Am 5. März 1992 kam das sechste und letzte Leinwand-Abenteuer der (gesamten) TOS-Crew auch in die deutschen Kinos, nachdem der Film schon drei Monate zuvor (6. Dezember 1991) in den USA seine Uraufführung gefeiert hatte. Anlässlich dieses Jubiläums blicken wir zurück auf einen großartigen Science-Fiction-Politthriller, der ob der aktuellen weltpolitischen Lage wieder so aktuell ist wie zur Zeit seiner Entstehung.
Die Hintergründe: Star Trek und “Das Ende der Geschichte”
Über die Hintergründe des Films dürften die meisten Leser dieser Rezension sicherlich im Bilde sein, weshalb ich mich an dieser Stelle auch nur auf das Wesentliche beschränken möchte.
Nach dem mäßigen finanziellen Erfolg von “Star Trek V: Am Rande des Universums” bei gleichzeitiger wachsender Popularität von “The Next Generation” im Fernsehen war absehbar, dass der Cast der Originalserie – schon allein des Alters wegen – den Staffelstab der Kinofilme in Bälde an TNG übergeben wird, was 1994 in “Star Trek: Treffen der Generationen” dann auch geschah. Der sechste Kinofilm stand daher von Anfang an unter der Prämisse, Kulmination und Abschied der Originalserie zu sein.
Für die Regie wurde abermals Nicholas Meyer verpflichtet, der neun Jahre zuvor schon bei “Star Trek II: Der Zorn des Khan” hervorragende Arbeit abgeliefert hatte. Gemeinsam mit Denny Martin Flinn verfasste Meyer ein Drehbuch, das auf einem Story-Entwurf von Leonard Nimoy, Lawrence Konner und Mark Rosenthal basierte. Deren Geschichte spiegelte die Zeitenwende der Jahre 1989 und 1990 wider und übertrug diese in das Star Trek-Universum. Unter anderem inspiriert von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl im Jahr 1986 (hier: Praxis), dem Fall der Berliner Mauer (1989) sowie der sowjetischen Politik der Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) von Michail Gorbatschow (hier: Gorkon), entstand eine Geschichte, die davon erzählt, wie die Föderation und das Klingonische Reich nach Jahrzehnten des Kalten Krieges nunmehr Frieden schließen und den Quadranten somit in eine neue Zukunft – in ein “unentdecktes Land” führen. Das “Ende der Geschichte” (Francis Fukuyama) nahm also auch in Form einer “Star Trek”-Narration Gestalt an.
“Trinken wir auf das unentdeckte Land…die Zukunft!”
Kanzler Gorkon
Soweit die Parallelen zur Realität. Doch schon in den Anfangsminuten nimmt der Film der Dramatik wegen eine kontrafaktische Wendung. Denn nicht alle – weder auf Seiten der Klingonen noch auf jener der Föderation – können sich mit dieser neuen, friedlichen Perspektive anfreunden. “Das unentdeckte Land” experimentiert sodann mit dem folgenden Gedanken: Was wäre passiert, wenn KGB und CIA seinerzeit gemeinsam konspiriert hätten, um erst Gorbatschow (hier: Gorkon) und anschließend George H. W. Bush (hier: Föderationspräsident, gespielt von Kurtwood Smith) zu ermorden – mit dem Ziel, den Friedensprozess zu torpedieren? Die Basis für einen spannenden Politthriller im fiktiven 23. Jahrhundert war somit gelegt. Meyer und Co. gelang es dann auch vollumfänglich, diese hervorragende Story so umzusetzen, dass am Ende ein von der ersten bis zur letzten Minute mitreißender Film dabei rauskam.
Interessanterweise war der Film bereits im Schnitt, als im August 1991 Putschisten versuchten, Gorbatschow zu entmachten. Glücklicherweise kam Gorbatschow – im Gegensatz zu seinem fiktiven Spiegelbild Gorkon (David Warner) – relativ unbeschadet davon, auch wenn er im Nachgang seine Macht einbüßte.
