Folge 9 führt einige der zentralen Handlungsbögen der Staffel in fulminanter Weise zusammen. Warum “Domino” ein echter Knaller ist, lest ihr in unserer ausführlichen Rezension. ACHTUNG, SPOILER!
Handlung
Nach ihrem Rauswurf aus der Planetaren Union suchen die Moclaner neue Verbündete, die sie ausgerechnet in Kanzlerin Teleya (Michaela McManus), der extremistischen Anführerin der Krill, finden.
Derweil muss sich die Unionsflotte weiteren Angriffen der Kaylon erwehren. Bei einer großen Schlacht um Xelaya setzt die Orville eine von Isaac und Ensign Burke entwickelte Massenvernichtungswaffe ein, die eine ganze Kaylon-Flotte auf einen Schlag zerstört. Das Mächteverhältnis hat sich zugunsten der Union verschoben, sodass der Unionsrat den Kaylon nun die Pistole auf die Brust setzen will: Entweder die Kaylon akzeptieren ein an Bedingungen geknüpftes Waffenstillstandsabkommen oder die Union wird ihre Superwaffe so lange einsetzen, bis die Kaylon für niemanden mehr eine ernsthafte Bedrohung darstellen.
Nach anfänglichem Zögern sind die Kaylon schließlich bereit, die Bedingungen des Abkommens zu akzeptieren. Sie bleiben aber misstrauisch, was die von der Union angebotene friedliche Koexistenz betrifft. Der Konflikt scheint erst einmal ausgestanden zu sein und die Orville-Crew feiert ausgelassen diesen befreienden Sieg.
Doch dieser hart erkämpfte galaktische Frieden steht schon bald wieder auf dem Spiel, als die Krill gemeinsam mit den Moclaner einen ultimativen Präventivschlag gegen die Kaylon planen. Mit Admiral Perrys (Ted Danson) Hilfe ist es ihnen zuvor gelungen, die neue Massenvernichtungswaffe von der Erde zu entwenden und zu Teleya zu bringen. Wenig später bezahlt Perry diesen Verrat mit seinem Leben.
Die Orville-Crew findet schnell heraus, dass die Krill die Waffe nach Draconis 427 gebracht haben, wo der moclanische Waffenspezialist Dr. Kalba (Regi Davis) das Gerät einsatzfähig machen soll. Also setzt man Kurs auf diesen Planeten und startet eine waghalsige Geheimmission, um den Einsatz der Waffe zu verhindern. Hierfür geht man sogar ein temporäres Zweckbündnis mit den Kaylon ein, da die Unionsflotte gegen die kombinierten Streitmächte der Krill und Moclaner alleine keine Chance hätte.
Während die Flotten der Union und Kaylon die orbitalen Verteidigungslinien der Krill und Moclaner beschäftigen, greift ein Fighter-Verband die militärisch befestigte Forschungseinrichtung auf der Planetenoberfläche an. Unterdessen dringt ein Landeteam bestehend aus Grayson, Keyali, Burke, Isaac und dem Kaylon Primary (Graham Hamilton) in die Einrichtung ein. Die Spezialeinheit kämpft sich bis in den Reaktorraum vor, doch der Quantenkern wurde bereits mit der Waffe gekoppelt. Eine Deaktivierung ist nun nicht mehr möglich, die Waffe muss manuell zerstört werden. Und so opfert sich Charly, um ihre Kameraden und die gesamte Kaylon-Zivilisation zu retten.
Beeindruckt von diesem Selbstopfer erklären sich die Kaylon bereit, den Biologischen künftig mehr Vertrauen entgegen zu bringen. Kaylon 1 wird daraufhin provisorisches Mitglied der Planetaren Union.
In der Dämmerung dieser neuen Zukunftshoffnung nimmt die Orville-Crew Abschied von Charly Burke…
Drehbuch & Dramaturgie
Das Drehbuch zu “Domino” ist sichtlich darum bemüht, einige der zentralen Handlungsbögen der Staffel gleichermaßen spektakulär wie stringent zu Ende zu erzählen. Und das gelingt der Episode auch hervorragend. Die dritte Staffel profitiert nämlich enorm davon, dass der Writer’s Room aus nur fünf unterschiedlichen Autoren bestand: Seth MacFarlane (4 Drehbücher), David A. Goodman (1), Cherry Chevapravatdumrong (1), Brannon Braga und André Bormanis (4). Letztere beiden haben auch das Drehbuch für Folge 9 verfasst, in welchem sie die Story-Arcs um die Moclaner, die Krill und die Kaylon sowie den Charakter-Arc von Ensign Charly Burke (Anne Winters) gekonnt zusammenführen.
