Im Zweitreview zur neuen “Discovery”-Folge klären wir ab, wie gut es nach dem durchaus gelungenen Auftakt weitergeht. Achtung, Spoiler!
Mit Vollgas auf den Planeten
Die zweite Episode startet mit der Bruchlandung der Discovery auf einem unbekannten Planeten. Und hier geht es auch gleich in die Vollen, denn optisch kann man den Machern hier nichts vorwerfen. Der ganze Crash wird in aller Deutlichkeit gezeigt und weckt durchaus Assoziationen zu “Generations” und “Voyager”. Auch die fliegenden Felsen, die sicher nicht von ungefähr an “Avatar” erinnern, können sich sehen lassen.
Nicht so gut gelungen ist an dieser Stelle allerdings das wachsende bzw. parasitäre Eis. Vor allem gegen Ende, als die Discovery einfach nur herumwackelt, während das Eis hochwächst, sieht mir das dann alles doch etwas zu billig aus. Aber damit kann man leben, da vor allem der Rest der Folge passt.
Zeit für die Nebencharaktere
Dies liegt vor allem an den guten Charakterkonstellationen, die sich hier auftun. Zunächst muss aber auch positiv erwähnt werden, dass viele Nebencharaktere hier gut wegkommen. Da ist natürlich vor allem die Brückencrew zu nennen – allen voran Detmer – die hier eine Art Trauma erleidet. Immerhin wird im Laufe der Folge offensichtlich, dass sie was hat und auch mehrere Crewmitglieder beäugen sie skeptisch. Wollen wir hoffen, dass daraus noch was vernünftiges gemacht wird und man nicht die Airiam-Schiene fährt. Auch damals war die Roboterdame unter Beobachtung von Nhan gewesen, doch unternommen hat dann aber keiner etwas. Wenn das hier nun wieder passiert und Detmer das Schiff gegen die Wand fährt, wäre das grob fahrlässig. Aber hier muss man einfach sehen, wo das Ganze hinführt.
Auch Linus bekommt endlich die langersehnte Sprechrolle. Und auch wenn der Auftritt nur kurz ist, sind es Momente wie diese, die aufzeigen, dass man hier eben doch eine Crew vor sich hat, die zusammenhält. Georgiou ist übrigens auch mit von der Partie, wobei automatische Reinigungssysteme wohl erst im 24.Jahrhundert erfunden werden. (Aber Moment! Auch da gibt es noch die “Lower Decks” für die Drecksarbeit).
Eine gemeinsame Odyssee
Fangen wir zunächst mit den Charakteren auf dem Schiff an. Hugh und Stamets können – trotz der Krisensituation – ihre Beziehung quasi weiter ausbauen. Hier merkt man schön die Entwicklung, welche die beiden inzwischen genommen haben. Vor allem Reno punktet aber in dieser Episode. Denn im Zusammenspiel mit Stamets bekommt sie einige sehr schöne Dialogzeilen spendiert, während Letzterer durch die Jefferies-Röhren schleicht und das Schiff repariert.
Okay, man könnte hier argumentieren, warum gerade er dies im verletzten Zustand tun muss. Es sind schließlich noch genug andere Crewmitglieder da, die diese Aufgabe übernehmen könnten. Aber das wäre schon fast so, als würde man fragen, warum wir immer nur die Geschichte der Hauptcharaktere sehen und nicht die von Ensign Dwight von Deck 10. Anders ausgedrückt: Kann ich mit leben, wenn es zu solch schönen Konstellationen wie in dieser Folge führt. Dass man hierbei allerdings den Eindruck erwecken wollte, dass Stamets dabei draufgehen könnte, habe ich der Folge dann in dieser Kombo natürlich nicht abgenommen.
Auch Nhan, die hier zum Hauptcharakter befördert wird, kann wieder punkten, auch wenn sie nur kurz zu sehen ist. Dabei erfährt man auch, dass die Barzaner offenbar eine den Klingonen ähnliche Wertschätzung von Ehre besitzen und entsprechende Verhaltenskodizes befolgen. Aber vor allem die kleinen Spitzen gegen Georgiou vermögen zu gefallen. Auch hier: Luft nach oben und die Hoffnung, dass die Autoren es künftig nicht wieder versauen.