“Star Trek VI” erhielt fast ausnahmslos gute Kritiken, wenngleich sich Regisseur Nicholas Meyer im Februar 1992 auf der Berlinale auch den ein oder anderen unverschämte Reporterkommentar gefallen lassen musste (ab Time Code 4:00).
Aktuelle Relevanz
Hätte ich diese Retro-Rezension bereits im Dezember (Jubiläum des US-Starttermins) oder eben in den Wochen vor dem 24. Februar verfasst, so hätte diese an einigen Stellen sicher anders ausgesehen. So nach dem Motto: “Mit ‘Star Trek VI’ folgte das Franchise der realen Welt und erklärte den Kalten Krieg mit den Klingonen endgültig für beendet …”. Doch heute ist alles anders. Vor etwas mehr als einer Woche wachten wir in einer neuen, bereits überwunden geglaubten Welt auf. Einer Welt, in der Politologen konstatieren, dass wir derzeit den Beginn eines neuen Kalten Kriegs erleben. Und so wird uns allen gnadenlos vor Augen geführt, dass die vergangenen drei Jahrzehnte womöglich nur eine Interimszeit zwischen zwei Kalten Kriegen gewesen sein könnten. Und dass Frieden stets ein fragiles Gebilde ist, in dem politische Eliten – oftmals sogar Einzelpersonen – zum Zünglein an der Waage der Weltgeschichte werden können – im Guten wie im Schlechten.
“Mord rufen und des Krieges Hund’ entfesseln.”
General Chang
In gewisser Weise hat “Star Trek” diese traurige Entwicklung sogar vorweggenommen, denn sowohl die TNG-Episode “Die alte Enterprise” (TNG 3×15 “Yesterday’s Enterprise”) als auch die vierte und fünfte Staffel von “Deep Space Nine” stellten den in “Star Trek VI” geschlossenen Friedensvertrag mit den Klingonen schon wieder zur Disposition. Einmal mehr ist also eine fiktive “Star Trek”-Erzählung zu einer fast schon “prophetischen” Spiegelung unserer Realität geworden.
Jedenfalls ist die in “Das unentdeckte Land” erzählte Geschichte auch heute noch von beeindruckender Relevanz. Denn einer der wohl wichtigsten Botschaften des Films lautet, dass es tatsächlich Menschen gibt, die den Frieden mehr fürchten als die feindschaftliche Konfrontation. Dass manche ohne Feindbilder einfach nicht existieren können und wollen. So wie General Chang (Christopher Plummer) oder Admiral Cartwright (Brock Peters). Der Film lehrt uns ferner, dass es nur dann Frieden geben kann, wenn es uns gelingt, eben jene Feindbilder und gruppenbezogene Vorurteile abzubauen. Doch dafür müssen wir zunächst lernen, alten Widersachern zu verzeihen und ihnen ein Mindestmaß an Vertrauen entgegenzubringen. Dass dieser Prozess sehr viel Anstrengung erfordert und mitunter auch sehr schmerzhaft sein kann, davon erzählt “Star Trek VI”.
Nur Nixon konnte nach China gehen
Dieser Prozess manifestiert sich in “Star Trek VI” vor allem in der langjährigen Heldenfigur des James T. Kirk (William Shatner), der uns in diesem Film mitnimmt auf eine Reise der persönlichen Katharsis. Kirk gesteht sich im Laufe des Films ein, dass Trauer, Hass und Angst ihn zu einem vorverurteilenden Rassisten gemacht haben. Denn anfangs betrachtet der Captain der Enterprise die Klingonen noch als – Zitat – “Tiere”, die man besser sterben lassen solle, als ihnen in Frieden und Freundschaft die Hand zu reichen. Den Grund für diese empathielose Attitüde kennen wir alle. Es war ein Klingone, der Kirks Sohn David acht Jahre zuvor ermordet hatte. Ein Verlust, den Kirk den Klingonen seither nicht verzeihen konnte und wollte. Und genau hier liegt die Krux: Sein Hass bezog sich seither auf alle Klingonen – ausnahmslos.