Trekkies werden selbstverständlich auch in dieser Episode wieder einige inhaltliche Gemeinsamkeiten mit “Star Trek” entdecken. Zu nennen sind hier vor allem die Episoden “I Borg” (TNG 5×23 “Ich bin Hugh”), “Scorpion” (VOY 3×26/4×01 “Skorpion”), “Star Trek VI: Das unentdeckte Land” sowie einigen “Deep Space Nine“-Folgen, die sich mit den moralischen Implikationen des Dominion-Krieges befassen.
Vor allem das erste Episodendrittel erinnert thematisch doch sehr stark an “I Borg”. In dieser “TNG”-Episode diskutiert die Enterprise-Crew darüber, ob man einen Computervirus als ‘ultimative’ Waffe einzusetzen sollte, um die Borg ein und für alle Mal unschädlich zu machen. Auch hier wird die Frage erörtert, ob Ultima Ratio der Genozid an einem deutlich überlegenen und erbarmungslosen Feind ethisch vertretbar ist, weil einem anderenfalls selbst die totale Vernichtung (oder Versklavung) droht. Über dieser konkreten Fragestellung schwebt natürlich eine viel allgemeinere: Was ist im Krieg erlaubt, was nicht? Oder gibt es im Krieg womöglich gar keine Regeln (Cicero: “Inter arma enim silent leges”)? “Deep Space Nine” hatte dieser Thematik einst zwei ganze Staffeln gewidmet.
Die Parallele zu “Skorpion” besteht darin, dass sich die Union wie einst die Voyager-Crew aufgrund von ganz besonderen Umständen dazu genötigt sieht, eine (temporäre) Allianz mit ihrem gefährlichsten Feind einzugehen. Einem Feind, dem man – basierend auf den bisherigen Erfahrungen – eigentlich nicht über den Weg trauen sollte. Schön ist an dieser Stelle, dass “Domino” hinsichtlich der Kaylon einen anderen Weg beschreitet als die besagte “Voyager”-Episode. Während “Skorpion“ am Ende zum Status quo ante zurückkehrt und die Borg somit der vertrauensunwürdige, todbringende Feind bleiben, nehmen die Kaylon hier eine positive Entwicklung. Ob deren Mitgliedschaft in der Planetaren Union letztlich Bestand haben wird, bleibt zunächst der Fantasie der Zuschauer überlassen. Oder es wird in einer vierten Season wieder aufgegriffen werden, sollte die Serie um eine weitere Staffel verlängert werden.
Admiral Perry erinnert wiederum sehr stark an Admiral Cartwright und die anderen Sternenflotten-Verschwörer in “Star Trek VI: Das unentdeckte Land”. Allerdings bleibt mir dessen Verrat unter dem Strich doch etwas zu platt, vor allem dessen Ende wirkt doch sehr klischeehaft. An dieser Stelle hätte das Drehbuch sicher noch etwas Luft nach oben gehabt, beispielsweise indem man ihn nicht sterben lässt, sondern er sich später vor dem Unionsrat oder einem Militärgericht rechtfertigen muss.
Unter dem Strich überschreitet “The Orville” also auch in dieser Folge nur wenige “neue Horizonte”, was die grundlegende Story betrifft. Das gab es irgendwie früher schonmal in leicht anderer Form. Aber auch in “Domino” kann die Serie erneut mit ihren Pfunden wuchern, die da heißen: stringentes Storytelling, starke Dramaturgie, intelligente Dialoge und ein ausgedehnter Fokus auf die Weiterentwicklung einzelner Charaktere.
Auch der Episodentitel ist abermals sehr passend gewählt, beinhaltet dieser doch eine nette Zweideutigkeit: Zum einen rekurriert “Domino” auf den Domino-Effekt bei den Kaylon, die ihre Effizienz – ähnlich den Borg – einer kollektiven Vernetzung der Individuen verdanken. Dieser Interlink ist aber zugleich auch deren Achillesferse und das machen sich Isaac und Burke schließlich auch zunutze. Zum anderen ist der Episodentitel eine Anspielung auf die sogenannte Domino-Theorie. Dieser geopolitische Ansatz ging in der Zeit der Blockkonfrontation davon aus, dass Staaten, die sich geographisch in der Nähe von kommunistischen Ländern befinden, durch deren Ideologie derart beeinflusst werden, dass sie letztendlich selbst kommunistisch werden. Dies führe wiederum zu einer Kette von umfallenden ‘Dominosteinen’ – also zu einer Ausbreitung des Kommunismus, der man mithilfe von Containment-Politik Einhalt gebieten müsse.
