In der zweiten Episode der Staffel stellt sich die Crew der Discovery der namensgebenden Anomalie. Ob sich der Forschungseinsatz lohnt, verraten wir in unserer möglichst spoilerfreien Kurzrezension.
Die Sternenflotte hat eine erste Theorie, worum es sich bei der tödlichen Gravitationsanomalie handeln könnte: zwei ineinander stürzende schwarze Löcher. Burnham wird mit der Discovery losgeschickt, um belastbare Daten zum Phänomen zu sammeln. Dort steht die Kapitänin jedoch vor einem persönlichen Dilemma. Ausgerechnet das Crewmitglied, das am besten qualifiziert ist, als Pilot eine Erkundungsmission in die Anomalie zu fliegen, braucht eigentlich Zeit, um ein kürzlich erlittenes Trauma zu verkraften.
Rezension
Die erste Hälfte der Folge ist richtig stark. Für einen Moment reibt man sich die Augen und hat gar das Gefühl, in einer Folge “Next Generation” oder “Voyager” gelandet zu sein. Gar glaubt man, die Autoren hätten sich dieses Mal ein wenig mehr mit den wissenschaftlichen Hintergründen eines solchen Phänomens beschäftigt, denn statt des üblichen Science-Fantasy-Kauderwelschs fallen ein paar Begriffe aus der Astrophysik, die tatsächlich halbwegs plausibel zum Geschehen passen.
Es scheint, dass dieses Mal die große, unbekannte Gefahr tatsächlich eine echte wissenschaftliche Herausforderung für die Discovery darstellen könnte. Dramaturgie, Technobabble, innere und äußere Handlung spielen reibungslos zusammen und schaffen eine dichte Atmosphäre. Außerdem versucht “Anomalie” auf der Tonspur ein paar offensichtliche Probleme mit dem Finale der ersten Staffel “Picard” aus der Welt zu schaffen – mehr gut gemeint, als wirklich überzeugend.
Leider kann die Episode ihr anfängliches Momentum nicht halten, als sie in der zweiten Hälfte diese Balance zugunsten von Kitsch, Seifenoper und magischem Denken völlig ohne Not aufgibt. Auch wenn das Drehbuch oberflächlich so tut, als würde die Crew der “Discovery” endlich einmal dem Unbekannten mit Forscherdrang und Sachverstand entgegentreten, ist das Herzstück wieder einmal eine ziemlich oberflächliche innere Handlung, wie wir sie schon Dutzende Male in der Serie gesehen haben.
Man mag mich bitte nicht falsch verstehen: Es ist recht und billig, großes Drama aus dem Innenleben der Protagonist:innen zu spinnen. “Discovery” hat sich aber für mich in eine Ecke manöveriert, aus der jedes große zur Schau Stellen von Emotionen inzwischen unter dem Verdacht des Manipulationsversuchs steht. Zu oft hat die Serie diese Klaviatur bedient, nur um nach der billigsten und bequemsten Auflösung (oft bar jeder Logik) die nächste Sau durch’s Schiff zu treiben.
Und so ist das namensgebende Phänomen in “Anomalie” nur die jüngste Kulisse, vor der die Crew sich gegenseitig minutenlang das Herz ausschüttet, selbst wenn in 120 Sekunden eine tödliche Katastrophe droht. Auch wenn “Anomalie” das Gegenteil im Publikum bewegen möchte: Weder wirken die Figuren authentischer, noch die Gefahr bedrohlicher, wenn ein plumpes “Vertraue mir” den Kampf gegen Urgewalten aufnehmen kann.
Fazit
Anfangs spannend und angenehm trekkig / forschungslastig, verliert sich “Anomalie” in schlecht geschriebenem und mäßig gespieltem Melodrama. Wie im Staffelpiloten bleibt sich “Discovery” treu. Die immer gleichen, stets überzeichneten, aber letztlich belanglosen Gefühlswallungen haben sich zu einem zweifelhaften Wiedererkennungsmerkmal der Serie gemausert.
Wenn die Figuren denn nun wirklich daran wachsen würden, oder die Autoren endlich einmal originelle Dialoge und Verwicklungen daraus zu konstruieren wüssten, könnte man damit sicher auch gutes Fernsehen bestreiten. So scheinen sich Autoren und Schauspieler darauf auszuruhen, ihr Publikum immer wieder durch dieselbe Achterbahn der Gefühle zu schicken. Das ist für ein bisschen Nervenkitzel ganz ok, aber man fährt halt im Kreis, ohne etwas von Belang aus dem Erlebnis mitzunehmen.
Zur spoilerfreien Kurz-Rezension der ersten Episode geht es hier entlang.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 3 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 4 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 4 max=”6″] |
Spannung | [usr 3 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 4 max=”6″] |
Humor | [usr 2 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 3 max=”6″] |
Gesamt | [usr 3,5 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 44 (Staffel 4, Episode 2) |
Originaltitel | Anomaly |
Deutscher Titel | Anomalie |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 25. November 2021 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 26. November 2021 |
Drehbuch | Anne Cofell Saunders & Glenise Mullins |
Regie | Olatunde Osunsanmi |
Laufzeit | 50 Minuten |
Mit Rücksicht auf andere Leser, die die Folge noch nicht gesehen haben, bitten wir, in den Kommentaren zu diesem Artikel auf Spoiler zu verzichten. Danke!
Irgendwie fühle ich mich 25 Jahre in die Vergangenheit versetzt, als ich Voyager in der Erstausstrahlung auf Sat1 angeschaut habe…. Die beiden ersten Folgen sind für eine normale Serie aus heutiger Zeit immer noch sehr dürftig. Für Discovery-Folgen gehören sie aber zu den besseren wenn nicht gar Besten Folgen. Endlich kommen auch mal diese Randfiguren auf der Brücke etwas mehr Zeit und die Lösung sieht mehr nach einer gemeinsamen Zusammenarbeit an. Wieso muss es immer eine Bedrohung sein? Wieso konnte man nicht den Wiederaufbau der Föderation mit der Überwindung von (Vor-)Urteilen und das Überbrücken von unterschiedlichen Wertvollstellungen als Staffel-Thema nehmen?… Weiterlesen »