“Ich habe den Klingonen nie getraut und ich werde ihnen nie trauen. Ich kann und will ihnen den Tod meines Jungen nie vergeben.”
Captain James T. Kirk
Nach einem ausgiebigen und in meinen Augen auch absolut glaubwürdigen Reflexionsprozess gelangt Kirk schließlich zu der Einsicht, dass nicht notwendigerweise alle Klingonen ähnlich blutrünstig sein müssen wie Commander Kruge und seine Männer. In Kanzler Gorkon, dessen Tochter Azetbur (Rosanna DeSoto) sowie in seinem Strafverteidiger Colonel Worf (Michael Dorn) begegnen ihm nämlich mindestens drei Klingonen, die aufrichtig um Aussöhnung, Frieden und Gerechtigkeit bemüht sind. Und so findet bei Kirk ein Umdenken statt mit dem Resultat, dass er am Ende bereit ist, dem Friedensprozess mit den Klingonen eine echte Chance zu geben. Der ‘Advanced Human’ setzt sich am Ende wieder einmal durch. Das ist “Star Trek”!
Spocks Metapher (“Nur Nixon konnte nach China gehen.”) für Kirks Rolle im föderal-klingonischen Friedensprozess bezieht sich auf die Tatsache, dass ausgerechnet der als antikommunistischer Hardliner bekannte 37. US-Präsident Richard Nixon 1972 nach China reiste, um die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und China zu verbessern. Diese Metapher ist nur eines von vielen Beispielen, die belegen, dass der Film auf einem hervorragenden Drehbuch basiert. Ein Drehbuch, das mit zahlreichen intelligenten historischen und literarischen Anspielungen gespickt ist. Die sprachlichen Niveaus von “Star Trek VI” und “Discovery” trennen folglich Welten.
Aus Feinden werden Verbündete
Doch da sind eben auch diejenigen, die nicht bereit sind, den Klingonen in der Not die helfende Hand auszustrecken. Admiral Cartwright beispielsweise, der sich schon zu Beginn des Films als kompromissloser außenpolitischer Hardliner zu erkennen gibt und das taumelnde Imperium ein und für alle Mal militärisch in die Knie zwingen möchte. Wenn man allerdings die recht plumpe und einseitige Charakterisierung der Klingonen in TOS und “Star Trek III” – nämlich als radikale Faschisten und Imperialisten – bedenkt, dann kann man seine Argumentation zumindest in Ansätzen nachvollziehen.
Doch “The Next Generation” hatte seit 1987 eben ein anderes, deutlich positiveres Bild der Klingonen gezeichnet, vornehmlich in der Person des Lieutenant Worf (Michael Dorn), ehrwürdiger Offizier der Sternenflotte an Bord der Enterprise-D. Und auch dessen Gefährtin K’Ehleyr (Suzie Plakson), die Tochter eines Klingonen und einer menschlichen Frau, erbrachte den Beweis, dass Menschen und Klingonen nicht nur friedlich koexistieren, sondern sogar familiäre Bindungen aufbauen können.
“Sie verwirklichen damit die Vision meines Vaters.”
“Und Sie die meines Sohnes.”