In dieser “The Orville”-Episode sind die Dominosteine hingegen positiv konnotiert. Einerseits haben sich Isaac und Timmis als ‘Dominosteine’ erwiesen. Denn es ist ihnen mit ihrer offenen und friedvollen Art gelungen, Charly zu zeigen, dass sich die Kaylon durchaus ändern können (3×07 “From Unknown Graves”). Der zweite Dominostein ist dann Charly selbst, die durch ihr selbstloses Opfer den Kaylon Primary sowie den Rest der Kaylon davon überzeugen kann, dass die Biologischen nicht per se eine existentielle Gefahr für den eigenen Fortbestand und die eigene Freiheit darstellen. Vorurteile, Misstrauen und Hass fallen bei den Betroffenen nacheinander um wie Dominosteine, sodass am Ende eine neue Epoche der friedlichen Koexistenz eingeläutet werden kann.
Charaktere
Charly Burke
Ensign Charly Burke hat in den ersten acht Episoden der dritten Staffel eine Charakterentwicklung genommen, die auch aus einem Autorenlehrbuch stammen könnte. Schon ihre Einführung in Folge 3×01 “Electric Sheep” war vorbildlich, aber auch in den nachfolgenden Episoden wurde die Figurenentwicklung konsequent und glaubwürdig vorangetrieben. Mal latent, mal dezidiert. Und immer mit einer gesunden Dosis Drama, ohne dass man in diesem Bereich nur einmal über das Ziel hinausgeschossen wäre.
Sehr glaubwürdig ist vor allem der Umstand, dass Charlie auch nach ihren positiven Erfahrungen mit Isaac und Timmis nicht postwendend von einem Extrem ins andere überwechselt, sondern dass sie aufgrund einer Mischung aus Rachsucht und Misstrauen zunächst für die Vernichtung der Kaylon plädiert. Hier sticht vor allem die hervorragende Diskussionsszene in der Schiffsmesse hervor: Charly argumentiert zwar vermeintlich rational (“How is it a big decision? They want us all dead. We want to stay alive. That’s a pretty basic equation. It’s us or them.”), bekommt von LaMarr aber schonungslos den Spiegel vorgehalten (“And let’s be goddamn clear about the motive: are we doing this to save ourselves, or is this revenge?”). Charlys Reaktion (Gesichtsausdruck!) spricht hier – auch in Anbetracht des bisherigen Staffelverlaufs – einfach Bände. Wahrscheinlich ist dieses Gespräch dann auch der Punkt, an dem Charlys Selbstreflexion das nächste Level erreicht.
Auch später im Gespräch mit Captain Mercer auf der Terrasse merkt man ihr an, dass sie ihre eigenen Motive weiterhin kritisch hinterfragt. Auch wenn sie sich hier immer noch nicht gänzlich eingestehen kann, dass sie ihre Trauer und ihre Wut über den Verlust von Amanda hinter einem (durchaus nachvollziehbaren) rationalen Argument zu verstecken versucht – sich also selbst täuscht. Das ändert sich dann aber im weiteren Verlauf der Episode, nämlich als sie erkennt, dass scheinbar auch der Primary lernfähig und lernwillig ist. In den letzten Minuten ihres Lebens überwindet sie ihren Hass und ihre Rachsucht dann endgültig, weil sie erkennt, dass beides unter dem Strich nichts verbessert, sondern die Gesamtsituation nur verschlechtert. Ihre Vergebung und ihre Hingabe tragen stattdessen dazu bei, eine friedvollere Zukunft herbeizuführen.
Eine optimistischere Botschaft ist an dieser Stelle eigentlich nicht möglich. “The Orville” verkörpert hier das, was auch “Star Trek” immer ausgemacht hat – und das alles ohne gekünstelte Dramatik, übers Knie gebrochene Geschichten oder einen pathetischen Redeschwall. Charlys Entwicklung ist einfach eine ganz, ganz runde Sache, ebenso toll geschrieben wie toll gespielt.
