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StartFilmeRetro-Rezension: 40 Jahre "Star Trek II: Der Zorn des Khan"

Retro-Rezension: 40 Jahre “Star Trek II: Der Zorn des Khan”

Am 4. Juni 1982 feierte das zweite Leinwand-Abenteuer der TOS-Crew Premiere. Anlässlich des 40. Jubiläums von “Star Trek II: The Wrath of Khan” gehen wir in dieser Retro-Rezension noch einmal in die Tiefenanalyse.

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Die Hintergründe

“Star Trek” am Scheideweg

Auch wenn “Star Trek: The Motion Picture” (“Star Trek: Der Film”) 1979/80 ein Erfolg an den Kinokassen war, blieb das erste Kinoleinwand-Abenteuer der TOS-Crew zumindest aus kreativer Sicht doch deutlich hinter den allgemeinen Erwartungen zurück. Viel zu langatmig sei die Filmhandlung gewesen, so ein weit verbreitetes Urteil. Außerdem wurde seinerzeit beklagt, dass Kirk und Co. stellenweise viel zu hölzern agiert hätten, also im Vergleich zur Serie irgendwie außerhalb ihrer gewohnten Eigenarten. Hierbei muss man allerdings bedenken, dass sich Produzent Gene Roddenberry damals ganz bewusst gegen eine Imitation von “Star Wars” (1977) entschieden hatte. Sein “Star Trek”-Film orientierte sich vielmehr an dem eher ruhigen Science-Fiction-Klassiker “2001: A Space Odyssey” (1968).

Die Chefetage von Paramount sah das zu Beginn der 80er-Jahre allerdings völlig anders. Nach dem überwältigenden Erfolg des “Krieg der Sterne”-Sequels “Das Imperium schlägt zurück” (1980) wollte man einen weiteren “Star Trek”-Kinofilm produzieren, der deutlich tempo- und actionreicher sein sollte. Top oder Flop war die Devise: Entweder der Film wird ein Erfolg und die “Star Trek”-Reihe kann zukünftig fortgeführt werden. Oder das Ende der Reihe ist besiegelt. Glücklicherweise wurde “Star Trek II” ein großer Erfolg – auf der finanziellen Ebene ebenso wie bei den Filmkritikern. Doch der Weg dorthin war alles andere als einfach. “Star Trek II” hatte nämlich mit gleich drei Hürden zu kämpfen.

Budgetkürzungen, interne Querelen und Drehbuch-Chaos

Die erste Hürde war die eines im Vergleich zu “The Motion Picture” (TMP) massiv reduzierten Produktionsbudgets. Die Kosten des ersten Kinofilms waren im Verlauf der Produktion nämlich regelrecht explodiert, von ursprünglich veranschlagten 15 Mio. $ auf stolze 44 Mio. $. Angesichts dieses Planungsdesasters drei Jahre zuvor bekam das Produzententeam von “Star Trek II” lediglich 11 Mio. $ vom Studio bewilligt, also ganze 75 Prozent weniger. Die enorme Budgetkürzung ist auch der Grund dafür, weshalb einige Effektsequenzen aus “TMP” wiederverwendet werden mussten, darunter die Klingonen-Schiffe sowie die Szenen, welche die Enterprise im Raumdock zeigen. Auf der anderen Seite konnte man für den zweiten Film auf die bereits existierenden Bestandsets der umgebauten Enterprise zurückgreifen, sodass die Budgetkürzung im Nachhinein vielleicht auch etwas krasser erscheint, als sie am Ende tatsächlich war.

Da Paramount mit der inhaltlichen und stilistischen Ausrichtung von “Star Trek” nicht (mehr) zufrieden war, entschieden die Studiobosse, “Star Trek”-Erfinder Gene Roddenberry durch einen anderen, etwas ‘pflegeleichteren’ Mann zu ersetzen: Harve Bennett. Roddenberry wurde also zum Executive Consultant ‘herabgestuft’, was im weiteren Verlauf der Produktion die ein oder andere Querele verursachte. Der “Star Trek”-Schöpfer war nämlich ganz und gar nicht ‘amused’ darüber, was Bennett und seine beiden Autoren, Jack B. Sowards und Newcomer Nicholas Meyer, mit “seinem” Baby vorhatten. Das “neue Star Trek” sollte nämlich deutlich actionreicher und etwas düsterer werden. Zudem plante das Trio, die Sternenflotte künftig mit einem militärischen Habitus zu versehen.