Kanzlerin Azetbur und Captain James T. Kirk
Ich habe mich als Fan der nächsten Generation, der die Klingonen zuerst als Alliierte und erst später als (ehemalige) Feinde kennengelernt hat, stets gefragt, wie der Friedensprozess zwischen Föderation und Klingonen wohl bei den Trekkies der ersten Stunde angekommen sein mag. Denn diese waren es schließlich über zwei Jahrzehnte lang gewohnt, die damals als ruchlos gezeichneten Klingonen als die Nummer 1-Schurken des Trek-Universums zu betrachten. So gut “Star Trek VI” auch ist, aber ohne TNG hätte das zentrale Thema des Films womöglich noch mehr Gravitas entwickeln können. Die positive Entwicklung der Klingonen war zu diesem Zeitpunkt eben schon vorgezeichnet, “Star Trek VI” hat diese dann in Form eines Prequels etwas ausführlicher beleuchtet. Die ‘Zumutung’ ist dementsprechend für viele Zuschauer deutlich geringer ausgefallen als für unsere TOS-Helden. Das ist schon irgendwie ein kleiner Wermutstropfen des Films, dem man aber niemandem anlasten kann.
Gene Roddenberry, der den Film wenige Tage vor seinem Tod zu sehen bekam, soll die Konspiration innerhalb der Sternenflotte indes gar nicht gefallen haben. Eben weil er der Meinung war, dass dies dem Zivilisationsgrad der Menschheit im 23. Jahrhundert widerspreche. Ich für meinen Teil mag realistische Erzählstränge – auch in einer Utopie wie “Star Trek”. Und dass sich innerhalb der Sternenflottenadmiralität eben auch einige machiavellistische Hardliner tummeln, ist kein Geheimnis, denn das wissen wir schon aus zahlreichen anderen “Star Trek”-Folgen.
Homo sapiens only?
Neben der zentralen Thematik der Überwindung von Misstrauen, Hass und Ängsten schneidet “Das unentdeckte Land” auch eine weitere, sehr spannende Thematik an: Wie multikulti ist eigentlich die Föderation? Nach Azetburs Einschätzung sei die Föderation in Wahrheit gar nicht multikulturell, sondern vielmehr kulturimperialistisch. Die Menschheit definiere eine Leitkultur (z.B. “Menschenrechte”), die alle übrigen Föderationsmitglieder zu adaptieren hätten. Das Ergebnis sei sodann ein “Homo Sapiens Club”. Aus dieser Diagnose resultiert bei den Klingonen wiederum die Angst vor Assimilation und dem damit verbundene Verlust der eigenen Kultur. Interessanterweise äußert sich der Maquis-Anführer Michael Eddington in der DS9-Episode “In eigener Sache” (DS9 4×22 “For the Cause”) in ähnlicher Weise über die Föderation.
“Unveräußerliche … Menschenrechte … schon allein das Wort ist rassistisch!”
Azetbur
Das Tischgespräch ist nach meinem Dafürhalten die beste Szene des gesamten Films und eine der besten Szenen in “Star Trek” überhaupt, weil sich auch unsere reale Welt seit dem vermeintlichen “Ende der Geschichte” darin manifestiert. Der Westen setzt seine eigenen Werte als absolut und kann hierfür auch sehr gute Argumente anführen (z.B. ‘Demokratischer Frieden’). Gleichwohl weigern sich auch heute noch Staaten wie China oder Russland, jene Grundrechte anzuerkennen, die in vielen westlichen Verfassungen mit Ewigkeitsgarantie ausgestattet sind. Und auch in der realen Welt wird nicht selten der Vorwurf des Kulturimperialismus erhoben, wenn westliche Demokratien Menschenrechtsverletzungen monieren oder ihre Wertvorstellungen in den internationalen Organisationen durchzusetzen versuchen.
Ich muss zugeben, dass ich Azetburs Vorhaltung nicht ganz unbegründet finde. Die Dominanz der Menschen innerhalb der Föderation lässt sich kaum bestreiten. Und “Star Trek” hat es meiner Einschätzung nach (zumindest on screen) auch sehr oft vermieden, die kulturellen Divergenzen zwischen den Mitgliedswelten der Föderation ausführlich und ehrlich zu thematisieren. In dieser Hinsicht finde ich “The Orville” teilweise konsequenter. Dies näher auszuführen, würde allerdings den Rahmen dieser Rezension sprengen und soll daher in naher Zukunft in einem separaten Artikel erörtert werden.
