In der vorletzten Episode der vierten Staffel trifft die Discovery endlich mit Spezies 10-C zusammen. Ob die Kommunikation mit den Erschaffern der DMA gelingt, lest ihr in unserer ausführlichen Rezension. Achtung: Spoiler!
“Species Ten-C” wurde von Kyle Jarrow geschrieben, der auch schon für das Drehbuch zu “The Examples” verantwortlich zeichnete. Jarrow gehört ebenfalls zum Produzentenstab der Serie und war früher u.a. für “Lost Generation” als Autor und Produzent tätig.
Während ich “The Examples” nur durchschnittlich fand, hat mich “Species Ten-C” dieses Mal insgesamt positiv überrascht. Jarrow gelingt es, eine in weiten Teilen stringente und spannende Geschichte zu erzählen, welche einerseits die Handlung um die Spezies 10-C endlich entscheidend voranbringt, andererseits aber auch – ganz “Discovery”-untypisch – die volle Bandbreite der Charaktere zu nutzen weiß.
Folge 12 folgt dem Duktus von “Star Trek”-Meilensteinen wie “Darmok”, “Evolution” oder “The Ensigns of Command” (alle aus “The Next Generation”) und stellt das Thema “Kommunikation” ins Zentrum der Handlung. Das Resultat dieses Ansatzes kann sich sehen lassen, denn die zahlreichen ‘trekkigen’ Momente prägen den Gesamteindruck der Episode deutlich stärker als die diversen Plot Holes, die auch in “Species Ten-C” leider wieder zahlreich vorhanden sind.
Komplexe Sprache
Der Themenkomplex “Sprache und Kommunikation“ stand schon des Öfteren im Mittelpunkt diverser “Star Trek”-Episoden und in der Regel kamen auch stets gute Folgen dabei raus. Doch wenn man ehrlich ist, dann wurde die Problematik der Sprachbarriere auch sehr oft und auf sehr einfache Weise umgangen – Stichwort: Universalübersetzer. Selbst “Enterprise” nahm recht früh davon Abstand, Sprachbarrieren in konsequenter Weise zu problematisieren. Wer sich jedoch schon einmal etwas ausführlicher mit dem Thema Kommunikation beschäftigt hat, (hier sei u.a. das sogenannte “Vier-Ohren-Modell” von Friedemann Schulz von Thun empfohlen) der weiß, wie delikat Kommunikationspsychologie wirklich ist. Und genau das fängt “Species Ten-C” auch sehr gut ein.
In der letzten Woche hatte ich “Rosetta” noch für die “Gefühlsduselei” kritisiert, muss mich an dieser Stelle aber zumindest teilweise revidieren. Dass die Serie das Thema Emotionen überstrapaziert, steht für mich weiterhin außer Frage. Das ist auch der Grund, weshalb ‘echte’ Emotionen dann leider oftmals nicht so funktionieren, wie von den Autoren ursprünglich intendiert. Dementsprechend hatte mich die “Gefühlssprache” der 10-C in “Rosetta” auch nicht wirklich abgeholt.
Wenn man “Rosetta” und “Species Ten-C” allerdings als ‘Doppelepisode’ betrachtet, dann entsteht nun ein völlig anderes Bild. Die Idee mit der 10-C-Sprache, die auf komplexen Kohlenwasserstoffverbindungen basiert, bekommt in Folge 12 noch mehr Aufmerksamkeit und auch den nötigen (pseudo-)wissenschaftlichen Anstrich. An dieser Stelle fühlt man sich an gute, alte “The Next Generation”- oder “Voyager”-Zeiten erinnert. Das vermeintliche “emotionale Gedöns” ergibt auf diese Weise tatsächlich Sinn – und hat mir dementsprechend nun auch schon deutlich besser gefallen.
