Mit einem Hoffnungsschimmer aus der Vergangenheit startet “Star Trek: Discovery“ in die dritte Season. Die Auftaktepisode enthält erwartungsgemäß viel Exposition und konzentriert sich zunächst auf die Protagonistin Michael Burnham. Obwohl “That Hope Is You“ eine wenig spektakuläre Geschichte erzählt, erfüllt die Episode doch ihren Zweck: Sie macht aus einem ehemaligen Prequel ein Sequel und legt damit den Grundstein für eine interessante Science-Fiction-Geschichte, angesiedelt in einem Millennium nach unserer Zeit.
Handlung
“That Hope Is You“ verfügt über eine für die heutige Zeit ungewöhnliche Erzählstruktur, denn diese Folge hat nur eine A-Story. Von der Discovery ist in dieser Episode überraschenderweise noch nichts zu sehen, was allerdings schon das Intro erahnen lässt. Im Wesentlichen lässt sich die Handlung auf drei Bˈs runterbrechen: Burnham, ‘Book’ und ‘Burn’ (‘Brand’).
Die Episode ist also ganz und gar auf Exposition angelegt, die sich vor allem in den Dialogen zwischen Burnham und Booker sowie zwischen Burnham und Aditya Sahil manifestiert. Folglich ist die Handlung auch schnell erzählt.
Willkommen im 32. Jahrhundert
Burnham crasht auf dem Planeten Hima des Jahres 3188. Ihre Mission, Control aufzuhalten, ist geglückt, doch von der Discovery fehlt jede Spur. Sie ist allein – allein auf einer fremden Welt und in einer fremden Zeit. Auf Hima trifft sie auf den vermeintlichen Schmuggler Cleveland “Book” Booker, der sich zunächst jedoch als ein Buch mit sieben Siegeln herausstellt. Book erzählt ihr von einer großen Katastrophe, die als ‘Der Brand’ in die Geschichte einging. ‘Der Brand’ ereignete sich irgendwann gegen Ende des 31. Jahrhunderts und hat Föderation und Sternenflotte wenig später in die Knie gezwungen.
“Das Abzeichen, das du trägst. Ab und an laufen noch Typen mit so einem Abzeichen rum und labern alle von der Föderation. Von den alten Zeiten. Die glauben einfach dran und kommen nicht drüber hinweg, dass sie Geschichte ist. (…)
Sie ist wohl zusammengebrochen. Ist aber schon ewig her. Irgendwann nach dem ‘Brand‘. (…)
‘Der Brand‘ war der Tag, an dem die Galaxis falsch abgebogen ist. Dilithium…das meiste hat einiges Tages ‘bum‘ gemacht. (…) Viele waren danach tot. Die Föderation konnte nicht klären, was passiert ist oder wieso. Oder ob es nochmal passieren kann. Trotz aller Versuche…nach einer Weile…waren sie einfach nicht mehr da. (…) So vor 100, 120 Jahren. Vor meiner Geburt.”
– Book
Aus einem bis heute unbekannten Grund seien große Teile der galaktischen Dilithiumvorkommen detoniert, sodass diese kristalline Substanz – zwingend erforderlich für jeden Warp-Antrieb – im folgenden Jahrhundert zu einem raren Gut und somit auch zur wertvollsten Währung der Galaxis geworden ist.
Trouble auf dem Dilithium-Schwarzmarkt
Gemeinsam suchen sie das ‘Merkantil’ auf, einen großen, in einem schwebenden Gebäude befindlichen Markt in der Stadt Requiem. Dort wollen sie Burnhams antiquarischen Tricorder verscherbeln, um an Dilithium für Books Schiff Nautilus zu kommen.
Doch Book hintergeht Burnham und übergibt sie an die Merkantil-Behörden, die aus Orionern und Andorianern bestehen. Als Book dann selbst in Schwierigkeiten gerät, weil er von seinem Intimfeind Cosmo Traitt dingfest gemacht wird, arbeiten Burnham und Book doch wieder zusammen und schießen sich einen Fluchtweg frei. Als man sie vor der Nautilus dann doch noch stellt, greift Book auf seinen Trance Worm Molly zurück, um die Angreifer endgültig auszuschalten.
Der vermeintliche Schmuggler Booker stellt sich schließlich als spiritueller Tierschutzaktivist mit telekinetischen Fähigkeiten heraus.
“Hoffnung ist eine mächtige Kraft”
Gemeinsam mit Burnham fliegt Book sodann zunächst zum “Schutzgebiet IV” und anschließend zu einer ehemaligen Relaisstation der Föderation, wo beide auf Aditya Sahil treffen, einen der wenigen verbliebenen Verbindungsoffiziere der Föderation.
