Lange ist es her, dass wir die Abenteuer der Discovery verfolgen konnten. Was für den Zuschauer 18 Monate waren, sind für Burnham nur ein Wimpernschlag. Indes macht das Universum einen Satz von einem Jahrtausend nach vorne. In der Staffelpremiere bleibt sich “Discovery” trotz des Epochenumbruchs erstaunlich treu – im Guten wie im Schlechten. Warum, lest ihr in dieser spoilerfreien Review.
Story
Michael Burnhams Ankunft im 32. Jahrhundert ist eine holprige Angelegenheit. Sie kollidiert mit einem Schiff und beide stürzen auf den Planeten Hima. Der Pilot Book verfolgt seine eigenen Ziele und ist wenig erfreut über Burnhams Auftauchen und ihr Anliegen, die U.S.S. Discovery zu finden und zu kontaktieren. Es entspinnt sich ein etwas formelhaftes und vorhersehbares Abenteuer, das uns einen ersten flüchtigen Blick auf dieses neue Jahrtausend gewährt.
Dialoge und Besetzung
Die neue Staffel “Discovery” heftet sich an die Fersen von Michael Burnham (Sonequa Martin-Green), die sich in einer für sie völlig unbekannten Welt zurechtfinden muss. Ihre einzige Bezugsperson ist Book (David Ajala), den die Autoren zweckdienlich als schwierigen und eigensinnigen Charakter einführen.
Ajala hat den augenzwinkernden Charme und die Energie eines Nathan Fillion. Und es ist fair, Book mit Captain Reynolds aus “Firefly” zu vergleichen. So kommt es angenehm überraschend, dass die Figur noch eine für den “Han-Solo-Archetypen” ungewohnte Seite in der zweiten Hälfte der Episode zeigt.
Wie in modernen Dramen üblich fließen die Informationen über die neuen Figuren und den Plot (ganz zu schweigen von der Historie der letzten 930 Jahre) nur äußerst spärlich. Wenn wir etwas über das 32. Jahrhundert erfahren, dann geschieht dies dennoch recht ungelenk in Expositionsdialogen. Wegen der antagonistischen Konstellation zwischen Book und Burnham geraten diese Gespräche sehr langwierig.
Darüber hinaus plagt “Discovery” das übliche Problem, “Trek”-untypisch zu sehr auf Emotionen zu setzen. In den Händen von Martin-Green werden diese Szenen zu Achterbahnfahrten. Da hilft es wenig, dass Burnham Teile der Episode unter Drogeneinfluss steht und Martin-Green ihr Spiel nochmal intensiviert. Regisseur Olatunde Osunsami hätte gerne einen mäßigenden Einfluss üben dürfen.
Kanon und Rahmenhandlung
Also erfahren wir recht wenig über die Zukunft der Zukunft. Wie die Trailer bereits verraten haben, sind Föderation und Sternenflotte dank eines Ereignisses namens “The Burn” (“Der Brand”) nur noch ein Schatten ihrer ehemaligen selbst. Details sollen an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden. Wir dürfen aber mit einiger Erleichterung festhalten, dass das 32. Jahrhundert bisher nicht den Anschein einer Dystopie erweckt. “That Hope Is You” macht unmissverständlich klar, dass “Discovery” nicht auf die Schockeffekte von Untergangsszenarien setzen, sondern eine Um- und Aufbruchsgeschichte erzählen möchte.
Der Trip in die Zukunft erlaubt den Autoren, eine ganze Reihe von Kanon-Referenzen einzubauen. Was davon jedoch relevant für die Staffel sein wird, müssen die nächsten Episoden zeigen. Dabei wird es ein massives Spannungsfeld beim Ausgestalten der letzten neun Jahrhunderte geben. Nachdem sowohl “Enterprise” als auch “Discovery” alle Kanon-Probleme durchgemacht haben, an denen ein Prequel leiden kann, werden die Autoren um Michelle Paradise Obacht walten lassen müssen, um nicht “Picard”, “Lower Decks”, “Prodigy” und folgende Geschichten in der TNG-Ära in eine Ecke zu schreiben.
Inszenierung
“Discovery” zementiert erneut seinen Status als eine der sehenswertesten Serien der Gegenwart. Nicht nur die visuellen Effekte sind herausragend, auch kommt der Folge der Dreh in Island zu Gute, das für die fantastische Landschaft des Planeten Hima Pate stand.
Während die Produktionsqualität wie üblich völlig tadellos ist, löst die Folge dennoch eine wichtige Hypothek nicht zufriedenstellend ein: Look & Feel des 32. Jahrhunderts sind einfach nicht plausibel. Man denke an die dramatische visuelle Evolution zwischen “Star Trek” und “The Next Generation” und multipliziere diese mit 9. Das ist der Anspruch, den sich die “Discovery”-Macher mit der Entscheidung, knapp ein Jahrtausend in die Zukunft zu springen, selbst auferlegt haben.
Das Ergebnis ist milde gesagt enttäuschend. Aber in aller Fairness, wie könnte es auch anders sein? “Discovery” hat sich seit jeher wenig um die durch den Kanon etablierte visuelle Identität seiner Vorgänger geschert (im krassen Gegensatz zu “Mandalorian” aus dem “Star Wars”-Universum), sondern setzt in Sachen Set-Design und visueller Effekte alles Machbare ungeachtet der Angemessenheit auch um.