Nichtsdestotrotz hätte man die in Staffel 4 gezeigte Suche nach den 10-C vielleicht auch etwas spannender gestalten können. So gut mir das Tempo, die Ereignisdichte und vor allem der Science Talk in “Species Ten-C” auch gefallen hat, so gut hätte ich es wiederum gefunden, wenn die vielen, kleinen 10-C-Puzzleteile etwas ausgewogener über die gesamte Staffel verteilt worden wären. Die erfolgreiche Analyse der 10-C-Sprache ging mir hier dann doch etwas zu schnell vonstatten.
Spezies 10-C
Die visuelle Umsetzung sowohl des Hyperfeldes als auch der 10-C selbst hat mir indes richtig gut gefallen. Zwar bekommen wir diese mächtige Spezies nun endlich zu Gesicht, letztendlich wird von dieser aber auch nur so viel gezeigt, um deren Andersartigkeit und deren technische Überlegenheit nachempfinden zu können. Der Großteil dieses Mysteriums hat jedoch weiterhin Bestand. Auch an dieser Stelle gebührt den Machern der Serie ein großes Lob. Ich denke, das war hier auch die absolut richtige Entscheidung. Allerdings frage ich mich bei derart gewaltigen Kreaturen immer, wie solche eigentlich Raumschiffe und andere Hightech-Geräte entwickeln und anwenden können.
Mal sehen, wie viel von Spezies 10-C im Staffelfinale noch offenbart werden wird.
Besonders gut hat mir auch gefallen, dass die “Burnham-only-Show” dieses Mal (weitestgehend) ausgefallen ist. “Star Trek” funktioniert als Ensemble-Show einfach besser – selbst im Falle von “Picard”. Das Meeting im Shuttlehangar inklusive Science Talk hat wirklich viel Spaß gemacht, vor allem da auch Dr. Hirai (Hiro Kanagawa) hier endlich an Profil hinzugewinnen konnte. Die A-Story rund um die Dechiffrierung der 10-C-Sprache überzeugt auf breiter Linie und zeigt auf, wie förderlich gutes Storytelling und echte Figurenvielfalt für die Serie sein können.
Vorhersehbarer Verrat
Weniger überzeugend kommt hingegen der B-Plot daher. Dass Tarka (Shawn Doyle) nicht mit offenen Karten spielt, war nach meinem Dafürhalten absolut vorhersehbar. Es macht aus erzählerischer Sicht einfach keinen Sinn, eine derart zwiespältige Figur wie Tarka schon vier Episoden vor Staffelende zu entzaubern. Da musste also zwangsläufig noch etwas kommen, so wie ich es auch prognostiziert hatte. Mir ist das dann aber leider doch etwas zu redundant. Schon wieder eine Bombe?
Sehr bedauerlich ist zudem, wie leichtfertig die Autoren die beliebte Figur des Cleveland Booker (David Ajala) von Folge zu Folge kaputt schreiben. Der macht hier nämlich abermals eine ganz, ganz schlechte Figur. Man kann das schon nicht mehr Empathie oder Naivität nennen, sondern muss es als das benennen, was es ist: pure Dummheit. Denn “Species Ten-C” spiegelt hier fast eins-zu-eins die Ereignisse aus “Rubicon” wider. Booker lässt sich schon wieder (!) auf seinem eigenen Schiff von Tarka überwältigen, ohne zwischenzeitlich einen Back-up-Code in der Tasche zu haben, um im Notfall Tarkas Kommandocodes überschreiben zu können. Das wäre aber doch nach “Rubicon” das logische Vorgehen gewesen, oder etwa nicht? Dass die Ereignisse in “The Galactic Barrier” dazu geführt haben sollen, dass Booker sämtlich Vorbehalte gegenüber Tarka beiseitegelegt hat, leuchtet mir jedenfalls nicht ein – schon gar nicht, da Booker über Tarkas wahre Priorität im Bilde ist.