Einige der zahlreichen kreativen Einwände Roddenberrys wurden zwar beherzigt, andere jedoch nicht. Dies hatte wiederum zur Folge, dass Roddenberry mutmaßlich schon Monate vor dem Kinostart des Films Drehbuchdetails an die Öffentlichkeit durchsteckte. Der Legende nach soll dieser Umstand auch dazu geführt haben, dass man die Eröffnungsszene im Brückensimulator (Kobayashi-Maru-Test) erst nachträglich ins Drehbuch schrieb, um die Erwartungen des Publikums hinsichtlich Spocks Tod zu unterlaufen.

Neben den massiven Budget-Restriktionen und dem renitenten Roddenberry litt die Pre-Production des Films aber vor allem auch unter dem enormen Zeitdruck. Das angepeilte Release-Datum schwebte wie ein Damoklesschwert über Bennett, Meyer und Sowards, die große Probleme damit hatten, ein konsistentes und für alle zufriedenstellendes Drehbuch zu verfassen. Dabei hatte man sich nach einem Rewatch der Serie recht schnell darauf verständigt, eine Fortsetzungsgeschichte zu “Der schlafende Tiger” (TOS 1×22 “Space Seed”) zu erzählen.

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Kirk (W. Shatner) und Khan (R. Montalbán) in TOS 1×22 “Space Seed” / “Der schlafende Tiger” (Bild: © Paramount, 1967).

Nach langem Hin und Her und zahlreichen Änderungen an Story und Figuren schrieb Nicholas Meyer das Drehbuch schließlich in einer Art Nacht-und-Nebel-Aktion. Meyer kombinierte verschiedene Handlungsstränge aus Bennetts und Sowards frühen Story-Entwürfen und bastelte daraus mit seinen eigenen Dialogen eine neue Geschichte. Zu den Kernelementen der Filmhandlung zählten der Kirk-Plot (Älterwerden, Umgang mit No-Win-Szenarien), der David-Handlungsstrang (ursprünglich Anführer einer rebellierenden Kolonie), Khans Rache, die Figur Saavik (ursprünglich ein Mann) und ein Plot Device namens “Projekt: Genesis” (zuvor: “Omega”).

Auf der Suche nach dem richtigen Titel

Im Verlauf der Produktion änderte sich mehrmals der Filmtitel, um den es auch den ein oder anderen Streit gab. Das fing schon damit an, ob man den Film mit einer fortlaufenden Zählung (römische Zahl “II”) versehen sollte oder nicht. Schließlich war keinesfalls sicher, dass es nach “Star Trek II” noch weitergehen würde. Allerdings war man wohl vor allem in der letzten Produktionsphase recht optimistisch, dass der Film nicht das Ende der “Star Trek”-Reihe markieren würde. Anders lässt sich wohl kaum erklären, weshalb man sich hinsichtlich Spocks Tod noch ein Hintertürchen (Stichwort ‘Gedankenverschmelzung’) offenließ.

Zu den Arbeitstiteln beziehungsweise Brain-Storming-Titeln zählten “Star Trek: The War of the Generations”, “Star Trek: The Omega System”, “Star Trek: The Genesis Project”, “Star Trek: The New Frontier”, “Star Trek: Omega”, “Star Trek: Worlds That Never Were”, “The New Star Trek” und “Star Trek: The Undiscovered Country” sowie “Star Trek: The Vengeance of Khan”, “Star Trek: The Final Frontier”, “Star Trek: A Matter of Life and Death”, “Star Trek: Escape from Eden”, “Star Trek: The Genesis War”, “Star Trek: Baptism of Fire” und schließlich “Star Trek (II): The Wrath of Khan”, der am Ende auch das Rennen machte. Der zeitweise Favorit des Studios, “The Vengeance of Khan”, wurde angesichts des für 1983 geplanten “Star Wars”-Sequels “Revenge of the Jedi” (später: “The Return of the Jedi”) in den finalen Titel umgeändert.