Ein würdiger Abschied
Ich habe bisher noch keine Stimme vernommen, die behauptet hätte, dass “Das unentdeckte Land” kein würdiger Abschied für die Originalserie gewesen sei. Im direkten Vergleich mit dem – mittlerweile relativierten – TNG-Abschied in “Nemesis” schneidet “Star Trek VI” jedenfalls deutlich besser ab. Und das auch völlig zurecht.
Der Film gibt allen TOS-Charakteren Raum für ein einprägsames Goodbye. Selbst Uhura (Nichelle Nichols), die in den ersten vier Filmen leider nur eine bessere Stichwortgeberin war, bekommt dieses Mal etwas mehr Screen Time spendiert und darf in der finalen Schlacht sogar einen wichtigen Hinweis zur Lösung des Problems geben. Natürlich fokussiert sich der Film wieder einmal auf das Triumvirat Kirk, Spock und McCoy, aber auch die übrigen Crewmitglieder haben gewiss ihre Momente. George Takei darf sogar als Captain Sulu, Kommandant der USS Excelsior, in Erscheinung treten.
Darüber hinaus bekommt auch Grace Lee Whitney die Gelegenheit, noch einmal als Janice Rand aufzutreten. Leider hat man bei dieser Abschiedstour ausgerechnet die Frau von Gene Roddenberry, Majel Barrett, außen vorgelassen, die ich hier gerne noch ein letztes Mal als Christine Chapel gesehen hätte.
Dass man in “Das unentdeckte Land” auch dem 1989 verstorbenen Merritt Butrick (David Marcus) die Ehre erwiesen hat, ist ein weiterer, lobenswerter Aspekt dieses Films.
Wie schon “Star Trek II” stellt auch “Das unentdeckte Land” das Thema ‘Altern’ ins Zentrum der Handlung, setzt hierbei jedoch andere Akzente. Während Kirk in “Der Zorn des Khan” mit der tickenden Uhr seiner Sternenflotten-Karriere hadert, hat er hier akzeptiert, dass seine Zeit als Raumschiff-Kommandant nun altersbedingt vorbei ist. Neu in der Gleichung sind hingegen McCoy (DeForest Kelley) und Spock (Leonard Nimoy).
Hinsichtlich “Pille” wird die Frage aufgeworfen, ob sein fortgeschrittenes Alter seine Leistungsfähigkeit als Arzt negativ beeinflusst. Diesen Story-Aspekt finde ich sehr mutig und durchaus nachvollziehbar, auch wenn die Menschen im 23. Jahrhundert deutlich älter werden als heute.
“Ist es vielleicht möglich, dass wir zwei (…) infolge unseres Alters so unflexibel wurden? Dass wir einfach unbrauchbar geworden sind.”
Spock zu Kirk
Spocks Grübeln über sein gegenwärtiges Alter wirkt auf mich jedoch etwas unplausibel, da er – auch wenn er ‘nur’ Halbvulkanier ist – deutlich langsamer altert als der nahezu gleichaltrige Kirk.
Nichtsdestotrotz zählt auch der Dialog zwischen Kirk und Spock in dessen Quartier zu den absoluten Highlights des Films.
Kein Film ohne Mankos
Den hundertprozentig perfekten Film gibt es wohl nicht. Folglich hat auch “Star Trek VI” den ein oder anderen dunklen Fleck auf der sonst blütenweißen Weste. Die wenigen und durchaus verschmerzbaren Drehbuchlücken und Kontinuitätsbrüche sollen hier aber – schon der Fairness gegenüber ‘NuTrek’ wegen – keinesfalls unter den Tisch fallen.
