Wir klären in der neuen “Doctor Who”-Review, wie viel der Spuk wirklich taugt und ob man sich wirklich gruselt. Achtung, Spoiler!
Frankenstein-Anleihen
Der Titel ließ bereits vermuten, dass diese Episode wieder grottig werden könnte und vor allem mit dem Season-Arc relativ wenig in Verbindung steht. Manchmal wird man aber positiv überrascht, so auch hier. Denn nach einem gemächlichen Start ging es dann doch in die Vollen und die Story hat in der Tat etwas zum Season-Arc beizutragen. Doch der Reihe nach.
Zunächst einmal landen wir im Jahr 1816 in der Villa Diodati, der berühmten Nacht, in der Mary Shelley zu Frankenstein inspiriert wird. Und wenn Zeitreisende mitspielen, dann ist schnell klar, dass diese letztlich Mary zu ihrem Buch inspirieren werden (wer “Highlander” noch kennt, dort war es ähnlich). Doch auch hier überrascht die Folge positiv. Ja, man macht zwar ein paar subtile Andeutungen und Mary zieht sich ein paar Inspirationen aus dem Cyberman, aber im Grunde bleibt es wirklich das: eine Seitennotiz. Hier wird nicht mit dem Holzhammer erklärt, dass man Einfluss auf die Geschichte genommen hat.
Charakter-Interaktionen
Ansonsten lebt die Geschichte eben viel von ihren Charakter-Interaktionen, die zu einem Großteil sogar in Ordnung gehen. Natürlich stehen vor allem Mary Shelley und Lord Byron im Vordergrund, die so charakterisiert werden, wie es die Geschichte vorschreibt. So ist Byron auf der einen Seite ein ungehobelter Frauenheld, hat aber auf der anderen auch morbide Sachen in seiner Suite. Allerdings sind die historischen Persönlichkeiten dann nicht ganz so, wie man es sich vorstellt, denn von schriftstellerischer Muse ist man weit entfernt.
Die anderen Charaktere werden nur am Rande berührt und sind eher unwichtig, auch wenn sie natürlich in diese Nacht gehören. Mister Shelley selbst erhält am Ende dann immerhin noch einmal einige Charakterszenen, da er einen Blick auf seinen Tod geworfen hat. Die Einbettung in das etwas mittelalterlich angehauchte Setting ist also durchaus gelungen und auch die Diener sind nicht nur bloße Staffage. Allerdings muss man sagen, dass der Doctor und seine Kameraden auch nur an diesem Ort landen, weil sie Lust darauf haben, die berühmte Nacht zu besuchen. Und dann entspinnen sich die folgenden Ereignisse – ein allzu passender Zufall.
Grusel-Spuk
Man ahnt es schon, mit Familienfreundlichkeit ist es auch in dieser Folge nicht weit her, denn hier rennen eiskalte…ähm…Skeletthändchen herum, die Räume verändern sich und allerlei Spukiges geht ab – wie es sich für eine Horror-Story eben gehört.
Zur Erklärung kommen wir später noch, aber für den Moment muss festgehalten werden, dass es durchaus gut gemacht ist – vor allem, da man hier nicht auf Effekte setzen muss, sondern vieles auch vom Spiel der Charaktere lebt. Und auch die Idee des sich verändernden Hauses beziehungsweise dass man einen Raum nicht verlassen kann, kennt man so zwar auch schon aus anderen Filmen, gehört aber irgendwie auch dazu.
Allerdings muss man hier auch eine Sache festhalten: So gut das auch alles gemacht sein mag, es ist halt bislang auch eher Standard. Und was dahintersteckt, wird sich als das übliche ‘Monster der Woche’ entpuppen, das der Doctor und seine Freunde dann schließlich ausschalten. Oder etwa nicht? Tatsächlich legt der Anfang der Folge diese Vermutung nahe. Und auch historische Persönlichkeiten, auf die man trifft, hatte man diese und die letzte Staffel schon zuhauf.
Obacht vor dem Cyberman
Die Folge bekommt dann aber eine neue Richtung, als das Monster dann wirklich auftaucht und sich als Cyberman entpuppt. Dieser sucht offenbar irgendetwas, was uns gleich zu den ersten Schattenseiten der Folge führt. Denn unser lieber Bösewicht tötet natürlich nur die Diener, lässt die Helden aber unverständlicherweise am Leben. Klar, das wird später mit seinen noch vorhandenen Gefühlen bzw. Persönlichkeit erklärt, unterstreicht aber wieder mal nur das übliche Klischee, dass die Helden sich in alle Gefahren stürzen können, da ihnen ja sowieso nichts passiert. Immerhin gibt es in dieser Folge keinen Doctor-Monolog.