Respektable ‘Notlösung’

Wenn man sich die teils chaotische Entstehungsgeschichte des Drehbuchs vor Augen führt, dann ist es umso beeindruckender, wie organisch die verschiedenen Handlungsstränge damals von Meyer zusammengeführt wurden. Das soll nicht heißen, dass es nicht auch noch besser gegangen wäre. So ist es nicht. Aber damals war man in Hollywood eben noch der Auffassung, dass ein guter Film eine Laufzeit von zwei Stunden nicht überschreiten sollte, von Monumentalfilmen vielleicht mal abgesehen.

Stilistisch überzeugt vor allem die erzählerische Klammer, die mit dem Kobayashi-Maru-Test einsetzt und mit Spocks Tod beziehungsweise mit Kirks und Davids Gespräch darüber schließt. Meyer ist es zudem gelungen, innerhalb dieser Klammer eine Dramaturgie zu platzieren, die auch nach 40 Jahren und dem x-ten Rewatch immer noch zu fesseln weiß. Nicht schlecht für ein Drehbuch, das letztendlich mit heißer Nadel als ‘Notlösung’ gestrickt wurde.

Meinung #1 “Der Film ist überbewertet…”

Khans Vendetta: Oft kopiert, nie erreicht

Im Zentrum der Handlung stehen ohne jeden Zweifel Khans Rachegelüste und das dadurch ausgelöste Raumschiff-Duell zwischen der Enterprise und der Reliant, das einem U-Boot-Gefecht nachempfunden ist.

Hinsichtlich der Inszenierung dieses Duells bleibt “Star Trek II” bis heute unerreicht, zumindest was den Vergleich mit den übrigen “Star Trek”-Kinofilmen angeht. Vor allem “Star Trek: Nemesis” versuchte sich 20 Jahre später eher erfolglos daran, den Duell-Stil zu kopieren und “Der Zorn des Khan” sogar noch toppen zu wollen, nämlich indem man der Enterprise-E eine technologisch überlegene Scimitar entgegenstellte. Trotz deutlich besserer Effektmöglichkeiten gelang es dem vierten “The Next Generation”-Kinofilm allerdings nicht, die besondere Dramaturgie und Atmosphäre von “Star Trek II” zu reproduzieren.

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“Das Boot” im Weltraum: Kirks Enterprise gegen Khans Reliant (Bild: © Paramount, 1982).

Auch das Duell zwischen Picard (Patrick Stewart) und seinem bösen Klon Shinzon (Tom Hardy) konnte der Konstellation Kirk (William Shatner) versus Khan (Ricardo Montalbán) nicht das Wasser reichen. Das dürfte vor allem auch daran gelegen haben, dass es der Neuauflage an einer gemeinsamen Vorgeschichte à la “Der schlafende Tiger” fehlte. Nichtsdestotrotz bin ich der Auffassung, dass Khan in besagter TOS-Episode einen imposanteren Widersacher für Kirk darstellt als in “Star Trek II”. Auch wenn Montalbán Khan hier erneut grandios verkörpert, ist die Figur im Film leider deutlich weniger facettenreich als noch in der TV-Episode. Khans maßlose emotionale Kompromittierung scheint mir auch ein (wenigstens kleiner) Widerspruch zu dessen vermeintlicher Überlegenheit zu sein. In “Der schlafende Tiger” kam Khan jedenfalls deutlich ambivalenter rüber: erhabener, kontrollierter, listiger und in seiner Wirkung auf andere auch irgendwie bipolarer. Einerseits wussten Kirk und Co. um dessen Gefährlichkeit; andererseits imponierte er ihnen auch irgendwie.

