Das Star Trek-Franchise muss Abschied nehmen von der Drehbuchautorin, Dramaturgin und Produzentin Dorothy Catherine Fontana. Sie verstarb bereits am vergangenen Montag, den 2. Dezember 2019, nach kurzer Krankheit im Alter von 80 Jahren. D.C. Fontana hatte zweifellos großen Anteil an dem enormen Erfolg des Star Trek-Franchise in den vergangenen Jahrzehnten. Ein Nachruf.
Von Anfang an dabei
Es gibt wohl kaum einen Star Trek-Fan, dem D.C. Fontana kein Begriff wäre, war sie doch eine der prägendsten kreativen Köpfe in der 53-jährigen Geschichte von “Star Trek”. Die 1939 in New Jersey geborene Autorin schrieb schon für das Franchise, als dieses noch in seinen Kinderschuhen steckte. Sie steuerte für gleich zehn Episoden von “Star Trek [The Original Series]“ (“Raumschiff Enterprise“) entweder die grundlegende Story oder das Drehbuch bei.
Für “Charlie X” (“Der Fall Charlie”, TOS 1×02) schrieb sie das Drehbuch, für “Tomorrow Is Yesterday” (“Morgen ist Gestern”, TOS 1×19) sogar Story und Drehbuch. In dieser Episode reist die Enterprise versehentlich zurück ins Jahr 1969, wo sie von der U.S. Air Force entdeckt wird. Anschließend müssen Captain Kirk und seine Leute ihre Spuren verwischen, um die Zeitlinie nicht zu gefährden. Schließlich gelingt es der Enterprise, ins 23. Jahrhundert zurückzukehren.
Fontana schrieb hier – in Anlehnung an “The Naked Time” (“Implosion in der Spirale”, TOS 1×06, Story und Buch von John D.F. Black) – die erste Star Trek-Episode, die sich konkret mit einer Zeitreise-Thematik auseinandersetzt. Kurioser Zusatzaspekt: “Morgen ist Gestern” war die allererste Episode von “Star Trek”, die in Deutschland ausgestrahlt wurde, nämlich am 27. Mai 1972. Somit war es D.C. Fontana, die das deutsche Publikum in die Welt von “Star Trek” einführte.
Keine Angst vor heißen Eisen
Im weiteren Verlauf der Originalserie schrieb Fontana noch weitere Episoden, im Einzelnen “This Side of Paradise” (“Falsche Paradiese”, TOS 1×24, Story gemeinsam mit Nathan Butler), “Friday‘s Child” (“Im Namen des jungen Tiru”, TOS 2×11), “Journey to Babel” (“Reise nach Babel”, TOS 2.10), “By Any Other Name” (“Stein und Staub”, TOS 2×22, Drehbuch gemeinsam mit Jerome Bixby), “The Ultimate Computer” (“Computer M5”, TOS 2×24, Drehbuch) und “The Enterprise Incident” (“Die unsichtbare Falle”, 3×02). Neben den oben genannten Episoden verfasste Fontana zudem unter dem Pseudonym Michael Richards die Storys der Episoden “That Which Survives” (“Gefährliche Planetengirls”, TOS 3×17) und “The Way to Eden” (“Die Reise nach Eden”, TOS 3×20 mit Arthur Heinemann).
Bei einer näheren Betrachtung der von Fontana geschriebenen Episoden fällt auf, dass sie in vielen Fällen einerseits politische Themen in den Mittelpunkt der Handlung stellte und die Geschichten andererseits starke – oft weibliche – Figuren enthielten. Hier sind vor allem Eleen (“Im Namen des jungen Tiru”) und der weibliche romulanische Commander aus “Die unsichtbare Falle”, gespielt von Joanne Linville, zu nennen. Eleen wurde von Fontana sogar so emanzipiert geschrieben, dass Gene Roddenberry sich seinerzeit dazu genötigt sah, Fontanas Script umzuschreiben. Eine Eigenart des Star Trek-Schöpfers, unter welcher auch viele andere Star Trek-Autoren des Öfteren zu leiden hatten.