Die großen Gewinner: Saru und Tilly
Vor allem Saru darf in dieser Folge aber zeigen, was er so ‘draufhat’. Dabei macht er sich als amtierender Captain ausgesprochen gut. Hier entpuppt er sich als ruhiger Fels in der Brandung, der alles im Griff zu haben scheint. Und der vor allem am Ende die Werte der Föderation hochhalten darf. Hier wird nicht sinnlos getötet, sondern eine andere Lösung gesucht. Klar, am Ende gibt es diese “saubere” Lösung dann doch nicht so ganz, aber das steht auf einem anderen Blatt. Doug Jones bringt Saru hier jedenfalls kompetent rüber, sowohl in den ruhigen als auch den Actionszenen. Tricktechnisch war hier vor allem das Stachel-Abfeuern gut umgesetzt.
Doch nicht nur hier darf er glänzen, auch das Zusammenspiel mit Tilly klappt tadellos. Dass er ihr erlaubt weiter zu plappern, spricht ebenfalls für die Entwicklung der letzten zwei Jahre und zeigt, dass die Discovery inzwischen zu einer kleinen Familie zusammengewachsen ist. Auch wenn man das in Staffel 2 nicht immer so gezeigt bzw. gesehen hat. Auf diesem Niveau kann es gerne weitergehen.
Den Kanon gut genutzt
In der üblichen Space-Western-Bar trifft man dann auf Coridaner, die direkt aus “Enterprise” stammen könnten. Überhaupt gibt es in dieser Folge wieder verstärkt Anspielungen auf die vergangenen Serien. Was bei “Lower Decks” schon funktioniert hat, kann folglich auch für “Discovery” nicht schlecht sein. Und in der Tat funktioniert das Ganze auch hier, auch wenn es – im direkten Vergleich zur neuen Animationsserie – eher dezent eingesetzt wird.
Bei der ‘programmierbaren Materie’ merkt man dem Autorenstab um Kirsten Beyer auch an, dass sie aus dem Buch-Bereich kommen. Denn dieses Konzept gab es in den Relaunch-Büchern auch schon. Man darf also gespannt sein, wo uns die “Zukunft der Zukunft” noch alles hinführen wird.
Wer übrigens an dieser Stelle noch meckert, dass das 32.Jahrhundert nicht “Future” genug sei, dem möchte ich an der Stelle mal einen Vergleich mit “Dune” ans Herz legen. Die Wüstenplanet-Saga spielt ja bekanntlich im Jahre 10 191. Okay, Fun Fact am Rande, nach heutiger Zeitrechnung wäre das sogar das Jahr 20 191, weil sich die 10 191 beziehen sich auf N.G. – also nach Gründung der Raumfahrergilde. Und besagte Gründung und das neue Jahr 0 war nach heutiger Zeitrechnung um das Jahr 10 000 (Ich wette, das habt ihr noch nicht gewusst, oder?).
Worauf ich eigentlich hinaus will: Auch dort – 20 000 Jahre in der Zukunft – drücken die Menschen noch Knöpfe und ist vieles eigentlich nicht “Future” genug. Es bleibt also bei dem in der letzten Review Genannten: Die Grenze ist die eigene Vorstellungskraft. Was will man denn im 32.Jahrhundert noch sehen oder erwarten? Wir können es uns wohl einfach schlicht nicht vorstellen. Im Augenblick finde ich aber noch alles akzeptabel und stimmig mit der bekannten “Star Trek”-Welt.
Der Episoden-Bösewicht: Das Klischee
Nicht ganz so gut gelungen ist hingegen der Episodenbösewicht Zareh. Der ist zu sehr auf Wild West-Klischee-Niveau, auch wenn er offenbar wie Book einer der Kuriere ist. Die scheinen in der Zukunftswelt eine etwas größere Rolle einzunehmen. Und auch hier muss man sehen, wo es noch hinführt. Auffällig ist gewiss, dass so viele von denen korrupt zu sein scheinen. Und dafür, dass Zeitreisen seit gut 120 Jahren verboten sind, kann Zareh auch ziemlich schnell kombinieren, dass die Discovery aus der Vergangenheit kommen muss.
Nein, als übergeordneter Staffelbösewicht taugt der Kerl eindeutig nicht. Ob da noch jemand anderes kommen wird? Aber brauchen wir so jemanden überhaupt? Immerhin soll es ja um den Wiederaufbau der Föderation gehen. Insofern kann man den Kerl als One-Off-Bösewicht sicher auch so stehen lassen.
