In der sechsten Folge von “Prodigy” gibt es ein hohes Aufgebot an Gaststars. Welche das sind und ob sie dabei überzeugen können, lest ihr in dieser Review. Aber Achtung: Spoiler!
Prototyp mit Proto-Antrieb
Nach der Flucht vom Hirogen-Planeten gibt’s einen ersten Hinweis darauf, warum sich die Protostar im Delta-Quadranten befindet: Der Proto-Antrieb hat nämlich satte 4000 Lichtjahre wettgemacht. Okay, das konnte man sich als Fan schon denken, aber endlich geht man auch im weiteren Verlauf der Frage nach, wie das Schiff letztlich dort gelandet ist, wo es gelandet ist. Das wurde aber auch Zeit! Doch dazu kommen wir später noch.
Zunächst einmal muss erwähnt werden, dass es auch in dieser Folge wieder einige klasse Charaktermomente gibt. Angefangen beim “schwächsten” Charakter-Arc sind hier zunächst Murf und Rok zu nennen, die dieses Mal einen (besorgten) Zweier-Moment genießen dürfen. Das Ganze ist zwar eher als Comic-Relief gedacht, wobei diese Einlage nicht ganz so witzig ist, wie das vielleicht beabsichtigt war. Und ob man Murf wirklich als “unzerstörbaren Joker” aufbaut, ist etwas, worüber ich noch mal nachdenken muss. Vielleicht, wenn es nicht zu inflationär gebraucht wird…
Viel besser sind da schon die Charakterszenen von Gwyn, die definitiv zu den Highlights der Folge zählen. Gwyn darf sich zunächst etwas mit Dal aussprechen. Wobei klar wird, dass wohl auch er etwas für Gwyn empfindet. Das wahre Highlight ist aber Gwyns Gespräch mit Zero, bei dem die beiden sich sichtlich näher kommen. Und auch Gwyns Motive werden nachvollziehbar, denn ihre Suche nach einem Sinn kann man gewiss nachempfinden.
Dass das Gespräch später noch wichtig sein wird, kann man sich an einer Hand abzählen. Aber auch das scheint dazu beizutragen, dass Gwyn sich heimisch fühlt. In nur 20 Minuten schafft es diese Folge also, auch hier wieder große Emotionen und Momente aufzubauen. Das ist etwas, was einigen der Realserien leider bis heute abgeht.
Schön ist auch, dass man mehr zu Gwyns Klon-Hintergrund (“genetischer Abkömmling”) erfährt. Die Datumsangabe erfreut das Chronisten-Herz und bestätigt, dass “Prodigy” wirklich im Jahr 2383 spielt.
Kobayashi
Davon abgesehen, darf die Crew auch endlich das Holodeck entdecken. Was im Falle von Dal dazu führt, dass er unbedingt den “Kobayashi Maru-Test” absolvieren will. Die Folge heißt wohl deshalb nur “Kobayashi” (also ohne “Maru”), um Verwechslungen mit der Auftaktepisode der vierten “Discovery”-Staffel zu vermeiden.
Was danach folgt, ist ein Kanon-Referenz-Fest für Fans, das genau genommen schon mit dem Spiel aus “The Next Generation” (TNG 5×06 “The Game” / “Gefährliche Spielsucht”) losgeht. Machen diese Dinger inzwischen nicht mehr süchtig? Für den “Kobayashi Maru-Test” darf dieses Mal jedenfalls die Enterprise-D herhalten, was natürlich nostalgische Gefühle weckt. Doch damit nicht genug, lässt sich Dal auch eine Spitzencrew erstellen. Darunter sind Uhura, Odo, Beverly Crusher und Spock.
Die Referenzen sind hierbei gut gewählt. Es ist aber vor allem für die Fans ein schöner Moment, diese Charaktere mal wieder zu sehen. Allerdings scheinen die (noch lebenden) Darsteller nicht in ihre Rollen zurückgekehrt zu sein. Die Sätze, die sie sagen, scheinen nämlich aus alten Serien-Folgen zusammengeschnitten worden zu sein. Zumindest bei Spock respektive Leonard Nimoy sind die Szenen daher mit einer Art “Funkrauschen” (im englischen Original) unterlegt. Im Deutschen hat man sich allerdings erst gar nicht die Mühe gemacht, die originalen Stimmen aus den Schnipseln der früheren Folgen zusammenzustellen. Stattdessen hat man alles einfach komplett neu synchronisiert. Auf der einen Seite ist das sicher verständlich, immerhin leben viele der Synchronsprecher auch nicht mehr. Auf der anderen Seite ist es auch etwas schade, denn so geht doch einiges von der Immersion dieser Gastauftritte verloren. Kinder, welche die Serie sehen und mit den alten Charakteren nichts anfangen können, dürfte dies aber freilich nicht auffallen.