Aber eben jene Bipolarität der Figur Khan kommt in “Star Trek II” leider nicht mehr zum Tragen. Dass sich Kirk und Khan während des gesamten Films auch niemals physisch gegenüberstehen, ist ein weiteres Manko. Tatsächlich soll ein früher Drehbuchentwurf auch eine Schwertduell-Szene mit Kirk und Khan beinhaltet haben, die es aber leider nicht bis in den finalen Drehbuchentwurf geschafft hat.

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Khan will Rache, wirkt dadurch aber alles andere als super-intelligent (Bild: © Paramount, 1982).

Gleichwohl bleibt Khan bis heute einer der besten Bösewichte der Star Trek-Historie. Ob er aber auch der beste Widersache ist, liegt natürlich im Auge des Betrachters. An seine Gefährlichkeit reichen bestenfalls noch Shinzon (“Star Trek: Nemesis”) und General Chang (“Star Trek VI: Das unentdeckte Land”) heran. Dr. Soran (Malcom McDowell, “Star Trek: Treffen der Generationen”) oder auch Admiral Dougherty (Anthony Zerbe, “Star Trek: Der Aufstand”) sind aber in meinen Augen hinsichtlich der Figurenzeichnung (Motivation, Habitus) vielschichtiger geschrieben. Und insgesamt betrachtet sind Gul Dukat (Marc Alaimo) und Kai Winn (Louise Fletcher) aus “Deep Space Nine” bis heute sowieso unerreicht.

Mehr als eine simple Rache-Story

Auch wenn Khans Vendetta zweifelsohne im Mittelpunkt der Handlung steht, so hat “Star Trek II” erzählerisch doch deutlich mehr zu bieten. So hadert u.a. Kirk mit zwei seiner früheren Entscheidungen, die er einst zugunsten seiner Karriereambitionen traf, während Spock sich entsprechend seiner Lebensphilosophie (“Das Wohl von vielen wiegt schwerer als das Wohl von wenigen, oder eines einzelnen”) für Schiff und Besatzung opfert. Und das alles vollzieht sich im Lichte eines existentialphilosophischen Narrativs von Schöpfung, Leben, Tod und Erlösung (“Es war die beste aller Zeiten, es war die schlechteste aller Zeiten.”, nach Charles Dickens: A Tale of Two Cities, 1859 ).

Der Film spielt nämlich mit diversen Grundfragen der menschlichen Existenz, ohne dass man hier den Tiefgang einer starken “The Next Generation”-Folge erwarten darf. An die Kinofilme muss man hier gewiss eine andere Messlatte anlegen. Nichtsdestotrotz wirft “Star Trek II” auch die ein oder andere interessante anthropologische Frage auf:

Ist das Älterwerden ein Geschenk oder eine Bürde?

“Verdammt Jim, andere Leute haben auch Geburtstag. Wir stehen hier wie auf einer Beerdigung.”

Dr. McCoy

Wie reagiere ich in (scheinbar) unlösbaren Situationen?

“Ich verliere nicht gern. […] Für mich gibt es keine ausweglose Lage.”

Admiral Kirk

Kann ich mir meine eigenen Fehler (oder Unzulänglichkeiten) selbst verzeihen?

“Mein Sohn. Mein Leben, wie es hätte sein können, aber nicht war. Wie fühle ich mich jetzt? Alt. Verbraucht.”

Admiral Kirk

Wie gehe ich mit meiner eigenen Sterblichkeit (oder der einer nahestehenden Person) um?

“Ich hab [den Tod] betrogen. Mit vielen Tricks bin ich ihm entgangen und hab mir wegen meiner Genialität auf die Schulter geschlagen. […] Ich weiß gar nichts.”

Admiral Kirk

Spocks selbstloser Opfertod rettet nicht nur Schiff und Besatzung, sondern spendet Kirk am Ende sogar ein Stück Erlösung (“Ich fühle mich jung.”), die sich auch in der Erschaffung des Genesis-Planeten manifestiert (“Leben aus der Leblosigkeit”). “Der Zorn des Khan” greift hier nicht nur auf biblische Sprache (“Genesis”) zurück, sondern adaptiert sogar in gewisser Weise ihr soteriologisches Hauptmotiv.

