In unserer Review zur zweiten Folge der neuen Discovery-Staffel klären wir, ob man nach dem fulminanten Start wieder auf die Bremse drückt, oder es auf gutem Niveau weitergeht. Wie immer kann es zu heftigen Spoilern kommen.
Rückkehr des Bekannten
Gleich zu Beginn der Folge kommt die Rückkehr eines alten Bekannten, der bei der Aufarbeitung der Kwejian-Katastrophe helfen soll: Saru is back! Wie schon bei der vorherigen Folge geht das auch diesmal wieder recht zügig. Eben noch auf Kaminar, jetzt schon auf der Brücke…
So schön das Wiedersehen zwischen ihm und Michael (und vor allem Tilly, doch dazu gleich mehr) auch ist, so schnell muss man auch wieder die Nase rümpfen. Denn Saru tritt freiwillig an die Position des Ersten Offiziers unter Burnham zurück. Es mag storytechnisch durchaus einen gewissen Sinn ergeben, dass er bei seiner Familie bleibt. Insgesamt betrachtet war Sarus Weggang nach Kaminar und die jetzige Rückkehr nichts anderes, als das Platz-Räumen für Michael, damit diese den Stuhl des Captains einnehmen kann. Und das ist halt leider ein etwas billiger Trick.
Immerhin hat man daran gedacht, Saru nicht zu „degradieren“. Er behält seine vier Captain-Punkte und damit auch den Rang. Da aber zwei Captains auf einer Brücke nicht gehen, wird er künftig als „Mister Saru“ angesprochen, was auch wieder eine allzu offensichtliche Referenz an Mister Spock ist. Kann man mögen, oder auch nicht. Eine ähnliche Konstellation gab es bereits in den TOS-Kinofilmen, auch dort waren Kirk und Spock vom Rang her Captain (spätestens ab Star Trek V), dienten aber auf einem Schiff.
Auch steuert Saru dann durchaus ein paar wichtige Punkte zur Handlung bei, etwa wenn er am Ende bei Burnham beruhigend wirkt. Kleines Highlight ist hier aber zweifellos das Gespräch mit Tilly, bei dem die beiden ihre Charakterentwicklung aufzeigen dürfen. Zumindest hier merkt man, das die beiden sich näher stehen als zu Beginn.
Technobabble die Erste: Ein Körper für Gray
Kommen wir dann aber zu dem Teil der Folge, der total nach hinten los geht. Und das ist (leider) wieder einmal die kurze Szenerie um Gray. Das betrifft die kurze Sequenz auf der Krankenstation ebenso wie das Gespräch am Ende mit Adira. Zum einen fällt hier auf, dass Ian Alexander mit seinen 19/20 Jahren noch extrem viele Pickel im Gesicht hat, die das Make-Up nicht ganz überschminken konnte. Klar, dafür kann der Darsteller jetzt nichts, aber bei seinem neuen Körper hat man auch die CGI-Schraube (bzw. Ausbesserung) angewandt. Man hätte es also auch hier tun können.
Normalerweise wäre diese Kleinigkeit nichts, was man separat erwähnen sollte, wenn es aber selbst meinen Mitguckern, die sonst nicht auf Logikfehler oder ähnliches achten, auffällt, ist es eine Erwähnung Wert. Doch zurück zum eigentlichen Thema.
Man „baut“ Gray nämlich wirklich einen neuen Körper, und nicht nur das, einen Androidenkörper à la Soong. Hier wird dann gleich eine Referenz zu „Picard“ geschlagen, wenn erwähnt wird, dass ein gewisser Picard eben eine solche Geist-Transfusion (Transmutation?) hinter sich hat. Culber kann Picard, da er selber aus dem 23. Jahrhundert kommt, nicht kennen und generell ist eine Verknüpfung von Serien ja durchaus löblich, es geht in diesem Fall aber nach hinten los. Denn der Androidenkörper wird wie bei Picard ganz normal altern und auch sonst den üblichen menschlichen Beschränkungen unterliegen. Warum braucht man ihn dann überhaupt? Das war bei Picard schon absolut unlogisch und wird hier halt leider nicht besser.