Der Subplot mit General Ndoye (Phumzile Sitole) und der Entführung von Commander Reno (Tig Notaro) kann leider auch nicht so richtig überzeugen. Ndoyes Verhalten kann man sicherlich mit deren Angst und Ungeduld erklären, wirkt aber trotzdem irgendwie konstruiert. Der obligatorische Saboteur eben. Dass aber weder Zora noch der Discovery-Crew aufgefallen sein soll, dass Reno inmitten einer essentiellen Erstkontaktsituation nicht auf ihrem Posten ist, ist schlichtweg unglaubwürdig. Insbesondere die Auflösung dieser Situation ist dann leider wieder enorm klischeehaft umgesetzt worden: Man registriert Renos Fehlen just in dem Moment, als Tarka sein Vorhaben beginnt. Und wie schnell Culber (Wilson Cruz) dann Renos verstecktes Combadge findet und Adira (Blu del Barrio) das von Tarka heimlich installierte Störgerät…
Naja, alles kein Beinbruch, aber schon etwas ärgerlich, weil man diese kleinen, aber feinen Logiklöcher einfach nicht rausbekommt aus den Drehbüchern. Gleiches gilt auch für die Szenen, in denen Burnham wieder einmal die entscheidende Stichwortgeberin ist. Muss das wirklich in jeder Folge sein? Es ist einfach so dermaßen auffällig und aufdringlich!
Die Schrei-Szene in Burnhams Quartier ist mir auch etwas zu infantil. Aber vielleicht fehlt mir an dieser Stelle auch einfach nur der entsprechende Humor.
Neue Figurenkonstellationen
Selbst die eher dürftige B-Story hat aber durchaus positive Aspekte vorzuweisen. In der Vergangenheit hatte ich mich mehrmals darüber beklagt, dass man für Reno immer dieselben – oftmals wenig bedeutsamen – Comic Relief-Szenen schreibt. In “Species Ten-C” hat man diese Figur aber nun endlich mal sinnvoll in die Geschichte eingebunden. Das Interagieren mit Booker, der hier auch interessante Details zu seiner Biografie preisgibt, hat die B-Story dann doch noch etwas hochgezogen.
“Discovery” ist jedenfalls immer dann gut, wenn die ewiggleichen Figurenkonstellationen (Burnham/Saru, Burnham/Book, Stamets/Culber usw.) aufgebrochen und durch neue Konstellationen ergänzt oder sogar ersetzt werden. Gerade darin lag eine der Stärken der alten Serien (abgesehen vielleicht von TOS), nämlich dass man nicht immer dieselben Figuren miteinander hat agieren lassen. In diesem Bereich hat “Discovery” noch enormes Steigerungspotential. “Species Ten-C” war diesbezüglich aber schon ein guter Anfang.
Ein Meister seines Faches
Schon in der ersten Szene merkt man, wer für diese Folge im Regiestuhl Platz nahm: Olatunde Osunsanmi. Osunsanmi kann es einfach! Selbst wenn vielleicht nicht jeder einzelne visuelle Effekt hundertprozentig perfekt sein mag, so ist “Species Ten-C” doch ohne Zweifel ein echtes Eye Candy. Einstellungen, Kamerafahrten, Schnitte – das alles wirkt enorm cineastisch, sehr stimmig, modern und auch situativ stets passend. Osunsanmi wäre in meinen Augen auch eine richtig gute Wahl für einen “Star Trek”-Kinofilm.
Fazit
Die Grundlage für ein spannendes Staffelfinale ist gelegt. “Species Ten-C” rückt nicht nur “Rosetta” nachträglich in ein etwas besseres Licht, sondern überzeugt selbst mit einer gut erzählten sowie hervorragend visuell inszenierten A-Story, die ganz viel “Star Trek”-Geist atmet. Endlich gelingt es “Discovery” mal wieder, die Bandbreite der Figuren zu nutzen und die Zuschauer darüber hinaus auch mal wieder auf der intellektuellen Ebene zu fordern. Das ein oder andere Logikloch im B-Plot ist somit verschmerzbar. Perfektion darf man von dieser Serie einfach nicht erwarten. Der Grundton der Episode stimmt aber.
Im direkten Duell mit “Picard” landet “Discovery” dieses Mal einen Punktsieg und liefert die etwas bessere Folge ab. Mal sehen, wie die dritte und finale Runde am nächsten Freitag ausgehen wird.