Mit dem Primary fällt dann auch der nächste ‘Dominostein’. Denn dieser lernt dank Isaac und Charly, was Erbarmen und Selbstlosigkeit bedeuten. Und dass Pauschalurteile durchaus zu Fehleinschätzungen führen können (hier: Alle Biologischen sind abgrundtief böse und wollen die Kaylon versklaven). In ihm spiegelt sich somit Charlys Charakterentwicklung wider, nur eben schneller und auch ohne emotionale Grundierung.
Mercer & Teleya
Etwas auf der Strecke bleiben leider wieder die anderen Charaktere, wobei das auch irgendwie in der Natur der Sache liegt. Trotzdem hätte ich mir noch zusätzliche Szenen mit Mercer und Teleya gewünscht. Deren schwierige Beziehung wird hier leider recht schnell und auch irgendwie unspektakulär abgehandelt, offenes Ende inklusive. Nun gut, man muss sich gewiss auch noch einige erzählerische Hintertüren für eine etwaige vierte Staffeln offen lassen. Nichtsdestotrotz bleibt Teleya als Gegenspielerin hier abermals recht eindimensional und klischeehaft. Schade eigentlich.
Und auch Mercer gefällt mir in seiner Rolle als Captain seit einigen Episoden irgendwie auch nicht mehr wirklich gut. Für meinen Geschmack bleibt er oftmals einfach zu sehr im Hintergrund, auch wenn man ihm den ein oder anderen klugen Satz in den Mund legt. Er wirkt mehr wie ein technokratischer Verwalter denn wie ein Raumschiffkommandant. Wenn Seth MacFarlane mit dieser Figur versucht haben sollte, einen ‘neuen Captain Picard’ zu erschaffen, dann ist dieser Ansatz leider gründlich in die Hose gegangen. Picard mag zwar auch eher der ‘Grübler’ gewesen sein, aber er verfügte trotzdem über eine beeindruckende Präsenz. Captain Mercer kann da aber leider nicht ansatzweise mithalten.
Soziale Kommentierung
“Domino” ist vollgepackt mit historischem Namedropping (z.B. Churchill, Napoleon, Molotow-Ribbentrop-Pakt) und geschichtlichen Allegorien.
Der Einsatz der ‘Superwaffe’ spielt natürlich auf die beiden Atombombenabwürfe auf Japan im Jahr 1945 an. Die Unsicherheit der Planetaren Union, wie man nun mit diesem furchteinflößenden Waffenmonopol umgehen sollte, erinnert an die USA in der Zeit zwischen 1945 und 1949, ehe die Sowjetunion ebenfalls Atommacht wurde und der Kalte Krieg angesichts dieses neuen “Gleichgewicht des Schreckens” erst so richtig Fahrt aufnahm.
Diktatfrieden vs. Verständigungsfrieden
Die Episode schneidet einige spannende politische Themen an, wie etwa die Frage nach der Sinnhaftigkeit bzw. Beständigkeit eines sogenannten Diktatfriedens im Vergleich zu einem auf Kompromissen basierenden Verständigungsfrieden, der am Ende der Episode mit den Kaylon dann auch erreicht wird. Der Unterschied wird im Verlauf der Handlung sehr deutlich herausgearbeitet: Während der Diktatfrieden bei allen ein unbefriedigendes Gefühl der Unsicherheit hinterlässt (Können die Kaylon irgendwann waffentechnisch nachziehen und geht dann wieder alles von vorne los?), bringt erst der Verständigungsfrieden die erhoffte Erleichterung. Man hat nun das Gefühl, der geschlossene Frieden basiert auf einer festen und fruchtbaren Grundlage.
An dieser Stelle hebt sich “The Orville” also doch noch von bisherigen “Star Trek”-Erzählungen ab und bietet uns Zuschauern inhaltlich durchaus etwas Neues.
Unerwartete Gegenwartsrelevanz
Gerade vor dem Hintergrund des aktuell in der Ukraine tobenden Krieges stellt die Episode höchst interessante, da enorm kontroverse Thesen in den Raum. Und das, obwohl zu dem Zeitpunkt, an dem das Drehbuch verfasst wurde, der Krieg in der Ukraine noch gar nicht ausgebrochen war.