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Spocks Tod rettet Schiff und Besatzung und erlöst Kirk von seinem Grübeln über sein fortschreitendes Alter (Bild: © Paramount, 1982).

Das ‘Projekt Genesis’ stellt wiederum eine geschickte Spiegelung Khans und der übrigen Augments dar. Denn auch sie sind das Produkt von Menschen, die eigentlich etwas Positives erschaffen wollten: Einen neuen Typus Mensch, der nicht krank wird, der hochintelligent ist und seinen Verstand auch stets zu nutzen weiß. Schon seit der Antike träumen Menschen von der sogenannten “Eugenik”, den “guten Genen”; von der Überwindung des modernen Menschen hin zu einem optimierten, post-humanen Dasein.

Doch in der Trek-Erzählung von den “Eugenischen Kriegen” machten die Menschen einen fatalen Fehler: Sie unterschätzten den Hochmut und den Machttrieb ihrer eigenen Gattung. Die neu geschaffenen Augments waren letztendlich nicht die “Krone” der (menschlichen) Schöpfung, sondern vielmehr die Inkarnation seiner Abgründe. Der Mensch sah in der Folge eben nicht, dass es gut war, was er erschaffen hatte.

Sehr deutlich wird die hier thematisierte Ambiguität menschlicher Schöpfungsakte, also Ambition und tatsächliches Resultat, in einem Wortgefecht zwischen Spock (Leonard Nimoy) und Dr. McCoy (DeForest Kelley), das im Director’s Cut sogar noch aussagekräftiger ist.

Kirk: Die Macht der Schöpfung. […]

McCoy: Aber… Großer Gott, glaubt ihr denn, dass wir intelligent genug sind? Angenommen dieses Ding würde dort eingesetzt, wo schon Leben existiert…

Spock: Es würde dieses Leben zerstören, um seine neue Form zu begünstigen.

McCoy: Seine neue Form? Wissen Sie eigentlich, was Sie da sagen?

Spock: Ich hatte nicht die Absicht, die moralischen Auswirkungen zu bewerten, Doktor. Im Rahmen der kosmischen Geschichte war es immer einfacher zu zerstören… als zu erschaffen.

McCoy: Jetzt nicht mehr. Jetzt können wir beides auf einmal tun. Nach dem Mythos wurde die Erde in sechs Tagen geschaffen. Und nun passen Sie auf: Jetzt kommt Genesis! Sie schafft es schon in sechs Minuten!

Spock: Ich bestreite nicht, dass wenn das Projekt in die falschen Hände gerät…

McCoy: In die falschen Hände? Würden Sie mir vielleicht sagen, was in diesem Fall die richtigen Hände wären, mein logischer Freund? Oder sollten Sie sogar am Ende für dieses Experiment sein?

Spock: Also wirklich, Doktor McCoy. Sie müssen lernen ihre Emotionen zu beherrschen, sonst wird das noch Ihr Untergang sein. Die Logik empfiehlt…

Originaler Wortlaut: Really, Dr. McCoy; you cannot ban the acquisition of knowledge because you distrust the moral implications of what you learn. Logic suggests… (Also wirklich, Doktor McCoy. Sie können die Wissensaneignung nicht verbieten, nur weil Sie den moralischen Auswirkungen dessen, was Sie erforschen, misstrauisch gegenüberstehen. Die Logik empfiehlt […])

McCoy: Die Logik? Bei Gott, der Mann hier redet von Logik. Wir reden vom Untergang des Universums. […]

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Kirk, McCoy und Spock diskutieren über die moralischen Implikationen des Terraforming-Projekts “Genesis” (Bild: © Paramount, 1982).

McCoy wirft hier eine interessante Frage auf. Zumeist werden höchst ambivalente Wissenschaftsprojekte – Technologien oder Verfahren – unter dem Aspekt bewertet, dass man eben verhindern müsse, dass diese “in die falschen Hände” geraten. Für David Marcus beispielsweise wären diese das Militär.