Zwar hat man daran gedacht, zu erwähnen, warum nicht jeder dann so einen Androidenkörper bekommt und wir alle ewig leben (immerhin!), die Antwort ist aber leider wieder absolut hanebüchen. Das Ganze hat bislang nur bei Picard funktioniert und sonst nicht. Ist ja klar, dass es in 1000 Jahren kein anderer hinbekommen hat. Und was wollen wir wetten, das es dann genau bei Gray halt wieder funktioniert weil… nunja, weil die Handlung es erfordert, was auch sonst? Das ist wie mit den neuen Antriebstechnologien aus der letzten Folge. Das hat auch 1000 Jahre lang keiner geschafft, und kaum ist die Discovery da, geht’s…
Und wie soll die Geistübertragung überhaupt funktionieren? Wird Gray dann aus Adiras Bewusstsein gerissen? Wie trennt man da sauber? Fragen über Fragen, die vermutlich nicht beantwortet werden. In der nächsten Folge hat Gray bestimmt schon seinen Andro-Körper und all das interessiert niemanden mehr, wollen wir wetten?
Die Krone setzt dem ganzen aber dann Grays Bemerkung auf, er könne ja jetzt wieder alles werden, was er will. Sogar ein vereinigter Trill. Also können Symbionten jetzt auch auf Androidenkörper (die eigentlich keine sind, da altern und voll biologisch und so) übertragen werden? Das war in der letzten Staffel schon mit Menschen schwer zu schlucken und jetzt das…?
Ich will über diesen Schwachsinn an der Stelle gar nicht weiter nachdenken… daher am Besten schnell weiter.
Technobabble die Zweite: Die Anomalie
Das Hauptthema der Folge kommt da zum Glück ein Stück weit geerdeter daher. Denn es gilt, die Anomalie zu erforschen. Dürfen Zivilisten eigentlich mitten in eine Besprechung mit der Präsidentin platzen? Aber über diesen Fauxpas zu Beginn kann man hinwegsehen, denn im Anschluss geht es sogar recht wissenschaftlich ans Erforschen selbiger. Auch wie sie entstanden ist (sein könnte?) klingt im ersten Moment mehr als logisch.
Dass man ausgerechnet die Discovery und Booker reinschickt, kann man vielleicht bemängeln (und wird es in der Folge sogar selbst angesprochen), war aber bereits seit TNG-Zeiten ein beliebter Kniff der Story. Natürlich ist klar, das Book hier noch ein Trauma zu überwinden hat und sich die Schuld gibt. Auch das ist nicht neu und im Laufe der Folge erwartbar. Wobei selbst Burnham am Ende telepathische Fähigkeiten offenbart und weiß, das Booker an seinen Neffen Leto denkt (Bezug zu Dune anyone? Auch da stirbt ein Leto). Hätte sie an der Stelle nicht sagen müssen, du hättest „ihnen“ (statt „ihm“) nicht helfen können? Woher wusste sie, das Book in dem Moment genau daran denkt?
Aber der Privatmodus der Brücke ist ein netter Einfall, das muss ich an dieser Stelle zugestehen. Auch wenn das Unding, in Krisensituationen Charakterszenen einzubauen, auch hier wieder Einzug hält. Das ist bei Stamets und Book der Fall oder eben die erwähnte Brückenszene. Hier darf übrigens Bryce auftreten und wir erfahren endlich etwas mehr über ihn: Er ist Kite-Surfer! Wollen wir hoffen, dass in künftigen Folgen nicht bei jeder Krise ein anderer Brückenoffizier einen Schmetterer aus seiner Vergangenheit zum Besten geben darf und dass das die versprochene Charaktertiefe der Brückencrew ist, die die Autoren in Staffel 4 einbauen wollen.
Wenn man in der vierten Staffel halt immer noch überlegt, wie der Offizier eigentlich heißt, dann läuft was falsch…
Zurück zu Stamets und Booker, steht hier übrigens ein kleines Aussprechen an, wie erwähnt während der Mission in der größten Krise. Das funktioniert soweit auch ganz gut, hätte aber in ruhigeren Zeiten sicher mehr Gewicht gehabt. Übrigens gibt es auch eine kurze Szene zwischen Burnham und Stamets im Maschinenraum, in der er anmerkt, das sie ihn doch gleich in eine Luftschleuse werfen könne. Eine Anspielung auf Staffel 3? Wird der Konflikt hier endlich weitergeführt?
Nope, war nur ein Scherz, packt eure Erwartungen wieder ein…
Das klingt an dieser Stelle vielleicht alles etwas harsch, es gibt aber in der Konstellation durchaus auch schöne Szenen. So macht die Rettungsleine aus programmierbarer Materie durchaus Sinn (und funktioniert für mich als Buchleser auch) und auch das Manövrieren durch die Asteroiden ist nett anzuschauen – auch wenn es irgendwann immer wieder dasselbe ist. Auch die aus dem Trailer bekannte Schwebeeinlage der Brückencrew ist gut umgesetzt und überzeugt technisch. Und die Reminiszenz, dass quasi jedes Quartier nun ein Holodeck ist, ist eine durchaus schöne Weiterentwicklung für das 32. Jahrhundert.