Zu nennen ist hier beispielsweise der Peilsender, den Spock seinem Captain kurz vor dessen Transport auf die Kronos One ziemlich auffällig auf den Rücken klebt. Dass Spock hier eine prophetische Eingebung zu haben scheint… geschenkt! Aber warum die Klingonen diesen Peilsender nicht als solchen erkennen und dementsprechend entfernen oder ihren Gefangenen – so wie in jedem Gefängnis – Häftlingskleidung zur Verfügung stellen, ist einfach nur unlogisch und zumindest in Ansätzen das ‘lazy writing’, das ich auch sehr oft bei “Discovery” kritisiere.
Auf die technische Erklärung, warum ein klingonischer Bird of Prey des 23. Jahrhunderts im Tarnmodus Torpedos abfeuern kann, warte ich noch heute. Hätten die Klingonen dieses technische Knowhow bis in die 70er-Jahre des folgenden Jahrhunderts konservieren können, der Dominion-Krieg wäre vielleicht schon nach wenigen Monaten zu Ende gewesen. Changs Bird of Prey wirkt daher schon etwas wie ein Plot Device, das in meinen Augen einer besseren technischen Erklärung bedurft hätte.
Außerdem habe ich mich gefragt, warum die Enterprise nicht auch gleich einen Diplomaten mitnimmt, als sie Gorkons Schiff durch den Föderationsraum eskortiert. Botschafter Sarek (Mark Lenard) wäre hierfür doch prädestiniert gewesen.
Dass die Zerstörung eines einzigen Mondes (Praxis) zum Zusammenbruch des gesamten Klingonenreiches führen könnte, halte ich auch für etwas übertrieben. Zumal auch keine Episode, die nach 1991 entstanden ist, noch einmal näher auf dieses Unglück eingegangen ist.
In Bezug auf Lt. Valeris (Kim Cattrall) habe ich mich gefragt, warum sie eine Konspiration zur Ermordung der beiden Staatsoberhäupter für die logischere Handlungsalternative hält als einen Friedensprozess. Auf der anderen Seite finde ich die damit verbundene Message, dass Logik mitnichten nur eine einzige Lösung kennt, spannend und zutreffend zugleich. Sowohl Spock als auch Valeris denken in logischen Denkmustern, kommen aber zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Hinsichtlich des Kanons beziehungsweise der Trek-Kontinuität steht “Das unentdeckte Land” in einem Spannungsverhältnis mit der TNG-Episode “Die alte Enterprise” (3×15 “Yesterday’s Enterprise”), die knapp zwei Jahre zuvor ausgestrahlt worden war. In dieser Episode erfahren wir nämlich, dass die Beziehungen zwischen der Föderation und den Klingonen bis ins Jahr 2344 durchaus noch von Spannungen geprägt waren, ehe die Enterprise-C unter dem Kommando von Captain Rachel Garrett durch ihr heldenhaftes Opfer den Klingonen-Außenposten auf Narendra III vor der Vernichtung durch die Romulaner rettete und somit den Grundstein für die föderal-klingonische Allianz der folgenden Jahrzehnte legte.
Nun widerspricht “Star Trek VI” dieser TNG-Folge nicht grundsätzlich, denn die bilateralen Beziehungen zwischen Föderation und dem Imperium der Klingonen könnten sich einige Jahrzehnte nach 2293 auch zeitweise wieder verschlechtert haben. Nichtsdestotrotz kann und muss man an dieser Stelle durchaus ein Fragezeichen setzen.
Keine Beugung, sondern einen krassen Bruch des (damaligen) TNG-Kanons stellt wiederum die Figur der Azetbur (Rosana DeSoto) dar. Sie ist Gorkons Tochter und wird nach dessen Tod zu seiner Nachfolgerin als Kanzlerin des Hohen Rates ernannt. Der geneigte TNG-Zuschauer dürfte sich damals im Kino fragend am Kopf gekratzt haben, denn in der praktisch zeitgleich entstandenen Episode “Der Kampf um das Klingonische Reich, Teil1” (4×26 “Redemption, Part 1” vom 17.06.1991) hieß es noch, dass Frauen dem Hohen Rat gar nicht angehören dürfen. Aber halt: In der zweiten Staffel von “Discovery” wird der Hohe Rat ebenfalls von einer Frau angeführt – von Kanzlerin (!) L’Rell. Also entweder handelt es sich hier einfach um einen Retcon oder die Klingonen haben sich im 24. Jahrhundert zu einer patriarchalischen Gesellschaft (zurück)entwickelt.
