Paramount und Recur wollten am Wochenende 20.000 rein digitale Raumschiff-Tokens aus dem “Star Trek”-Universum unter das Fan-Volk bringen. Den größten Teil davon wollte trotz prominenter Werbebotschafter wie William Shatner niemand kaufen. Gekniffen sind nun die, die dennoch auf steigenden Wert spekuliert haben.
“Star Trek: Continuum” ist in jeder Hinsicht ein PR-Desaster. Der Versuch, digitale Raumschiffbildchen als Spekulationsobjekte unter Trekkies zu bringen, ist zudem offenbar weit hinter den Erwartungen des Lizenznehmers Recur zurückgeblieben. Binnen 24 Stunden wollte Recur eine auf 20.000 Exemplare limitierte Auflage von sogenannte “Non-fungable Tokens” an Trekkies und Spekulanten verkaufen. Am Ende ist nicht einmal die Hälfte davon auf der Blockchain gelandet.
Die NFTs von “Star Trek: Continuum” finden keine Abnehmer
Der Witz der digitalen Tokens ist, dass sie durch Blockchain-Technologie digitale Güter, die man eigentlich beliebig und praktisch kostenlos vervielfältigen kann, künstlich verknappen (bzw. die Links auf solche digitalen Güter, die so vage Eigentumsrechte abbilden sollen). Recur hat am Wochenende effektiv nur Links auf JPGs von zufällig generierten Raumschiffen verkauft, die ein Algorithmus aus vorgegebenen Teilen zusammengewürfelt hatte. Wer “Star Trek Online” spielt, kennt dieses “Kitbashing” aus der Kosmetikabteilung des Raumdocks – allerdings nach den eigenen ästhetischen Wünschen und in 3D.
Natürlich wird der Kauf solch künstlich verknappter Güter für die Spekulierenden zum Verlustgeschäft, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt. Und genau das scheint hier passiert zu sein. Es fanden sich einfach keine 20.000 Abnehmer:innen, die bereit waren, für kleine Raumschiffbildern 250 USD auszulegen. Am Ende blieb Recur auf 11.619 Schiffen sitzen. Für die Käufer:innen, die auf steigenden Wert ihrer “digitalen Assets” gehofft hatten, ist das ein denkbar schlechter Start. Es ist ein schlechtes Zeichen, dass die Nachfrage nicht einmal reicht, um die erste Ausgabe dieser “digitalen Wertpapiere” zu decken, wenn unter großem Trommelwirbel dafür geworben wird.
Recur stellt in Aussicht, dass es in Zukunft möglich sein soll, die erworbenen Raumschiffe auf “Missionen” zu schicken, um zusätzliche NFTs zu erlangen. Aber Belege dafür, dass überhaupt schon ein Handschlag an einem solchen “Spiel” gearbeitet wurde, ist die Firma der Öffentlichkeit noch schuldig. Schwer vorstellbar, dass die Einnahmen aus dem NFT-Verkauf reichen, auch nur einer der bereits existierenden Free-to-Play-Alternativen wie “Star Trek Online” oder “Star Trek: Timelines” in Sachen Qualität und Spielspaß ernsthaft Konkurrenz zu machen.
Das hier zu beobachtende Vorgehen ist in der Welt der NTFs keine Seltenheit, wie Dan Olson in seinem Film “Line Goes Up” darlegt. Es versuchten derzeit allerlei Goldgräber mit zufallsgenerierten Avataren “Communities” aus der Taufe zu heben. Der Wert dieser NFTs wird mit nebulösen Versprechen über die Zukunft der “Marke” begründet, die über den initialen NFT-Verkauf hinausgehen (und selten eingehalten werden).
Heute (12. April 2022) werden die Schiffe aus dem Verkauf am Wochenende bereits für unter 200 USD auf dem dafür eingerichteten Marktplatz gehandelt. Das ist leider bei Ausgaben dieser Art keine Seltenheit, und Besitzer:innen der “Assets” müssen sich vermutlich darauf einrichten, dass es weiter bergab gehen wird.
Shatner wirbt und kokettiert mit Ahnungslosigkeit
Dabei haben Paramount und Recur sehr viel Prominenz aufgefahren und auch die “Star Trek”-Convention in Chicago genutzt, um möglichst viele potentielle Käufer:innen davon zu überzeugen, zuzuschlagen. William Shatner (James T. Kirk) und Senequa Martin-Green (Michael Burnham) haben für das Recur-Projekt geworben, genau so wie David Ayala (Booker) und Anthony Rapp (Paul Stamets).