Später darf dann übrigens auch noch Scotty zum Szenario dazustoßen. Der arme Pog wird aber leider wieder aufs Abstellgleis gestellt, obwohl er durchaus wieder für einige witzige Einlagen sorgt. Abgesehen davon kann ich mit ihm leider immer noch nicht warm werden.
Doch zurück zum Szenario selbst, das wir als Fan natürlich kennen. Und auch dessen Ausgang. Daher ist fast sofort offensichtlich, dass sich Dal daran die Zähne ausbeißen wird. Er erinnert ein wenig an Boimler, der ja auch immer perfekt sein wollte. Dabei sind einige der gebotenen Lösungen durchaus pfiffig und waren so noch nicht zu sehen. Hier ist es schön, dass die Autoren Abwechslung reinbringen konnten. Vor allem Dals finale Lösung ist hier durchaus sehenswert.
Allerdings dürfte einige Fans vielleicht stören, dass er quasi das Szenario gelöst hat – oder zumindest nah dran war. Warum etwa nicht eins zu eins wiederholen, nur diesmal ohne den “versehentlichen” Druck auf den Feuerbutton des Klingonenschiffes? Okay, man rudert hier am Ende wieder zurück und lässt ihn doch nochmal versagen. Aber wie er so schön sagt: Er war nahe dran!
Nach über 200 Jahren, in denen das Szenario nun eingesetzt wird, habe ich mich auch schon gefragt, warum bislang keiner gekommen ist, der es auch gelöst hat. Oder wenn das Programm dann fiese Schlenker macht und einem zum Verlieren zwingt, nicht mal einer dahinter kommt, was Sache ist? Nun ist es quasi ein “Kind/Teenager”, der näher dran ist als die Sternenflottenkadetten und Offiziere. Aber gut, die Szene ist nachvollziehbar präsentiert und auch das folgende Gespräch mit Spock (und sein Nackengriff mitten in der Action) sind einfach herrlich anzuschauen.
Übrigens will die Crew zur Föderation, was Dal nicht so ganz passt. Es bleibt spannend, wo die Reise künftig hingehen wird. Durch den 4000-Lichtjahre-Sprung dürfte der Diviner aber erstmal Geschichte sein. Oder etwa doch nicht?
Die Verschwörung
Um den Bogen zum Anfang zu schlagen: Es gibt bei Janeway verschlüsselte Dateien, die Informationen enthalten, wie die Protostar in den Delta-Quadranten gekommen ist. Das war zu erwarten. Die Frage lautet hier wohl nur: wann und warum?
Der Lösung kommt man an dieser Stelle etwas näher, als man Teile der Datei entschlüsseln kann. Allerdings baut man einen geschickten Kniff ein. Denn die Entschlüsselung wird Monate dauern. Oder anders ausgedrückt: Vielleicht wird das Rätsel auch nicht mehr in dieser Staffel gelöst.
Das ist natürlich etwas unbefriedigend und ein Stilmittel, um den Zuschauer länger bei der Stange zu halten. Oder will man einfach nur Fan-Feedback abwarten? Hoffentlich lässt die Auflösung an dieser Stelle nicht allzu lange auf sich warten.
Als hochkarätiger Gaststar, der seine Rolle sogar selber spricht, darf hier am Ende dann noch Robert Beltran als Chakotay auftauchen. Scheinbar hat er die Protostar in den Delta-Quadranten geflogen. Aber was genau dahinter steckt, erfährt man natürlich nicht. Ein bisschen Cliffhanger geht schließlich immer. Auch hier hat man im Deutschen neu synchronisiert. Aber auch da blieb keine Wahl, da Chakotays Stammsprecher Frank-Otto Schenk leider inzwischen verstorben ist.
Ab dieser Folge nervte mich Dal nicht mehr so sehr wie in den ersten Folgen. Die Grafik ist echt wahnsinnig gut. Irgendwie musste ich bei den vielen Versuchen an “Per Anhalter durch die Galaxis” denken, denn den 42. Versuch wurde ja extra erwähnt.
Ich denke, wenn er nicht aus versehen den Photonen-Aktivierungsknopf gedrückt hätte, dann wäre einfach noch ein weiteres Klingonenschiff aufgetaucht.