McCoy geht aber sogar noch einen Schritt weiter, denn in seinen Augen sind manche Dinge schlicht so gefährlich, dass besser auch die “Guten” ihre Finger davon lassen sollten. Denn auch Menschen mit guten Motiven haben Schwächen – oder machen Fehler. Manche Experimente seien aus sich heraus einfach ein Tabu, und zwar aufgrund ihrer nicht abzuschätzenden Folgen. Spock sieht das naturgemäß anders, er setzt der Suche nach Wissenserweiterung grundsätzlich keine Grenzen. Die moralischen Implikationen stehen bei ihm (zunächst) an zweiter Stelle.

Leider entstellt die deutsche Fassung aus für mich nicht nachvollziehbaren Gründen Spocks Gegenposition, indem sie einen persönlichen Angriff auf McCoy daraus macht. Ein weiterer Beleg dafür, weshalb man “Star Trek” nach Möglichkeit in der englischen Originalfassung schauen sollte.

Der Film selbst (und auch sein direktes Sequel) schlägt sich dann aber doch eher auf die Seite von McCoy. Und mit diesem dezidierten Statement gegen wissenschaftlichen Hochmut (Genesis) und gegen ein post-humanistisches Welt- und Menschenbild (Augments) hebt sich “Star Trek II: Der Zorn des Khan” in gewisser Weise auch von jüngeren Trek-Iterationen ab, die etwa die Eugenik (“Strange New Worlds”) oder auch das Mind-Uploading (“Picard”) eher positiv darstellen. Und die somit die Grenzen des Erlaubten hinsichtlich eines menschlichen Eingriffs in die Natur auch weiter nach hinten verschieben als das klassische “Star Trek”.

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Wie weit darf Forschung gehen? Das “Projekt Genesis” wird zum Mittelpunkt einer philosophischen Diskussion (Bild: © Paramount, 1982).

Zum viel zitierten kritischen Rationalismus von “Star Trek” gehört für den 40 Jahre alten Film “Der Zorn des Khan” folglich auch ein ausgeprägtes Bewusstsein um die ethischen und methodischen Grenzen der (Natur-)Wissenschaften. Nach meinem Dafürhalten ist “Star Trek II” folglich auch ein Plädoyer für wissenschaftliche Sorgsamkeit und Demut. Der Umstand, dass Dr. David Marcus im Rahmen seiner Forschung auch fragwürdige Methoden (Protomaterie) zur Anwendung bringt, was allerdings erst in “Star Trek III” offenbart wird, unterstützt diese Lesart. Eine durchaus interessante und gesellschaftsrelevante Botschaft, die hier im Subtext des Films mitschwingt – auch heute noch. Die “Voyager”-Episode “Die Omega-Direktive” (VOY 4×21) ist übrigens eine Reminiszenz an “Star Trek II” und dessen “Genesis”-Dilemma.

Aus der zeitgeschichtlichen Perspektive spiegelt sich in dem Terraforming-Projekt “Genesis” natürlich auch die Kernenergie-Debatte der späten 70er und frühen 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wider. Genauer gesagt die Ambivalenz der Kernenergie sowohl als schöpfende Kraft (Energie, Strom, Wärme) als auch als todbringende Massenvernichtungswaffe (Nuklearwaffen, Super-GAU).

Kritikpunkte

Auch “Star Trek II: Der Zorn des Khan” ist gewiss nicht frei von Filmfehlern, Logiklöchern oder Inkonsistenzen in Figurenzeichnung und Erzählung.

Was die Plot Holes angeht, sticht vor allem die Storyline um Khan und Ceti Alpha V ins Auge. Es ist schon arg unglaubwürdig, dass niemandem in der Föderation aufgefallen sein soll, dass hier ein Planet explodiert ist, zumal sich laut Memory Alpha Sternenbasis 12 in der Nähe befindet. Und ist es bei Sternenflottenschiffen nicht eine Standardprozedur, das Sonnensystem, in das man gerade einfliegt, ausführlich zu scannen? Warum merkt die Crew der Reliant also nicht schon viel früher, dass einer der zuvor kartografierten Planeten nun plötzlich fehlt?