Mit Staunen kann man ein Interview mit dem Kirk-Darsteller lesen, demnach er offenbar keine Ahnung hat, worum es bei NFTs geht – außer dass sie das nächste dicke Ding sind, um Geld zu verdienen. Der Artikel erweckt zudem den falschen Anschein, dass das Angebot von Recur rasenden Absatz gefunden hätte. Das ist falsch und betrifft nur eine Teiltranche von 5000 Exemplaren, die Nutzer:innen vorbehalten waren, die bereits in Recur investiert sind.
I am going to do a musical number that’ll be an NFT. So, we don’t quite know what an NFT is. We know it’s non-fungible, but what does that mean? And what is its future? […] What people should understand is what I understand — which is nothing.
William Shatner
Zu Deutsch: “Ich werde ein Musikstück als NFT auflegen. Also, wir haben keine Ahnung, was ein NFTs ist. Wir wissen, es ist “Non-Fungible”, aber was soll das bedeuten? Und hat es eine Zukunft? […] Die Leute sollten verstehen, was ich verstehe – und das ist nichts.”
Anthony Rapp versucht Gesichtswahrung
Nach einem gewaltigen Backlash in sozialen Medien probte Anthony Rapp die Vorausverteidigung, indem er Links zu PR-Materialien von Recur verteilte und dies als eine “enorme Forschungsarbeit” ausgab, um Kritikern zu antworten.
Damit adressiert er vermeintlich die ökologischen Bedenken gegen Blockchain-Technologien. Allerdings ist selbst nach Darstellung der verlinkten Recur-Artikel bestenfalls die Ausgabe der Tokens nur bilanziell emissionsneutral, weil dafür anderswo Bäume gepflanzt werden. Dass das ökologisch sinnvoll ist, wird kontrovers diskutiert. Unerwähnt bleibt jedoch, dass der Handel der Tokens laut Lizenzvereinbarung auf startrek.xyz auf jeder kompatiblen Ethereum-Plattform vorgesehen, und Ethereum alles andere als umweltfreundlich ist. Was Rapp hier als Argumentation ins Feld führt, taugt allenfalls als Feigenblatt.
Gelackmeiert sind die anderen
Unadressiert bleibt auch von ihm der Widerspruch, dass ausgerechnet “Star Treks” post-kapitalistische Zukunft zu einem virtuellen Spekulationsgut verarbeitet wird, dessen Mechanismen einige ernstzunehmende Kritiker:innen als unwillkürliches Schneeballsystem bzw. Ponzi-Schema bezeichnen, dass soziale Ungleichheit verschärft. Und die Validität genau dieses Vorwurfs illustriert der “Star Trek: Continuum”-Fall bilderbuchhaft:
Die Käufer:innen sind die einzigen Geschädigten. Schon Tage nach dem “Drop” sind die Schiffchen 20% im Wert gesunken. Dagegen sind Paramount und Recur abgesehen von der Begleitmusik auf Social Media glänzend vom Platz gegangen, und konnten zumindest wirtschaftlich auch nie verlieren.
Trotz des zurückhaltenden Absatzes sind binnen 24h mehr als 2 Millionen USD Umsatz zu Stande gekommen. Der anschließende Wertverlust juckt Lizenzgeber und -nehmer nicht. Geld das sie haben, kann ihnen niemand nehmen. Und sollten die Preise dennoch steigen, hat sich Recur sicherheitshalber das Recht vorbehalten, 2000 Schiffe abseits der ursprünglichen Limitierung für beliebige andere Zwecke nachdrucken zu können (Zitat: “for in-game rewards, challenges, and other exciting activities,” Hervorhebung TrekZone Network).
Kein Ende in Sicht
Solange die Ausgabe von NFTs nicht reguliert wird, ist es ein Spekulationsgeschäft, bei dem Investierende nur verlieren und Anbieter nur gewinnen können. Ob der enttäuschende Absatz reicht, um “Star Trek: Continuum” schnell wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen, wie viele ähnlich gelagerte Projekte zuvor, ist schwer zu prognostizieren. Recur dürfte in jedem Fall noch versuchen, in “Season 1” den bereits existierenden Käufer:innen Besatzungsmitglieder nach gleichem Schema zu verkaufen und nochmal kräftig Geld einzunehmen.