“Wir sind nur noch wenige. Doch noch immer ist unser Geist ungebrochen.”
– Aditya Sahil
“Wenn es noch andere gibt, werden wir sie finden. Wir finden sie.”
– Michael Burnham
Dort entrollen sie gemeinsam eine Flagge der Föderation und nehmen ein ambitioniertes Ziel ins Visier: Gleichgesinnte zu finden und die Föderation wieder aufzubauen.
Inszenierung
Drehbuch & Regie
Das Drehbuch von “That Hope Is You” ist ein Gemeinschaftswerk von Michelle Paradise, Jenny Lumet und Alex Kurtzman und wurde einmal mehr von Olatunde Osunsanmi inszeniert. Dabei folgt die Episode dem Konzept der bisherigen beiden Staffelauftakte “The Vulcan Hello” / “Leuchtfeuer” (DSC 1×01) und “Brother” / “Bruder” (DSC 2×01). Handlungstechnisch konzentriert man sich auf nur eine zentrale, wenig vielschichtige Geschichte. Man nimmt sich also ausreichend Zeit, das Setting und die neuen Figuren (Expositionsdialoge!) einzuführen und garniert dies mit immer wieder eingebundenen Action-Sequenzen – Weltraumgefechte, Martial-Arts-Einlagen sowie Verfolgungsjagden und Phaserkämpfe. Dieses Rezept hat sich scheinbar bewährt und kommt nun auch in dieser Episode zum Einsatz. Zudem spiegelt es den Regiestil von Osunsanmi wider.
Kulissen & Effekte
Eine wahre Augenpracht sind natürlich die Außenszenen auf Island, die wirklich hervorragend zum Setting auf Hima passen. Auch die Spezialeffekte sind wieder auf absolutem Topniveau.
Mit dem Sprung ins 32. Jahrhundert vollzieht “Discovery” nicht nur einen erzählerischen, sondern vor allem auch einen visuellen Reboot. Das wäre zumindest zu erwarten gewesen. Die visuelle Umsetzung des vierten Millenniums n. Chr. hat mich dann aber doch sehr enttäuscht. Das ist ohnehin ein großes Problem der neuen “Star Trek”-Produktionen seit 2017: Die visuellen Unterschiede zwischen dem 23. (“Discovery” Season 1 & 2), dem ausgehenden 24. (“Picard” Season 1) und dem 32. Jahrhundert (“Discovery” Season 3) sind einfach viel zu gering (oder praktisch nicht existent), als dass dies alles epochenspezifisch beziehungsweise glaubwürdig erscheinen würde. Mobile Transporter, Holo-Wecker, Tarnvorrichtungen und Antimaterie-Materie-Umwandlung hat es schließlich auch schon in den Jahrhunderten zuvor gegeben. Ein echter Wow-Effekt hat sich bei mir in “That Hope Is You” jedenfalls noch nicht eingestellt.
Man muss in dieser Frage einfach die Realität berücksichtigen: Gehen wir vom Jahr 2020 900 Jahre zurück, dann sind wir im 12. Jahrhundert. Das sind gigantische technische und kulturelle Sprünge, die sich in dieser Zeit vollzogen haben! Es ist eben nicht nur die Technik, sondern auch das Kulturelle – Sprache, Gesellschaftsordnung, Politik, Religion, Kunst und Philosophie – das sich über die Jahrhunderte entwickelt. Auch diesen Aspekten sollte “Discovery“ in der neuen Staffel folglich gerecht werden. Die gezeigte Evolution darf hier nicht nur von technischer Natur sein.
Der Sprung 900 Jahre in die Zukunft ist folglich befreiend (Kanon!) und herausfordernd (visuelle und erzählerische Umsetzung) zugleich. Je weiter man in die Zukunft geht, umso schwieriger wird es nun einmal, eine potentielle Zukunft glaubwürdig umzusetzen. Man muss das Unvorstellbare vorstellbar machen. Das ist eine große Herausforderung – an der man nur scheitern kann?
Gene Roddenberry hatte seinen Zeitsprung von 300 Jahren gewiss klug gewählt, als er “Star Trek” Mitte der 60er-Jahre aus der Taufe hob. Eine solche Zeitspanne ist ebenfalls groß, bewegt sich aber trotzdem noch im Rahmen des Vorstellbaren, wie die Jahrzehnte danach dann auch bewiesen haben. Doch der etablierte Kanon – oder besser gesagt “Enterprise” – hat den Autoren von “Discovery” eigentlich nur den Schritt ins 32. Jahrhundert zugestanden. Das ist wohl die frühestmögliche Ära, in der bisher noch keine Seite der Trek-Geschichte beschrieben worden ist. Hier ist also zumindest etwas Nachsicht angebracht. Man sollte jetzt keine Wunderdinge erwarten, aber etwas mehr Innovation darf es dann doch schon sein. Hier hat “Discovery” gewiss noch viel Luft nach oben!