Zudem finde ich es äußerst fragwürdig, dass Kirks Verhalten (und das der Föderation) in den Jahren nach “Der schlafende Tiger” im Film überhaupt nicht kritisch reflektiert wird – außer von Khan natürlich. Also warum hat man sich denn nie wieder um die Ausgesetzten gekümmert? Entspricht das etwa den humanistischen Werten der Föderation?

Auch die mehrmals wiederholte Zeitangabe von den angeblich vergangenen 15 Jahren zwischen “Der schlafende Tiger” und “Der Zorn des Khan” ist fehlerhaft. Tatsächlich lagen 15 Jahre zwischen der Produktion der TV-Episode (1966) und dem Drehbeginn des zweiten Kinofilms (1981). Aber In-Universe sind eigentlich schon 18 Jahre vergangen (2267-2285). Dass Khan im tristen Exil sein Zeitgefühl verloren hat, würde ich dem Film noch abnehmen. Aber Kirk müsste es doch eigentlich besser wissen.

Ein echter Klassiker ist derweil der Umstand, dass die Enterprise mal wieder das einzige Schiff im Quadranten ist, das Regula 1 schnellstmöglich erreichen kann. Und das, obwohl man erst kürzlich von der Erde aus zu einem Schulungsflug aufgebrochen ist.

Übrigens, warum gibt es auf einer sterilen Forschungsraumstation eigentlich Ratten? (Deep Space 9 ist hingegen ein hochfrequentierter Raumhafen, also nicht vergleichbar.) Und wie ist Khan eigentlich an seinen Kettenanhänger (abgebrochenes Starfleet Badge der 2270er/80er-Jahre) gekommen? Den trägt er nämlich auch schon um den Hals, bevor er die Reliant kapert.

Ein dickes Drehbuchloch ist ferner, dass die Genesis-Matrix aus den Bestandteilen eines kosmischen Nebels einen Klasse-M Planeten bilden kann. Wenn das Regula-Forschungsteam das vorher gewusst hätte, dann hätte man sich die Suche nach einem komplett “toten” Planetoiden auch einfach sparen können. Zumal der Mutara-Nebel direkt um die Ecke ist.

Diesen Handlungsaspekt kann man sicherlich noch irgendwie akzeptieren, aber wirklich logisch erscheint mir die Genese des Genesis-Planeten hier nicht.

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Die Figur des David Marcus (Merrit Butrick) wirkt enorm überzeichnet (Bild: © Paramount, 1982).

Hinsichtlich der Charakterisierung ist zu bemängeln, dass die Figur des David Marcus (Merritt Butrick) leider total überzeichnet ist. “Star Trek II” leidet – ebenso wie sein direkter Nachfolger “Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock” – an der fehlenden Ausarbeitung der Kirk-David-Beziehung, die völlig aus dem Nichts kommt und auch nicht wirklich adäquat vertieft wird. Sowohl Davids anfänglicher Hass auf Kirk (“Mutter, er hat alle umgebracht, die wir zurückgelassen haben.”) als auch sein versöhnliches Gewinsel am Ende des Films (“Ich bin stolz, dein Sohn zu sein!”) wirken enorm konstruiert. Diese radikale Charakterwandlung nehme ich dem Film hier einfach nicht ab.

Meinung #2 “Ich war hin und weg…”

Ein zeitloses Meisterwerk

Vierzig Jahre nach dessen Erstaufführung ist “Star Trek II: Der Zorn des Khan” noch immer ein filmisches Meisterwerk. Der Film erzählt eine kurzweilige und durchweg spannende Geschichte mit vielen interessanten Details.

“Star Trek II” mag vielleicht nicht das gesellschaftskritische Niveau von “Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart”, “Star Trek VI: Das unentdeckte Land” oder “Star Trek: Der Aufstand” erreichen, ist aber dennoch nicht gänzlich frei von einem philosophischen Subtext. Für eine – aus heutiger Sicht – eher geringe Laufzeit von unter zwei Stunden kann sich das durchaus sehen lassen.