Kleine Bemerkung am Rande: Der Hauptcomputer heißt nun Zora. Ob man wirklich noch den Bogen zu den Short Treks zieht? Und eine weitere etwas nervige Szene sollte noch erwähnt werden: Culber rennt während der Folge herum und versorgt die Verwundeten. Das ist ja in Ordnung, aber warum muss man auch hier wieder ein Gespräch mit Tilly einbauen und ihn fragen lassen, ob sie Probleme mit Adiras überragender Intelligenz hat? Ein weiterer unnötiger Wesley-Versatz.
Und im Grunde war es das schon wieder, denn außer dem Anomalie-Erforschen passiert in dieser Folge recht wenig. Am Ende darf Tilly noch festhalten, dass die Anomalie spontan den Kurs ändert. Folgt sie der Discovery? Wir werden sehen, was die Auflösung dieses Rätsels ist…
Fazit
Nach einem noch relativ guten Start versandet die Folge etwas, denn ein paar Ungereimtheiten gibt es auch hier. Zwar hat man sich technisch und bei den Charakteren bemüht, die Umsetzung hapert an vielen Fällen aber noch. Bleibt zu hoffen, das hier noch Besserung eintreten wird.
Ansonsten passiert in der Folge nicht relativ viel, da nur die Anomalie erforscht wird, die am Ende dann noch in einem Effektshot gezeigt wird, bei dem sie wie ein Auge geformt scheint. Nach dem noch guten Einstieg geht es damit in der zweiten Folge leider schon wieder abwärts.
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Episoden-Infos
Episodennummer | 44 (Staffel 4, Episode 2) |
Originaltitel | Anomaly |
Deutscher Titel | Anomalie |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 25. November 2021 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 26. November 2021 |
Drehbuch | Anne Cofell Saunders & Glenise Mullins |
Regie | Olatunde Osunsanmi |
Laufzeit | 50 Minuten |
Hm was ist eigene Meinung, ab wann ist eine Rezension nicht mehr objektiv. Muss sie es sein?
Dies war jedenfalls der letzte Kommentar. Man muss das neue Trek nicht mögen aber es ist nun Mal da. Das die old Trekkies sich für die jüngsten nicht einfach freuen können ist nur peinlich. Gottseidank hab ich mir meine Geistige Jugend bewahrt was einigen abhanden gekommen ist.
Eine Rezension ist immer eine eigene Meinung. Für mich sind die Argumente von Thomas durchaus nachvollziehbar, zumal es andere moderne Serien wesentlich besser machen. Selbst Lower Decks als Comedy-Cartoon baut eine Charakterentwicklung längerfristiger auf.
Ich gehöre sogar zu denen, die das alte Trek mögen, aber auch das neue toll finden. Auch bei den alten Serien gab es Folgen und Entwicklungen, bei denen ich den Kopf geschüttelt habe.
Ich kann Captain.k nur zustimmen. Ich bin auch seit 1990 als Fan dabei und fand den Start in die neue Season super. Die Charaktere sind viel besser ausgewogen (auch in ihrer Emotionalität). Burnham als Captain finde ich überraschend gut, stark und überzeugend. Der Trailer mit dem Thema der Anomalie hatte mich ursprünglich nicht gepackt aber die Handlung fesselt mich nun total an den Bildschirm. Der Archer-Spacedock-Moment mit der Enterprise-Musik war Gänsehaut pur. Ich kann das ganze bashing weder auf den englischsprachigen Seiten noch hier bei den beiden Folgen wirklich nicht mehr nachvollziehen. Discovery hat sich echt stark verbessert, man merkt… Weiterlesen »
ich denke, ein Bashing auf das neue Trek sieht anders aus – in Bezug auf die Rezension. Da habe ich echt schlimmeres gelesen und gehört. Die beiden anderen Serien (lustigerweise beide Trickfilm und animiert) bauen ihre Handlung wesentlich weitsichtiger auf. Picard wahr durchzogen aus meiner Sichtweise. Vergleicht man die Nebenfiguren bei Lower Decks, dann sind diese nach 2 Staffeln a 25 Minuten besser und nachvollziehbarer ausgearbeitet. Bei Discovery kenne ich nicht mal die Brückencrew mit Namen. vielleicht Dettmer…. Nicht falsch verstehen: Ich schaue Discovery auch und lasse mich gerne unterhalten. Discovery hat es ermöglicht, dass Trek wieder da ist und… Weiterlesen »