Neben den für die damalige Zeit – wir sprechen von den 1960er-Jahren – ungewöhnlich emanzipierten und starken weiblichen Charakteren führte Fontana zudem weitere narrative Aspekte ein, die “Star Trek” teils bis zum heutigen Tage prägen. In “Friday’s Child” ist beispielsweise die “Prime Directive” ein Fixpunkt der Handlung. In Zeiten der sogenannten “Eindämmungspolitik” (Kalter Krieg) war die mit der “Obersten Direktive” transportierte Forderung nach einer strikten Nichteinmischungspolitik durchaus ein mutiges politisches Statement. “The Enterprise Incident” wiederum ist für Star Trek-Verhältnisse ungewohnt “neorealistisch” konnotiert, versuchen Kirk und Spock in der von ihnen durchgeführten Geheimmission doch, das Gleichgewicht der Kräfte zwischen der Föderation und dem Romulanischen Imperium wiederherzustellen. Fontana schreckte also nicht davor zurück, auch die zentralen politischen Themen der damaligen Gegenwart anzusprechen und in verfremdeter Form mitunter kritisch zu reflektieren.
“Wegbereiterin für andere Frauen”
All diesem Mut zum Trotz war Fontana in den 1960er-Jahren noch der Ansicht gewesen, dass sie ihre Geschichten besser unter der Verwendung von genderneutralen Initialen (D.C. statt Dorothy Catherine) und Pseudonymen (Michael Richards und J. Michael Bingham) veröffentlicht. Der traurige Grund: Autorinnen hatten in der damaligen Zeit noch einen schweren Stand in der Film- und Fernsehbranche – allen voran im Science-Fiction-Genre. Diese Diskriminierungsproblematik wurde gut drei Jahrzehnte später in der “Deep Space Nine”-Episode “Far Beyond the Stars” (“Jenseits der Sterne”, DS9 6×13) aufgegriffen.
Glücklicherweise änderte sich mit den Jahren der Zeitgeist, sodass Frauen im Science-Fiction-Genre alsbald keine Ausnahmeerscheinung mehr waren. Dass mit Jeri Taylor in den 1990er-Jahren eine Frau Co-Produzentin einer “Star Trek”-Serie werden konnte oder dass mit Michelle Paradise heute mit vollster Selbstverständlichkeit eine Frau den Executive Producer-Posten von “Star Trek: Discovery” innehat, ist ganz sicher auch Dorothy Catherine Fontana zu verdanken. Daher verwundert es nicht, dass die offizielle Star Trek-Homepage Fontana in den höchsten Tönen lobt und ihr Lebenswerk würdigt:
“Fontana’s credits to Star Trek cannot be understated, both as a writer of great stories and as a trailblazer for other women.” – startrek.com
“Fontanas Verdienste für Star Trek sind nicht hoch genug einzuschätzen, sowohl als Autorin großartiger Geschichten als auch als Wegbereiterin für andere Frauen.“
Mutter von Spocks Familiengeschichte
Zu Fontanas zahlreichen erzählerischen Verdiensten für “Star Trek” zählt auch die Hintergrundgeschichte rundum Mr. Spock, den wohl beliebtesten Charakter der Originalserie. Fontana schrieb, wie bereits erwähnt, die Episode “Reise nach Babel”, in welcher Spocks Eltern Sarek und Amanda Grayson als Figuren eingeführt wurden – inklusive der schwierigen Beziehung zwischen Spock und seinem Vater Sarek, deren Wurzeln auch noch viele Jahrzehnte später in der Spin-off-Serie “Star Trek: Discovery” beleuchtet wurden. Allein an diesem Story-Arc ist zu erkennen, dass Fontanas erzählerisches Werk bis in die Gegenwart von “Star Trek” hineinreicht. Auch die “The Animated Series”-Episode “Yesteryear” (“Das Zeitportal”, TAS 1×02), die Spocks Kindheitstage beleuchtet, stammt von Fontana. Überdies sollen auch die Andorianer (“Journey to Babel“) auf Fontana zurückgehen.