Zumal der Film auch auf der inszenatorischen Ebene hervorragend gealtert ist. Die Effekte mögen gewiss überholt wirken, aber dramaturgisch und musikalisch (Musik: James Horner) kann es “Star Trek II” in meinen Augen mit fast jedem modernen Film aufnehmen. Denn Autor und Regisseur Nicholas Meyer ist es seinerzeit gelungen, verschiedene Stilelemente, wie Action, Horror, Humor, Thriller und Nachdenklichkeit in eine – über weite Strecken – konsistent erzählte Geschichte zu integrieren. Eine Geschichte, die Action-Fans ebenso anzusprechen vermag wie jene Zuschauer, die sich über eine gute Charakterentwicklung freuen.

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Horror war schon in der Originalserie mitunter ein erfolgreiches Stilmittel (Bild: © Paramount, 1982).

Für mich ist “Star Trek II: Der Zorn des Khan” in der Tat derjenige Film, den ich am regelmäßigsten rewatche. Er steht für mich mindestens auf einer Stufe mit “Star Trek IV”, “Star Trek VI” und “Star Trek: Der erste Kontakt”, in Sachen Pacing und Film-Atmosphäre vielleicht sogar noch eine Nuance darüber. Auch wenn es gewiss ‘trekkigere’ Leinwandabenteuer gibt, so ist es am Ende doch die einzigartige und scheinbar nicht kopierbare Atmosphäre des Films, die mich in regelmäßigen Abständen immer wieder dazu veranlasst, den Film in den Blu-ray-Player einzulegen. Vor allem in der neuen Ultra-HD-Version ist der Film wahrlich ein Genuss.

Das Herz schreit förmlich nach fünf von fünf Sternen. Aber wie diese Rezension hoffentlich nachvollziehbar gemacht hat, ist auch das zweite Kino-Abenteuer der TOS-Crew nicht frei von Widersprüchlichkeiten und kleineren Ärgernissen. Aber welcher Film ist schon perfekt?

Und so bleibt die Erkenntnis: “Star Trek II” ist auch im Jahr 2022 noch immer ein absolut sehenswerter Film, der verdammt gut unterhält. Und dennoch sollte man nicht weiter versuchen, ihm allzu sehr nachzueifern. Auf manchen Werken liegt nun einmal ein kreativer Kopierschutz. “Der Zorn des Khan” ist eines dieser Werke, die man einfach nicht kopieren kann. Denn der Film steht für sich allein – auch heute noch, 40 Jahre nach seinem Release.

Bewertungsübersicht

Handlung
Stringenz des bekannten Kanons
Charakterentwicklung
Spannung
Action & Effekte
Humor
Dialoge
Intellektueller Anspruch
Atmosphäre
Rewatch-Faktor

Fazit

Zeitloses Meisterwerk. Anschauen und genießen - wenn möglich in der Originalfassung!
Deutscher TitelStar Trek II: Der Zorn des Khan
OriginaltitelStar Trek II: The Wrath of Khan
SerieThe Original Series
RegisseurNicholas Meyer
DrehbuchNicholas Meyer (Story: Harve Bennett & Jack B. Sowards)
GastdarstellerRicardo Montalbán (Khan Noonien Singh), Kirstie Alley (Lt. Saavik), Bibi Besch (Dr. Carol Marcus), Merritt Butrick (Dr. David Marcus), Paul Winfield (Capt. Terrell), Judson Scott (Joachim)
US-Erstausstrahlung04.06. 1982
DE-Erstausstrahlung04.11. 1982
Sternzeit / Missionsdatum8130.3 (2285)
Dauer113
Matthias Suzan
Matthias Suzan
Matthias' Leidenschaft für "Star Trek" wurde 1994 mit knapp zehn Jahren durch "The Next Generation" geweckt. TNG und DS9 sind bis heute seine Lieblingsserien. Es sind vor allem die politischen, gesellschaftlichen und menschlichen Themen des Trek-Universums, die ihn faszinieren. Aber auch die vielen, tollen Raumschiffe haben es dem passionierten Modellbauer angetan. Matthias ist seit 2017 Teil der TZN-Redaktion.

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