Score
Das gilt allerdings nicht für die musikalische Untermalung der Episode, denn Jeff Russo hat auch in “That Hope Is You” wieder optimal performt. In besonderem Maße lobend zu erwähnen sind hier vor allem zwei Szenen.
Eine davon ist die Anfangsszene, der triste Alltag von Aditya Sahil. Die sehr klassisch anmutende orchestrale Ouvertüre, welche diese Szene musikalisch unterlegt, wirkt – vor allem für eine Science-Fiction-Serie, die im 32. Jahrhundert spielt – zunächst einmal wie ein Fremdkörper. Die frohlockenden Töne stellen eine Art Antagonismus zum Gezeigten dar – dem tristen Alltag eines Mannes, der in karger Isolation lebt. Und genau darin liegt die Genialität von Russos Musik: Er fängt die Message der Szene musikalisch sehr gut ein. Denn hinter diesem tristen Alltag steckt ein Mann, der trotz Jahrzehnten vergeblichen Wartens niemals die Hoffnung aufgegeben hat; ein nicht kleinzukriegender Optimist. Einer der wenigen Menschen dieser Zeit, in deren Geist Geschichte und Werte der Föderation mehr als ein Jahrhundert lang am Leben erhalten worden sind. Und genau dies illustriert die fröhliche Ouvertüre Russos. Die Grundbotschaft der Staffel ist folglich gelegt – hier und jetzt in dieser kurzen Szene: “Die Hoffnung ist eine mächtige Kraft”.
Auch Burnhams Bruchlandung und ihre ‘Auferstehung’ aus der Vulkanasche – oder was hier auch zu sehen sein mag – wurde von Russos Musik sehr schön begleitet. Diese Szene hat bei mir leichte Assoziationen mit einem Film über Robinson Crusoe, den ich als Kind gesehen habe, geweckt: Hier ist jemand auf einer völlig fremden Welt gestrandet, die Hände voller Sand, gepackt von der Ungewissheit, wie es nun weitergehen soll. Russos kräftige Töne passen hier sehr gut – und haben mich sehr stark an Hans Zimmers “The Dark Knight”-Score erinnert, einem meiner Lieblingsfilmscores. Auch hier gilt wieder: Der Score von “Discovery” bewegt sich stets auf Weltklasse-Niveau – mehr als filmreif!
Dialoge & Action
Während mir die meisten Dialoge zwischen Burnham und Booker eigentlich recht gut gefallen haben, weil man wichtige Dinge erfährt und auch eine interessante Dynamik zwischen beiden Figuren etabliert hat, haben mich die Action-Sequenzen nur bedingt überzeugt.
So erinnert das Setting im ‘Merkantil’ doch stark an Stardust-City (PIC 1×05 “Keine Gnade”), die Versorgungsstation in der Nekrit-Ausdehnung (VOY 3×13 “Das Wagnis”), Farius Prime (DS9 6×15 “Ehre unter Dieben”) oder auch Rigel X und Verex III (ENT 1×01 “Aufbruch ins Unbekannte” bzw. 4×04 “Borderland”). Und natürlich an “Star Wars”. Erzählerisch ist das leider nichts Neues, was uns hier geboten wird, und auch visuell ist das Setting gewiss keine Offenbarung. Gleiches gilt auch für die typische “guter Schmuggler, böser Schmuggler”-Story, die doch wirklich sehr stark an Han Solo und Jabbas Handlanger erinnert.
“Discovery” schafft es leider auch im dritten Jahr immer noch nicht, ohne Abkupfern und Gewaltdarstellung (inklusive Martial-Arts-Einlagen) auszukommen, um “Spannung” zu generieren. Nichts gegen Action, aber mir ist das manchmal einfach etwas zu viel des Guten. Es unterhält mich nur mäßig, weil man sich stets nur selbst wiederholt und darüber hinaus auch andere Größen des Genres kopiert. Auch die “Jurassic Park”-Szene mit dem Trance Worm hätte ich nicht gebraucht. Das hatten wir so ähnlich schon einmal in “Star Trek” von 2009.
Es bleibt dabei: Das ‘Kurtzman-Trek’ hat ein Problem damit, sich eine eigene, unverwechselbare Identität zu verschaffen – etwas, das “The Next Generation” 1987 noch vermocht hatte. Das ‘New Trek’ wirkt über weite Strecken wie ein Potpourri aus zeitgenössischen Erfolgsformaten: “Star Wars”, “Game of Thrones”, “Jurassic World” und “Marvel”, um nur einige kreative Vorlagen zu nennen. Etwas mehr Mut zum Anderssein würde der Serie in meinen Augen nicht schaden. Das ganze ‘Merkantil’-Setting hat mich daher schon etwas enttäuscht, weil mir hier doch die Innovation gefehlt hat, die man sich für das 32. Jahrhundert durchaus hätte leisten dürfen.
Humor
“That Hope Is You” setzt an einigen Stellen auf Humor. Hier sind vor allem die lockeren Sprüche von Book sowie die “Burnham ist high”-Szene zu nennen.
Während einige der Book-Jokes (Zugangscode: “Sticky”) durchaus zünden, stellt die Drogen-Szene für mich den absoluten Tiefpunkt der Folge dar. Nun, über Humor sollte man sich nicht streiten, der ist eben ganz individuell. Bei mir hat der Gag jedenfalls nicht gezündet, denn das Szenario ist handlungstechnisch eigentlich irrelevant und dient einzig und allein dem Zweck, Sonequa Martin-Green die Möglichkeit zu geben, Burnham auch mal anders zu performen. Aber mehr als eine weitere Gelegenheit, Martin-Greens mittlerweile teils nerviges Overacting zu bestaunen, bietet die Szene dann halt doch nicht.
Charaktere & Schauspielperformance
Wie bereits erwähnt, konzentriert sich die Handlung vornehmlich auf Burnham, Book und auch ein wenig auf Sahil.
Lost in Isolation
Burnhams übertriebene Emotionalität war mir schon in Staffel 2 ein großes Ärgernis gewesen. Ihre ständigen Weinkrämpfe, ihr emotionales Zögern in entscheidenden Momenten (DSC 2×09 “Projekt: Daedalus“) und ihre ständigen Komplexe stellen meiner Ansicht nach ihre Eignung als hochrangiger Sternenflottenoffizier mehr als in Frage.
Und auch in “That Hope Is You” ist sie wieder da: Commander Michael ‘Cryham’ Burnham. Sicher, man kann hier die Bedeutung ihrer Mission als Entschuldigung für diesen emotionalen Ausbruch anführen; ebenso wie die Tatsache, dass nach dem harten Crash und der drohenden totalen Einsamkeit emotionaler Stress vorliegt. Aber: Sollte sie als ein auf Vulkan aufgewachsenes und von Vulkaniern großgezogenes Kind nicht ‘von Natur aus’ mehr Selbstkontrolle besitzen? Und gehört es nicht auch zur Profession eines Sternenflottenoffiziers, insbesondere in absoluten Krisensituationen die Contenance zu bewahren? Die Autoren werden hier einfach ihrer ursprünglichen Charakterkonzeption als Ziehtochter Sareks so nicht gerecht. Auch wenn ihre emotionalen Ausbrüche in dieser Episode aufgrund der Situation etwas nachvollziehbarer sind, sollte man die Heulszenen Burnhams wirklich langsam etwas reduzieren. Es wird einfach zu viel!
In meinen Augen tun die Autoren und Regisseure mit solchen Szenen auch der Hauptdarstellerin Sonequa Martin-Green keinen Gefallen, weil ich erstens darin eine Beschädigung der Figur Michael Burnham sehe. Und weil ich zweitens auch nach drei Jahren immer noch nicht weiß, wie gut oder wie schlecht Sonequa Martin-Green tatsächlich schauspielert. Dass sie des Öfteren etwas zum Overacting neigt, steht für mich außer Frage. Aber ist das wirklich ihre Schuld oder die von Drehbuch und Regie? Man kann nur hoffen, dass diese Emotionsausbrüche im Verlauf der Serie – wie angekündigt – etwas heruntergefahren werden.
Ansonsten performt Sonequa Martin-Green jedoch gewohnt souverän. Man merkt, dass sie ihre Rolle gefunden hat und auch Spaß daran hat, als Michael Burnham die Galaxis zu retten. Ich würde mir für sie einfach wünschen, dass man Burnham künftig etwas ‘normaler’ schreibt und inszeniert.
Ein Book mit sieben Siegeln?
Über weite Strecken gelungen ist mit Sicherheit die Einführung der Figur des Cleveland “Book” Booker. Auch wenn er zunächst die im Genre nicht unbekannte Charakterzeichnung eines Weltraum-Schmugglers verpasst bekommen hat – Han Solo und Chris Rios lassen grüßen – ist es den Autoren doch gelungen, Book einige interessante Facetten mitzugeben, die ihn vielleicht nicht gänzlich von anderen “Star Trek”-Figuren abheben, ihn aber zumindest interessant machen. Zu nennen sind hier seine Herkunft aus einer Familie von “Mördern und Wilderern”, seine Spiritualität (Chakotay 2.0?), sein Herz für nicht-humanoide Lebewesen, seine telekinetischen Fähigkeiten (“Möge die Macht mit dir sein!”?) und sein flapsiger Humor. Der Mann birgt sicherlich noch einige Geheimnisse und das ist auch gut so.
Sicherlich ist Books Hilfe-Verrat-Hilfe-Twist in “That Hope Is You” absolut vorhersehbar – auch ohne Trailer-Kenntnis – und dementsprechend schon ein tiefer Griff in die Klischee-Kiste. Nichtsdestotrotz haben mir sowohl Books Dialogzeilen als auch seine Darstellung durch David Ajala ganz gut gefallen. Die deutsche Synchronstimme fand ich im Vergleich zum englischen Original allerdings etwas weniger ausdrucksstark.
Etwas zu viel Pathos
Adil Hussains Charakter Aditya Sahil ist gewiss alles andere als uninteressant, wirkt hier allerdings noch etwas hölzern, sodass man darauf hoffen muss, dass er in den kommenden Episoden noch etwas mehr Charaktertiefe erhalten wird.
Ich muss allerdings gestehen, dass mir die Schlussszene auf der Relaisstation doch etwas zu pathetisch war. Auch das ist in meinen Augen ein Schwachpunkt des neuen “Star Trek”, der dringend einer Korrektur bedarf. Einerseits proklamiert man in schöner Regelmäßigkeit mittels schwülstiger Mono- und Dialoge (Burnham und Picard!) die friedvollen und liberalen Werte der Föderation. Andererseits haben Burnham und Co. in 30 Episoden schon mehr Phaser abgeschossen und Leben beendet als Picard und seine Crew in insgesamt 178 Episoden und vier Kinofilmen. Ich sehe darin eine Diskrepanz zwischen dem Reden und dem Tun der Protagonisten. Das neue “Star Trek” betont sehr oft und sehr hochtrabend humanistische Werte, setzt diese aber viel zu selten auch in konkreten Situationen um. Das passt wohl nicht zu den aktuelle Sehgewohnheiten des Mainstreams, sodass man mittels pathetischer Dialoge wenigstens den Anschein erwecken möchte, für ein friedvolles Miteinander zu plädieren. Für mich ist das eine sehr durchschaubare Mogelpackung.
“Guten Tag. Willkommen bei der Sternenflotte. Kann ich Ihnen helfen?“”
– Aditya Sahil
Zudem muss man gehörig aufpassen, dass diese überschwängliche Huldigung der Föderation nicht ins Klischee abrutscht und die “Believer” am Ende wie eine politische Sekte wirken. Denn auch die Föderation war nie derart unfehlbar, als dass diese den Anspruch erheben dürfte, die perfekte Gesellschaft oder der perfekte Staat gewesen zu sein. Das haben die anderen Serien deutlich aufgezeigt. Das hat vor allem auch “Discovery” aufgezeigt. Burnhams Verklärung der Föderation wirkt hier demnach besonders irritierend, denn sie müsste es eigentlich besser wissen.
Der Rückgriff auf das “City upon a Hill”-Motiv ist natürlich typisch amerikanisch, aber hier sollte man den Bogen nicht überspannen.
Auch das ständige Vermischen von Föderation und Sternenflotte, das sich durch die gesamte Serie zieht, ist durchaus problematisch. Auf mich wirkt das stellenweise ein bisschen zu militaristisch. Burnhams Militärtribunal (ohne Rechtsbeistand!) in “Das Urteil” (DSC 1×02) war diesbezüglich mit Abstand der absolute Tiefpunkt. Aber auch Sahils Aussage, die Föderationsflagge dürfe nur von einem patentierten Offizier ausgerollt werden, ist Schwachsinn hoch drei. Die Föderation war eine interstellare politische Allianz, die nicht nur auf einer militärischen, sondern vor allem auch auf einer wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit basierte. Also warum sollte dann nicht auch jeder normale (zivile) Föderationsbürger das Recht haben, eine Föderationsflagge auszurollen?!
Etwas weniger Pathos würde dem “Wir bauen die Föderation neu auf”-Handlungsstrang meiner Meinung nach gut zu Gesicht stehen. Leider haben die Autoren den häufig geäußerten Kritikpunkt, dass Burnhams übertriebener Pathos mitunter nervt, bisher nicht registriert – oder auch einfach nicht die entsprechenden Korrekturen vorgenommen.
Story Arc & Kanon
Mit Burnham betritt im wahrsten Sinne des Wortes ein “Geist aus der Vergangenheit” die Bühne des 32. Jahrhunderts und es liegt in der Natur dieser Serie, dass vor allem sie zum Game Changer dieser Welt werden dürfte.
Die Welt des 32. Jahrhunderts trägt durchaus apokalyptische Züge – soweit man dies nach nur einer Folge und rund 50 Minuten Laufzeit überhaupt seriös beurteilen kann. Die interstellare staatliche Ordnungsmacht Föderation ist verschwunden und wurde scheinbar durch eine anarchische Struktur ersetzt. Wie genau diese aussieht, bleibt uns die Episode allerdings noch schuldig. Auch wenn die Episode ganz Discovery-like abermals mehr auf “tell” statt auf “show” setzt, um in das neue Universum einzuführen, erfüllen die Dialoge zwischen Burnham, Book und Sahil durchaus ihren Zweck.
“Andorianer und Orioner arbeiten zusammen?“
– Burnham
Auch die Merkantil-Szenerie erfüllt eine wichtige Funktion, indem sie einen Vorgeschmack gibt auf das, was uns in den kommenden Wochen erwarten dürfte: Viele bekannte Spezies sind immer noch wichtige Akteure im All, aber die Allianzen haben sich verändert. Ehemalige Föderationsbürger, wie etwa die Andorianer und die Tellariten, machen nun gemeinsame Sache mit den einst (und immer noch) kriminellen Orionern vom “Orion Syndikat”. Selbst Cardassianer und Lurianer sind Mitglieder dieser ungewöhnlichen Allianz.
Wir halten also zusammenfassend fest: Weltraumreisen sind weiterhin möglich, aber nur noch für “Privilegierte” – oder zumindest für diejenigen, die Zugriff auf Dilithium haben. In einigen Teilen des Alls existieren Raumstörungen, die das interstellare Reisen erschweren und auch die Subraum-Kommunikation sowie das Scannen über mehrere Sektoren einschränken. Aus der zuvor vernetzten Galaxis ist demnach ein Flickenteppich aus Einzelsektoren geworden, die mehr oder minder auf sich allein gestellt sind und zudem den Kontakt mit anderen “Gegenden” (“Parts”) vermeiden.
Diese Ausgangslage ist gewiss nicht von einem solch apokalyptischen Ausmaß, wie die Trailer vermuten ließen (Stichwort: Omega bzw. Subraumzerstörung). Die Discovery-Crew hat also durchaus Gestaltungsmöglichkeiten. Es ist aber auch nicht so, dass man hier nicht von einer echten Mammutaufgabe sprechen müsste. Das haben die Autoren wirklich sehr clever eingefädelt.
“Sämtliche Zeitreise-Technologie wurde nach den Temporalen Kriegen verboten – und zerstört.“
– Booker
Wie Tom Götz schon richtig festgestellt hat, waren die Autoren der Episode sehr darum bemüht, die Kontinuität der alten Serien zu wahren. Stichwörter sind hier die “Temporalen Kriege” und der “Slipstream”. Auch die Zeitangabe des kataklystischen Ereignisses um das Jahr 3068 bis 3088 passt hier gut ins Bild. Sehr erfreulich!
Es wäre schön, wenn wir im weiteren Verlauf noch mehr über das 31. und 32. Jahrhundert erfahren würden. Aber alles, was zwischen dem 25. und 30. Jahrhundert passiert ist, sollte aus Rücksicht auf “Picard” und mögliche Nachfolgeserien ein Tabu bleiben.
Gesellschaftskritik
“Star Trek” war immer dann am stärksten, wenn es Parabeln erzählt und unsere Welt dadurch kritisch reflektiert hat. Dieser Aspekt hat mir in “Discovery” bisher viel zu oft gefehlt. Zwar gab es stets Ansätze, diese wurden aber zumeist nur unzureichend ausgearbeitet.
Mit der neuen Staffel ist “Discovery” jedoch auf einem guten Weg, diese so essentielle Wurzel von “Star Trek” wieder zu bewässern. Die Allegorien, die in “That Hope Is You” stecken, sind jedenfalls vielversprechend.
Da wäre einerseits der Untergang der Föderation und der dramatische Rückgang der interstellaren Mobilität aufgrund der Verknappung von Dilithium. Auf unsere Welt übertragen, wäre dies mit einem Zurückfahren der Globalisierung (bzw. der “Global Governance”) und einer eingeschränkten globalen Mobilität vergleichbar. Ein sehr interessanter Aspekt, wie ich finde.
Alles in allem ist die Dilithium-Verknappung natürlich eine spannende Parabel auf unsere Zeit, in der klassische Ressourcen wie Erdöl und Erdgas eine wichtige Grundlage für unsere Mobilität (Auto, Flugzeug, Schiff) darstellen, aber deren vollständige Ausschöpfung nur noch eine Frage der Zeit ist. Im Trek-Universum gibt es wiederum ohne Dilithiumkristalle keinen Warp-Antrieb und demnach wohl auch fast keine interstellare Mobilität mehr. Wie es um den Slipstream-Antrieb steht, ist für mich nicht so ganz ersichtlich geworden. Scheinbar besteht auch diesbezüglich Ressourcenknappheit (Benomit). Zumindest ist dieser Umstand in “Voyager” mal angedeutet worden.
“Star Trek” betrachtet auch in “Discovery” die Welt vorwiegend aus der materialistischen Perspektive: Die eingeschränkte Verfügbarkeit lebensnotweniger Güter und die damit verbundene Unterscheidung in Besitzende und Besitzlose konstituiert letztendlich die Gesellschaft. Kulturelle Unterschiede (Clash of Civilizations) spielen in “Star Trek” hingegen oftmals nur eine untergeordnete Rolle – zumindest was die Erde und das Innenleben der Föderation betrifft. Sind die wichtigsten Ressourcen für alle Teile der Gesellschaft gleichermaßen verfügbar, dann verschwinden auch nahezu alle wesentlichen innergesellschaftlichen Konfliktlinien. So das typische Erde-/Föderationsnarrativ in “Star Trek”.
Doch war das Problem der Ressourcenknappheit in den früheren Serien dank Replikatoren und Warp-Antrieb weitestgehend verschwunden (Stichwort: Überflussgesellschaft) – und damit auch die Konflikte auf der Erde und innerhalb der Föderation – so hat sich die Lage nun ins Gegenteil verkehrt: Ein rigoroser Utilitarismus scheint sich in der Galaxis breitgemacht zu haben, ganz nach dem Motto: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Diese Mangelgesellschaft durch eine an humanistischen Prinzipien orientierte Solidargemeinschaft zu ersetzen – so wie es die alte Föderation stets war – wird die primäre Aufgabe der Discovery darstellen.
Wie relevant diese Thematik auch für unsere heutige Gesellschaft ist, hat die Corona-Krise sehr eindrücklich gezeigt. Denn bei uns hat die Solidarität einiger Menschen schon beim vermeintlich knappen Toilettenpapier aufgehört. Was würde erst passieren, wenn lebenswichtige Güter und Rohstoffe irgendwann auch bei uns knapp werden?
“Der Holo-Verkäufer legt den Preis für eine Ware fest. Der Holo-Käufer verhandelt. Sie machen einen Deal. Der Regulierer genehmigt und bezeugt die Zahlungen. (…) Die Orioner bezahlen Kurieren wie mir gerade genug Dilithium, um die Ware zu überbringen.“
– Book
Auch das ‘Merkantil’ ist ein spitzfindiger Seitenhieb auf unsere Zeit – genauer gesagt auf den Onlinehandel, in welchem weitestgehend nur noch unpersönliche Anonymität zwischen Verkäufer, Käufer und Zwischenhändler herrscht. Und der darüber hinaus auch Möglichkeiten für fragwürdige oder gar kriminelle Geschäftsmodelle offeriert.
Ferner wird in dieser Folge auch der Handel mit bedrohten Arten aufgegriffen, in diesem Fall ist es ein Trance Worm. Dies stellt eine nette Fortführung der “Rettet den Tardigraden und die Gormagander”-Storyline dar.
“Keiner hier kümmert sich mehr um die Liste der bedrohten Arten. Abgesehen von dir.“
– Burnham zu Book
Man sieht folglich, dass “That Hope Is You” sich an einigen Stellen Zeit nimmt, unsere Gegenwart kritisch zu reflektieren. Und genau das erwarte ich auch von “Star Trek”. Hierfür ganz klar: Daumen hoch! Aber die Vergangenheit hat uns auch gelehrt, “Discovery” nicht zu früh über den grüne Klee zu loben. Die Ansätze sind da, aber man muss den Spielzug auch abschließen und den Ball im Tor versenken. Und das hat die Serie in den ersten beiden Staffeln leider nur ganz selten geschafft.