So bleiben selbstverständlich wenig Freiheitsgrade für das 32. Jahrhundert, zumal es auch einiges an Einfallsreichtum bedarf. Zwischen der Originalserie und “TNG” führte “Trek” Holodecks, Replikatoren, Combadges, teilbare Raumschiffe, zivile Crewmitglieder, Touchinterfaces & 3D-Bildschirme ein. Gleichzeitig wandelte sich die Optik der Enterprise von einem utilitaristischen Marineschiff zu einem Luxushotel. In “That Hope Is You” steckt nicht einmal ein Bruchteil jener Kreativität, wo doch ein Vielfaches aufgerufen wäre. Natürlich gibt es ein paar nette Gadgets, aber die sind weder neu noch der erwartbare und notwendige Quantensprung, um dem Publikum das 32. Jahrhundert glaubhaft zu verkaufen.
Beobachtungen
- Gorn-Referenzen scheinen in den neuen Trek-Produktionen zu einem obligatorischen Bestandteil zu werden.
Fazit
“Discovery” zeigt in der Staffelpremiere alte Stärken und alte Schwächen. Die Schauwerte sind top, die Dialoge und das Schauspiel ok; doch Plot und Kontinuität sind erschreckend dünn.
Sonequa Martin-Green strotzt vor Energie und im Positiven wie im Negativen gibt ihr Regisseur Osunsanmi freie Fahrt, alle Emotionen bis zum Anschlag zu spielen. Neuzugang David Ajala verkörpert Book zwar grundsympathisch, die “Freunde wider Willen”-Dynamik des Drehbuchs wirkt mit ihren klischeehaften Wendungen aber unnötig und beleidigt die Intelligenz der Zuschauer.
Auch die ansonsten dünne (und im Großen und Ganzen belanglose) Handlung ist hoffentlich nicht repräsentativ für das Niveau der restlichen Staffel.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 2 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 3 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 2 max=”6″] |
Spannung | [usr 3 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 5 max=”6″] |
Humor | [usr 4 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 2 max=”6″] |
Gesamt | [usr 3 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 30 (Staffel 3, Episode 1) |
Originaltitel | That Hope Is You |
Deutscher Titel | Ein Zeichen der Hoffnung (Teil 1) |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 15. Oktober 2020 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 16. Oktober 2020 |
Drehbuch | Michelle Paradise, Jenny Lumet, Alex Kurtzman |
Regie | Olatunde Osunsanmi |
Laufzeit | 53 Minuten |
Mit Rücksicht auf andere Leser, die die Folge noch nicht gesehen haben, bitten wir, in den Kommentaren zu diesem Artikel auf Spoiler zu verzichten. Danke!
Ich gehe ja mit, wenn man die überzogen wirkende Schauspielleistung von Martin-Green kritisiert. Das entsprechend sehr wechselhafte Gemüt, bzw. Gefühlslage der Figur Burnham kommt wieder extrem zum Geltung, da in der Folge keine Discovery vorkommt und der Fokus auf Book und Burnham liegt. Andererseits finde ich es gewagt zu sagen, dass ein Sternenflottenoffizier durch seine Ausbildung auf sämtliche Eventualitäten des Lebens vorbereitet sein muss und eine Zeitreise von mehreren Jahrhunderten ohne jegliche Gefühlsregung über die Bühne geht. So gesehen ist die gefühlstechnisch aalglatte Darstellung manch eines Charakters aus den vorherigen Serien genauso übertrieben – hat mich persönlich aber nie wirklich… Weiterlesen »
Zitat: “Discovery” zementiert erneut seinen Status als eine der sehenswertesten Serien der Gegenwart.” Dann aber doch nur 3 Sterne für Episode 1 der 3. Staffel. Etwas widersprüchlich. Anders als der Staffelauftakt von Season 2 hat mich der Beginn von Staffel 3 nicht mitgerissen. Das lag einerseits daran, dass die Folge komplett Burnham-lastig war. Die Discovery kam gar nicht vor, was die Story irgendwie holprig starten ließ. Generell lehnt sich der visuelle Stil von STD wieder mal mehr an Star Wars an, als an Star Trek. Auch wenn die Effekte ganz allgemein gesagt gut und schön sind, so stört mich diese… Weiterlesen »
“Sehenswert” war buchstäblich auf die visuelle Produktionsqualität bezogen.
Beste Grüße und weiterhin viel Spaß im TZN,
Christopher
Danke für die Rezension, enthält teilweise gute Punkte. Achtung Spoiler!! Selbst als alter „STD Skeptiker“ sehe ich diese Folge nicht ganz so negativ, wie in dieser Rezension. Die Bilder und der Trick, wunderbar. Vor allem die Landschaftsaufnahmen. Erinnert an manches großes SF Epos. Das „Zeigen“ der Zukunftstechnik, okay. Sie haben sich Mühe gegeben. Materie, die sich formen läst, mobile, schnelle Transporter usw. Ist das zu viel oder zu wenig für 900 Jahre?? In den letzten 900 Jahren hat sich in manchen Bereichen auch nicht viel getan. Man bewegt schwere Lasten auf Rädern, der Antrieb hat sich vom Pferd zum Motor… Weiterlesen »