Folgende Fragen werden angeschnitten oder sogar beantwortet:
- Führt die Bildung von Allianzen zwangsläufig auch zu einer Gegenmachtbildung (vgl. Balance-of-Power-Theorie)? Die Episode beatwortet diese Frage mit einem klaren “Ja”. Die Moclaner suchen sich neue Verbündete gegen die Union und finden diese in den Krill – und das trotz aller kulturellen bzw. ideologischen Unterschiede (daher auch die Anspielung auf den ‘Molotow-Ribbentrop-Pakt’). Zugleich geht die Union ein Zweckbündnis mit den Kaylon ein (Anspielung auf die ‘Anti-Hitler-Koalition’?). Die BOP-Theorie, die sich auch hier in der Story von “Domino” manifestiert, hat durchaus auch Relevanz für die aktuellen Beziehungen zwischen dem Westen und Russland beziehungsweise China.
- Muss ein Krieg gegen einen kaltblütigen Feind zwangsläufig bis zum bitteren Ende gekämpft werden oder gibt es vielleicht doch einen diplomatischen Ansatz? Ist das sog. ‘Einfrieren’ eines Konflikts in diesem Kontext sinnvoll (Waffenruhe; keine weiteren Toten) oder naiv (Feind nutzt die Waffenpause zur weiteren Aufrüstung und gewinnt somit eventuell einen strategischen Vorteil)? Auch diesbezüglich bezieht die Episode Stellung und befürwortet das Einfrieren des Konflikts, ohne jedoch die damit verbundenen Risiken zu verschweigen.
- Ist ‘Abschreckung’ eine effektive Strategie zur dauerhaften Friedenssicherung (‘Balance of Terror’ bzw. ‘Balance of Threat’) oder führt diese am Ende doch nur in eine gefährliche Rüstungsspirale? Bezüglich dieser Fragestellung bleibt die Episode kontrovers. Die Union sieht in der Abschreckung zwar eine gute Gelegenheit, den Konflikt mit den Kaylon einzufrieren. Allerdings ist man sich absolut bewusst, dass dies die Kaylon dazu veranlassen wird, die eigene Waffentechnologie weiterzuentwickeln (=Rüstungsspirale).
- Wie können wir dem Drang widerstehen, unserem ärgsten Feind Würde und Recht auf Leben abzusprechen? (Admiral Ozawa zweifelt an einer Stelle nämlich an der von den anderen vorgenommenen Kategorisierung der Kaylon als “Lebewesen”). Die Antwort der Episode darauf ist eindeutig: Man muss sich die Mühe machen, den Feind besser kennenzulernen und ihm eine echte Chance zum Sinneswandel geben.
- Ist Genozid Ultima Ratio gerechtfertigt, etwa wenn die eigene Existenz gefährdet ist? Oder wäre die Aufgabe fundamentaler Prinzipien (Selbstverleugnung) nicht vielleicht sogar schlimmer als die eigene Auslöschung? Auch diesbezüglich argumentieren die verschiedenen Figuren teilweise utilitaristisch, teilweise wertorientiert.
“The Orville” packt hier mutig ganz heiße Eisen an und macht in meinen Augen auch eine sehr gute Figur dabei. Gewiss, insbesondere unter den Eindrücken unserer gegenwärtigen Realität erscheint der fundamentale Sinneswandel des Kaylon Primary doch enorm unrealistisch, geradezu ‘utopisch’. Oder würde irgendjemand derzeit Wladimir Putin einen solchen Sinneswandel zutrauen? Wohl eher nicht.
Aber gerade darin liegt doch die Stärke von Science-Fiction: Eskapismus. Nach gut zwei Dekaden mit zahlreichen eher dystopischen Science-Fiction-Produktionen und in Anbetracht der düsteren Gegenwart ist es schön, dass uns “The Orville” hier mal wieder den Kontrast zu unserer eigenen Lebenswelt präsentiert. Ob das nun ‘realistisch’ sein mag oder nicht, ist eigentlich zweitrangig. Es kommt doch auf die Botschaft an.
Weniger utopistisch, vielmehr realistisch ist hingegen die Einschätzung, die sowohl die Kaylon als auch Admiral Halsey in Bezug auf die Demokratie äußern. Ja, demokratische Prozesse können mitunter langwierig und ineffizient sein. Demokratie ist gewiss nicht Perfektion. Die Geschichte hat aber gezeigt, dass es keine bessere Regierungsform gibt, um den kollektiven Frieden und die Freiheit des Individuums zu fördern. Auch diesbezüglich wirkt “The Orville” angenehm geerdet.
