Problem aber die sehr einseitige und fast schon “billige” Argumentation des Drehbuchs. Was wir hier haben ist der klassische Konflikt zwischen “Gesinnungsethik” und “Verantwortungsethik”. Mache ich also Moral und Gesinnung zum obersten Prinzip meines Handelns (Gesinnungsethik) oder schaue ich vor allem auf die Folgen meiner Handlungen (Verantwortungsethik). Klassisches Dilemma der Seenotrettung im Mittelmeer. Führe ich aktiv Seenotrettung im Mittelmeer mit so vielen Schiffen wie möglich durch (Gesinnung), oder lehne ich das… Weiterlesen »