Das andere ist der Hinweis auf Jacks Warnung aus Folge 5, die hier prominent erwähnt wird. Das hätte man etwas eleganter lösen können, als den Zuschauer ständig mit dem Holzhammer darauf hinzuweisen, dass man dem Cyberman bloß nicht das geben darf, was er will. Hier zeigt sich eben, dass kurze Staffeln in solcherlei Hinsicht ihre Wirkung verfehlen. Es ist ja immerhin erst drei Folgen her. Das war selbst dem letzten Zuschauer noch mehr als präsent. Wären nun 10 Folgen ins Land gegangen, hätte hier die Bedrohung einfach besser gezogen.
Der gefährliche neue Stoff
Nachdem man sich also durch das sich verändernde Haus (Castlevania irgendwer?) geschlagen hat, findet man dann auch die Ursache der ganzen Misere, die der Doctor in einer Telepathie-Demonstration wieder aufstöbert. Ein neuer Stoff namens Cyberium, der nichts anderes als die ganze Datenbank der Cybermen ist, entpuppt sich als das MacGuffin der Folge, hinter dem natürlich auch der Cyberman her ist. Und das steckt nun mal in Mister Shelley fest. Das Zeug hat dann auch wundervolle Eigenschaften, wie etwa das Haus verändern oder Shelley unsichtbar machen, damit er als Geist durchgeht. Denn es will dem Cyberman nicht in die Hände fallen.
Auch wenn man also grundsätzlich mit diesem Wunderstoff klarkommen kann, so kommt in den nächsten Folgen hoffentlich noch eine weitere Erklärung. Denn bislang hat es kein Cyberium gegeben. Und wie das Zeug dann einen Krieg mit Milliarden Opfern auslösen soll…? Aber gut, da die Folge offen endet, darf man an dieser Stelle Hoffnung für den nächsten Teil haben.
Man muss sich aber auch fragen, warum dieser Wunderstoff – wenn er doch derartige Eigenschaften hat – dem Doctor (der diesen aufgenommen hatte) nicht dabei hilft, den Cyberman einfach mal so zu besiegen. Aber die Story braucht an dieser Stelle eben noch einen Kniff. Denn der Doctor und seine Freunde verlieren an dieser Stelle und müssen dem Cyberman das Cyberium überlassen, der dann auch sofort von dannen zieht. Zum Glück hat Mr. Shelley vom Cyberium vorher die Koordinaten bekommen und weiß folglich, wo es hingehen wird, sodass der Doctor und seine Freunde dem Cyberman auch sofort folgen können.
Hier gibt es dann wieder eine schöne Charakterszene. Denn zunächst will der Doctor noch allein losziehen, aber die Companions machen ihr dann klar, dass sie nun eine Familie sind und die Aufgabe deshalb auch gemeinsam angehen sollten – auch auf die Gefahr hin, dass nicht alle lebend da raus kommen könnten. Damit wird der Entwicklung früherer Folgen Rechnung getragen und die Folge schließt mit einer starken Schlussszene, die Lust auf den nächsten Teil macht.
Fazit
Trotz schwachem Auftakt zieht die Folge im weiteren Verlauf spürbar an und stellt eine Verbindung zum Season-Arc her. Die historischen Charaktere wissen ebenfalls zu gefallen. Es geht also wieder aufwärts mit der Serie. Man hat zwar noch nicht die Klasse vorheriger Folgen erreicht, aber es bleibt zu hoffen, dass das Staffelfinale noch einmal gehörig anziehen wird.
Bewertung
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Episoden-Infos
Episodennummer | 294 (Staffel 12, Episode 8) |
Originaltitel | The Haunting of Villa Diodati |
Deutscher Titel | Spuk in der Villa Diodati |
Erstausstrahlung UK | 16. Februar 2020, BBC One |
Erstausstrahlung Deutschland | Donnerstag, 10. September 2020, FOX-Channel |
Drehbuch | Maxine Alderton |
Regie | Emma Sullivan |
Laufzeit | 50 Minuten |
Einschaltquoten (England) | 5 Millionen |