Fazit
“That Hope Is You” eine finale Bewertung zu verpassen, ist gar nicht so einfach. Als Einzelepisode ist die Folge wahrlich keine Offenbarung, denn die Story ist am Ende doch recht dünn und auch wenig innovativ. Negativ ins Gewicht fallen auch die für meinen Geschmack zu exzessiv zelebrierten Kampfszenen sowie einige klischeebehaftete Szenen, wie Burnhams obligatorischer Heulkrampf, ihr erzählerisch sinnfreier Drogenrausch sowie ihr einmal mehr höchst aufdringlicher Föderationspathos. Auch die auffälligen Anleihen an “Star Wars” und “Jurassic World” stören etwas den Gesamteindruck. Mir wird hier zu viel abgekupfert und zu wenig individuelle Stilbildung betrieben.
Gleichwohl hat die Episode auch viele Stärken. Grundsätzlich bin ich sehr froh darüber, dass man sich scheinbar gleich mehrere Folgen genehmigt, um langsam und bedächtig in die neue Welt einzuführen. Mit dem ‘Brand’ und der Figur des Cleveland Booker ist dies in Folge 1 schon einmal recht gut gelungen. Das war früher auch schon anders gewesen, als man die Episoden mit Figuren und Story Arcs überladen hat. Womöglich hat man an dieser Front tatsächlich die richtigen Lehren gezogen.
Positiv zu erwähnen sind neben den wunderschönen Außenszenen und dem erneut überzeugenden Score auch die verschiedenen Parabeln, die in “That Hope In You” eingebaut worden sind. “Star Trek” scheint wieder mehr Wert auf gesellschaftskritische Untertöne zu legen und genau das ist es auch, was ich von dieser Serie erwarte: spannende Geschichten zu erzählen und zum Nachdenken anzuregen.
Als Einzelfolge kommt “That Hope Is You” dennoch nicht über eine Durchschnittswertung hinaus, dafür ist die Handlung einfach zu eindimensional und vorhersehbar. Nichtsdestotrotz erfüllt diese Episode über weite Strecken ihre Expositionsfunktion. Dies gelingt ihr in ähnlich überzeugender Weise wie “Brother” vor knapp zwei Jahren.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 3 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | noch ohne Wertung |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 5 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 5 max=”6″] |
Spannung | [usr 3 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 5 max=”6″] |
Humor | [usr 3 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 4 max=”6″] |
Gesamt
Wertung als Staffelauftakt |
[usr 4 max=”6″]
[usr 5 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 30 (Staffel 3, Episode 1) |
Originaltitel | That Hope Is You – Part I |
Deutscher Titel | Ein Zeichen der Hoffnung (Teil 1) |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 15. Oktober 2020 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 16. Oktober 2020 |
Drehbuch | Michelle Paradise, Jenny Lumet, Alex Kurtzman |
Regie | Olatunde Osunsanmi |
Laufzeit | 53 Minuten |
Fan-Umfrage zu Episode 3×01
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[…] tödliche Gewaltanwendung zum Ziel kommen zu lassen. Das ist ein Aspekt, den ich schon in meiner letzten Rezension kritisiert habe. Und nun sehe ich mich leider darin […]
Ich reg mich nicht einmal mehr über diese Serie auf. Schade um die Puste.
Jeder weiß, dass das Ding gescheitert ist. Bei den Fans wie auch bei der breiten Masse. Nirgendwo “trended” Discovery.
Als Trekkie freue ich mich mittlerweile mehr auf den Start von Season 2 des Mandalorian …
Vorab ich schaue es nicht mehr es gibt genügend andere Wege um über den Quatsch am laufendem gehalten zu werden. Es wird immer wieder gesagt die Serie ist das was wir heute brauchen. Ich sehe das vollkommen anderes eine Welt in der die Menschen ihre Probleme überwunden haben und dadurch einen riesigen Sprung gemacht haben finde ich als Aussage für die heutige Zeit viel besser. Man könnte hier wieder Dutzende Dinge anführen warum die Folge Schrott ist. Die Föderation ist eine Organisation die nicht aus einer Welt besteht sondern aus einem Planeten Verbund. Wie viele Wissenschaftler dort arbeiten könnte man… Weiterlesen »
Bin gespannt wie es weitergeht, spekulieren kann man ja mal. Naja und ein Ausflug in die Folgen von Voyager zeigen das ein gewisser Doc oder das Backup von ihm sich im 31 Jahrhundert zum Alpha Quadrat aufmacht.
Ich bin gespannt ob die lieben Drehbuchschreiber auch diese Facette aufgreifen.
Wären es die Autoren von Lower Decks, dann gebe es Hoffnung, dass sie das aufgreifen. Bei den Autoren von Discovery ist die Chance grösser, das es echte Vulkanier gibt.