Und natürlich muss auch kurz die Gewaltdarstellung erwähnt werden. Es wurde ja bereits bei den Rezensionen zu “Picard” erwähnt, dass man heutzutage vieles anders (bzw. abgestumpfter) wahrnimmt und auch hier gibt es den “Folterstrahl” und Georgiou, die den Tag retten darf, indem sie eben draufhaut. Wobei man sagen muss: Klar, das wird heute exzessiver gezeigt als früher, aber auch zu TNG-Zeiten gab es diese “Gewalt” schon. Man denke hier nur an den Disruptor in “Der Sammler”, der ein Lebewesen qualvoll von innen her auflöst. Damals hat sich auch keiner aufgeregt – auch wenn die damalige Technik eine derartige Gewaltdarstellung wie heute noch nicht möglich gemacht hat. Ob man das jetzt unbedingt braucht, ist an dieser Stelle aber trotzdem eine legitime Frage.
Diskutiert werden kann zudem, ob die Diplomatie an dieser Stelle eben an ihre Grenzen stößt. Immerhin hat Georgiou am Ende Recht und unser lieber Bösewicht wird nach draußen geschickt. Ob man ihm nochmal begegnen wird? Wie erwähnt, hoffentlich bleibt es bei diesem einen Auftritt, denn soviel Tiefe hat der liebe Tyrann dann doch nicht bekommen, als dass man ihn unbedingt nochmal sehen müsste.
The Return of Cryham
Am Ende dürfen Saru und Tilly dann zum Schiff zurückkehren, allerdings scheint es schon zu spät zu sein. Ein unbekanntes Schiff ist es, welches die Discovery aus dem Eis zieht. Hier hätte ich es besser gefunden, wenn es der Discovery aus eigenen Stücken gelungen wäre sich zu befreien. Der versuchte Spannungsaufbau hat dann auch irgendwie so rein gar nicht funktioniert. Saru hatte im Verlauf der Episode auch schon mehrmals bewiesen, wie vernünftig er als Captain vorgeht. Es war daher keine Überraschung, dass er nicht zuerst feuern lässt. Und dass das Aufbauen der Kom-Verbindung dann so lange dauert, war auch nur wieder ein billiger Trick, um die Spannung zu erhöhen. Auch das verpuffte bei mir, denn auch ohne die anderen Reviews schon gelesen zu haben war an dieser Stelle klar: Es kann nur Burnham sein!
Und so kam es dann am Ende natürlich auch. Es fehlte eigentlich nur noch der emotionale Cry-Moment, der uns aber im Moment (noch) erspart geblieben ist. Und dass Burnham dann auch gleich zur Stelle war, obwohl der Sender erst wenige Minuten wieder in Betrieb gewesen ist, ist schon ein arger “Zufall”. Fragen darf man sich an der Stelle auch, was Burnham in diesem Jahr schon erreicht hat. Vielleicht steht ja ein Großteil der Föderation schon wieder? Nun, hoffentlich nicht. Aber das werden wir natürlich erst nächste Woche sehen.
Fazit
Die Folge lebt vor allem davon, dass es durch die Bank weg gute Charakterszenen gibt. Man braucht nicht immer Action, um eine gute Folge auf die Beine zu stellen, auch wenn es diese natürlich gibt. Vor allem Saru zeigt, was als Captain so in ihm steckt. Und so schön die Wiedervereinigung mit Burnham am Ende auch ist, so trübt diese gemeinsam mit dem etwas lahmen Bösewicht ein wenig das Gesamtbild der Folge. Trotzdem: “Far From Home” bietet mit dem Fokus auf die Discovery-Crew eine gute Ensembleshow. Auf diesem Niveau kann es gerne weitergehen.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 4 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 5 max=”6″] |
Spannung | [usr 4 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 5 max=”6″] |
Humor | [usr 5 max=”6″] |
Gesamt | [usr 5 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 31 (Staffel 3, Episode 2) |
Originaltitel | Far From Home |
Deutscher Titel | Fern der Heimat |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 22. Oktober 2020 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 23. Oktober 2020 |
Drehbuch | Michelle Paradise, Jenny Lumet, Alex Kurtzman |
Regie | Olatunde Osunsanmi |
Laufzeit | 53 Minuten |
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Was diese Folge für mich zeigt ist, dass die Serie ohne Burnham sehr gut, wenn nicht gar besser funktioniert. Noch besser wäre es, wenn man die schmerzgeile Diktatorin los werden würde und diese unnötigen Gewaltexzessen sein lassen würde.