Jedenfalls hat an dieser Stelle wohl die Abstimmung zwischen den Autoren von “Das unentdeckte Land” (Meyer, Flinn, Nimoy) und “The Next Generation” (hier: Ronald D. Moore) gefehlt. Eine kanonische Brücke zwischen TOS und TNG hätte man an dieser Stelle indes schlagen können, indem man Azetbur durch einen jungen K’mpec ersetzt hätte.
Ein weiteres Manko des Films betrifft Spocks Umgang mit Lt. Valeris. Eine erzwungene Gedankenverschmelzung ist unbestreitbar eine Form der mentalen Vergewaltigung. Und auch wenn die Brückencrew in dieser Szene teils sehr geschockt und mitfühlend wirkt, fehlt mir an dieser Stelle die ethische Diskussion darüber, ob der Zweck (Hintergründe der Verschwörung) wirklich das Mittel (mentale Vergewaltigung) rechtfertigen kann. An dieser Stelle: Daumen runter für Spocks unreflektiertes, brutales und unmoralisches Vorgehen.
Aus visueller Sicht ist die Verwendung zahlreicher TNG-Sets ein Aspekt, der das Seherlebnis des Films etwas trübt. Aber das dürfte wohl nur die eingefleischten Fans als störend empfunden haben. Hier hätte man sich aber schon etwas mehr Mühe geben können, die Constitution-Klasse von der 70 Jahre moderneren Galaxy-Klasse unterscheidbar zu machen. Die Verwendung der nur geringfügig umgestalteten Enterprise-D Sets (Maschinenraum, Krankenstation, Korridore, Beobachtungslounge) ist hier einfach zu auffällig. Besonders gestört hat mich allerdings, dass der Föderationspräsident in Zehn Vorne residiert. 😉
Hinsichtlich der Visual Effects gibt es nur wenig zu meckern, wobei sich diese auch zahlenmäßig in Grenzen halten. Negativ ist mir hier lediglich der Beschuss des Bird of Prey durch die Torpedos der Enterprise und der Excelsior aufgefallen. Das sieht hier stellenweise doch etwas billig aus.
Fazit
Über “Star Trek VI: Das unentdeckte Land” könnte man wahrlich ein ganzes Buch schreiben. Auf viele weitere, großartige Aspekte des Films bin ich in dieser Rezension gar nicht erst eingegangen. Und damit will ich es an dieser Stelle auch belassen und stattdessen ein kurzes Resümee ziehen.
Auch nach 30 Jahren hat “Star Trek VI: Das unentdeckte Land” nichts von seinem Unterhaltungswert und von seiner Relevanz verloren. Der Film behandelt Themen, die schlichtweg zeitlos sind: Altern und die Angst vor tiefgreifenden Veränderungen. Das Überwinden von gewohnten Feindbildern sowie die Fragilität des Friedens, sofern nicht auch alle bereit sind, auf diesen hinzuarbeiten.
Mit “Das unentdeckte Land” hat das Trio Meyer, Finn und Nimoy dem TOS-Cast einen absolut würdigen Abschied bereitet. Der letzte Teil der TOS-Kinoreihe ist ein Film, den ich mir immer wieder gerne angucke, denn dieser Sci-Fi-Politthriller kratzt nach meinem Dafürhalten an der Perfektion.
Neben der Tatsache, dass “Star Trek VI” hervorragende Kinounterhaltung bietet, ist der Film zugleich auch ein Stück Zeitgeschichte, wenn auch im verfremdeten Science-Fiction-Gewand.