Inszenierung
Auf der inszenatorischen Ebene kann “Domino” vollends überzeugen. Die Handlung ist von der ersten bis zur letzten Sekunde fesselnd, es gibt keine Leerstellen oder auffällige Handlungsbrüche. Alles wirkt enorm organisch, was durchaus überrascht, denn auch diese Episode wurde unter Corona-Bedingungen gedreht und ist daher erneut (außerplanmäßig) das Ergebnis von zwei Regisseuren: Jon Cassar und Seth MacFarlane.
Auf der visuellen Ebene ist “Domino” ganz auf der Höhe der Zeit. Nach meinem Dafürhalten sind die Battle-Sequenzen sogar noch einmal bild- und tongewaltiger als in “Discovery” oder “Picard”. Stilistisch kombiniert die Episode sowohl den Stil von “Star Wars” (Fighter) als auch den von “Star Trek” (große Raumschiffe). Auch das orbitale Skydiving ist natürlich aus “Star Trek (2009)” entliehen.
Alles in allem ist das gewiss sehr beeindruckend, aber eben auch irgendwie sehr Mainstream-like. Das spiegelt sich dann leider auch etwas in der Dramaturgie des letzten Drittels wider, in dem die Handlung weitestgehend in erwartbaren Bahnen verläuft. Charlys Selbstopfer kommt jetzt auch nicht unbedingt aus der kalten Hose und auch sonst bleibt man leider den üblichen Hollywood-Klischees verhaftet (z.B. wird Kelly natürlich in aller letzter Sekunde von Keyali gerettet). Aber auch “The Orville” kann nicht jede Woche das Rad der Dramaturgie neu erfinden. Innovation ist ohnehin nicht die Kernkompetenz dieser Serie, sondern eher das Storytelling.
Schlussbetrachtung
“Domino” ist eine hervorragende Episode, die mit stringentem Storytelling, spannenden anthropologischen und politischen Grundfragen, einer brettstarken Charakterentwicklung sowie einer ebenso flotten wie bild- und tongewaltigen Inszenierung überzeugt. Das vorweggenommene Finale der dritten Staffel erfüllt seine Funktion, (fast) alle Story-Arcs der Staffel sinnvoll und glaubwürdig zusammenzuführen.
Den einzigen Vorwurf, den ich der Episode machen möchte, ist die Tatsache, dass man sich an einigen Stellen der Dramaturgie und Inszenierung doch etwas zu sehr am Mainstream orientiert hat. Gerade im letzten Drittel ist mir das doch etwas zu viel “Star Wars”.
Episodeninfos
Serie | The Orville: New Horizons |
Episoden-Nr. | 35 (Staffel 3, Folge 9) |
Originaltitel | Domino |
Deutscher Titel | Domino |
Drehbuch | Brannon Braga & André Bormanis |
Regie | Jon Cassar & Seth MacFarlane |
US-Erstausstrahlung | 28. Juli 2022 |
DE-Erstausstrahlung | 29. Juli 2022 |
Laufzeit | 78 Minuten |
Also ich fand das einfach zu viel in eine Folge gepackt wurde. Es ist natürlich nicht schlecht gemacht aber an vielen Stellen gibts einfach Sachen, die etwas unlogisch sind. Erst einmal mit der Waffe. Gut die Union hat jetzt ne Superwaffe mit der sie die Kaylonier vernichten könnten. Am Ende entscheidet man sich dagegen und belässt es bei Präventivschlägen. Was ist, wenn die Kaylonier irgendwann Gegenmaßnamen entwickeln? Schließlich haben die ja die modernste Technologie von allen Spezies. Dann das die Waffe von einem Admiral entwendet und zu den Krill/Moclanern gebracht wird. Da hat dann der Admiral Hochverat begangen, aber der… Weiterlesen »
Mega Review, Mega Folge !
5 Sterne, episch, spannend, Raumschiff Porn per Execlance, und ein runder Abschluss rund um Ensign Burke und Isaac. Auch das der Konflikt um Kaylonier abgeschlossenen wurde ist herrlich “Trekkig” wie es sich für eine gute Star Trek Serie gehört, auch wenn die Serie nur inoffizielles Star Trek ist
Leider entdecke ich die Review erst am 19.9. … herzlichen Dank. Mehr kann ich jetzt gar nicht schreiben, denn ich stimme fast 100 %ig überein und Nitpicking am Review ist nun wirklich nicht angesagt. Und zusätzlich (die Folge ist ja schon so lang her) habe ich Lust, mir die Folge jetzt noch einmal anzusehen.
Hoffentlich lese ich hier bald auch noch das letzte Review.