Neben ihrer Arbeit für “Star Trek” schrieb Fontana in den 60ern, 70ern und 80ern auch Drehbücher für Erfolgsserien wie “Bonanza” (dito), “The Streets of San Francisco“ (“Die Straßen von San Francisco”), “The Waltons” (“Die Waltons”) oder auch “Dallas” (dito).
Geburtshelferin von “The Next Generation”
Als Gene Roddenberry im Jahr 1986 die Rückkehr von “Star Trek” auf die TV-Bildschirme vorantrieb, holte er sich u.a. mit D.C. Fontana eine alte Weggefährtin an Bord. Allein an dieser Tatsache kann man Roddenberrys Wertschätzung für Fontanas Kreativität erkennen. Fontana wurde neben weiteren Star Trek-Veteranen, wie Robert “Bob” Justman oder David Gerrold, Associate Producer, Story Editor und Story Consultant und war in dieser Position mit verantwortlich für die Produktion der ersten 13 Episoden der ersten Staffel von “Star Trek: The Next Generation” (1987/88).
Sie schrieb gemeinsam mit Roddenberry den Pilotfilm “Encounter at Farpoint” (“Der Mächtige“/“Mission Farpoint“, TNG 1×01) sowie die Episoden “Lonely Among Us“ (“Die geheimnisvolle Kraft“, TNG 1×07), “Too Short A Season” (“Die Entscheidung des Admirals”, TNG 1×16) und “Heart of Glory” (“Worfs Brüder”, TNG 1×20). In “Too Short A Season” widmete sich Fontana wieder einmal einem ihrer Lieblingsthemen, nämlich der “Obersten Direktive”. Auch diese Episode kann – wie schon zu TOS-Zeiten – durchaus als Kritik an der damaligen US-Außenpolitik interpretiert werden. Zudem entwickelte sie gemeinsam mit Roddenberry das LCARS-Konzept, das prägend war für alle Star Trek-Produktionen der 1990er-Jahre.
Nach Querelen mit Roddenberrys Anwalt Leonard Maizlish zog sie sich jedoch nach der ersten Staffel gemeinsam mit den anderen TOS-Veteranen im Produzentenstab aus “TNG” zurück. In den 1990er Jahren kehrte sie für “Deep Space Nine” zu “Star Trek” zurück und lieferte (gemeinsam mit Peter Allan Fields) das Drehbuch für die Episode “Dax” (“Der Fall ‘Dax'”, DS9 1×08).
Serien, Computerspiele und Lehrtätigkeit
Neben ihrer Arbeit als Drehbuchautorin, Dramaturgin und Co-Produzentin für vier Star Trek-Serien (TOS, TAS, TNG, DS9) lieferte Fontana auch Storys für die Star Trek-Videospiele “Star Trek: Secret of Vulcan Fury” (unveröffentlicht), “Star Trek: Bridge Commander”, “Star Trek: Legacy” und “Star Trek: Tactical Assault”, alle in Zusammenarbeit mit Derek Chester. Hinzu kommt eine Episode von “Star Trek: New Voyages”, einer Fanproduktion, die sie zusammen mit Jack Treviño und Ethan H. Calk schrieb.
Abseits von “Star Trek” war D.C. Fontana in den 1980er- und 1990er-Jahren auch für viele andere TV-Serien tätig. Zu nennen sind hier insbesondere die Science-Fiction-Serien “Babylon 5” (dito) und “Earth: Final Conflict” (“Mission Erde: Sie sind unter uns”). Letztere Serie geht auf eine Idee von Gene Roddenberry zurück, welche jedoch zu dessen Lebzeiten niemals realisiert worden war.
In ihren letzten Lebensjahren lehrte Fontana am American Film Institute. Sie wurde im Laufe ihrer Karriere für mehrere Auszeichnungen nominiert und konnte einige davon gewinnen. So wurde sie beispielsweise von der American Screenwriters Association und der Writers Guild of America prämiert.
Von 1981 bis zu ihrem Tod war Fontana mit dem US-amerikanischen Filmtechniker Dennis Skotak verheiratet.
Dorothy Catherine Fontanas Verdienste um das Star Trek-Franchise bleiben auch nach ihrem Tod unvergessen.
Quellen: