Mit “Tal der Schatten”, der zwölften Episode der zweiten Staffel von “Star Trek: Discovery”, geht die Formkurve der Serie wieder leicht nach oben. Die Episode ist abwechslungsreich und von Anfang bis Ende unterhaltsam. Leider trüben einmal mehr zahlreiche Plot Holes den Gesamteindruck. Unsere ausführliche Zweitrezension mit Lob und Tadel.
Vorsicht Spoiler!
Die Handlung
Ein weiteres rotes Signal ist bei Boreth, einem Planeten tief im Raum der Klingonen, erschienen. Mit Erlaubnis von Kanzlerin L’Rell fliegt die Discovery dorthin, um der Sache auf den Grund zu gehen. Wie sich alsbald herausstellt, beherbergt das Kloster auf Boreth etliche Zeitkristalle, die von den dort lebenden klingonischen Mönchen bewacht werden.
Captain Pike beamt auf den Planeten, um einen solchen Zeitkristall zu erwerben. Im Kloster trifft Pike auf den Obermönch Tenavik, den Sohn von Voq und L’Rell. Durch die temporale Wirkung der Zeitkristalle ist Tenavik, der eigentlich erst wenige Monate alt ist, bereits erwachsen. Tenavik weist den Captain zunächst ab, gibt ihm dann aber doch die Möglichkeit, einen Zeitkristall zu erwerben. Dafür muss Pike jedoch ein großes Opfer bringen: Er muss sein zukünftiges Schicksal – seine Invalidität – akzeptieren. Pike willigt zum Wohle der Galaxis ein. Damit sei sein trauriges Schicksal zementiert, so Tenaviks Prophezeiung. Pike erhält daraufhin einen noch unbearbeiteten Zeitkristall und kehrt auf die Discovery zurück.
Derweil gehen Burnham und Spock auf eine Shuttle-Mission. Sie suchen nach einem Schiff von Sektion 31, das sich trotz Sicherheitsvorschriften nicht regelmäßig gemeldet hat. Sie finden das Schiff antriebslos treibend im Weltraum vor. Die Besatzung des Schiffes ist tot, die Leichen driften im Weltraum. Control hat die Kontrolle über das Schiff übernommen und sämtliche Luftschleusen geöffnet. Unter den Leichen befindet sich allerdings ein Überlebender. Es ist Kamram Gant, den Burnham noch aus ihrer Zeit auf der Shenzhou kennt.
Gemeinsam mit Gant beamen Burnham und Spock auf das Schiff, um Control aufzuhalten. Am Ende stellt sich heraus, dass Gant von der KI infiltriert worden ist. Er attackiert Burnham, um sie ebenfalls mithilfe der Nanobots unter Kontrolle zu bringen. In aller letzter Sekunde gelingt es Spock, die Nanobots unschädlich zu machen. Burnham und er bringen das Schiff wieder unter Kontrolle und kehren zur Discovery zurück. Eine Frage beschäftigt Spock besonders: Warum hat Control ein so großes Interesse an Burnham?
Wenig später zeichnet sich eine Konfrontation mit 30 Schiffen der Sektion 31 ab. Control will das Sphärenarchiv, das immer noch im Computerkern der Discovery gespeichert ist. Captain Pike sieht keine andere Möglichkeit, als die Discovery samt Sphärenarchiv zu zerstören. Demnach ordnet er die vollständige Evakuierung des Schiffes an…
Boreth ist nicht wiederzuerkennen
In “Tal der Schatten” besucht Captain Pike das klingonische Kloster auf Boreth, das bereits seit der “The Next Generation”-Episode “Der rechtmäßige Erbe” / “Rightful Heir” (TNG 6×23, 1993) Bestandteil des Star Trek-Kanons ist. In “Discovery” wurde Boreth in der dritten Episode der aktuellen Staffel erwähnt beziehungsweise war auch kurz zu sehen (der Planet), als Tyler seinen und L’Rells Sohn in die Obhut der Mönche übergibt. An diese Handlung knüpft “Tal der Schatten” direkt an, was zunächst einmal aus Kontinuitätsgründen sehr erfreulich ist. Gleichwohl muss man an dieser Stelle leider einige Dinge bemängeln.
Da wäre zunächst de Optik: In “Der rechtmäßige Erbe” hatte man für die Illustration des Gebäudekomplexes des Klosters noch ein für die damalige Zeit übliches Matte Painting benutzt (siehe Bild oben). Dieses spiegelte die klingonische Architektur in der Ära von “The Next Generation” sehr gut wider. Dieser Baustil war recht individuell und verlieh den klingonischen Gebäuden auch einen gewissen Wiedererkennungswert, den man selbst in “Enterprise” beibehielt (siehe Bild unten, man achte hier auf die Türme). Die klingonische Architektur erinnerte eher (entfernt) an eine asiatische Bauweise und weniger an die europäische.
“Tal der Schatten” ignoriert leider völlig, dass es bereits eine visuelle Darstellung des Klosters auf Boreth gibt. Es wäre sicher ein Leichtes gewesen, das Matte Painting von 1993 auf den heutigen technischen Stand zu bringen. Das wäre in meinen Augen eine schöne Würdigung des Kanons gewesen. Stattdessen hat man hier leider einen radikalen Stilbruch vollzogen und das Kloster eher an die gotische Bauweise des europäischen Mittelalters angelehnt. Diese Entscheidung dürfte sicher auch mit der Auswahl des Drehortes für die Innenaufnahmen des Klosters zusammenhängen. Andererseits ist der neue Stil auch irgendwie konsequent, denn die Architektur des Klosters weist deutliche Parallelen zu jener klingonischen Architektur auf, die bisher in “Discovery” zu sehen war – z.B. das Sarkophagschiff oder Qo’noS in “Lichtpunkt” (2×03). In gewisser Weise hat mich das Äußere des Klosters auch etwas an “Der Herr der Ringe” erinnert.
An dieser Stelle muss man leider – wie schon in der ersten Staffel – konstatieren: “Discovery” und Klingonen – das passt nur schwerlich zusammen! Die Klingonen sind leider nicht mehr die Klingonen, wie man sie seit “The Next Generation” (oder eigentlich schon seit den klassischen Kinofilmen) kennt. Das betrifft deren äußeres Erscheinungsbild, deren Architektur, deren Schiffsdesigns (ausgenommen das gelungene Revival des D7-Schlachtkreuzers) und leider auch deren kulturellen Bräuche. Denn auch das monastische Leben, das uns in “Tal der Schatten” gezeigt wird, hat so gar nichts zu tun mit dem Mönchsleben, das wir einst in “Der rechtmäßige Erbe” zu sehen bekommen haben.
Man bedenke: Das Kloster wurde deshalb auf Boreth errichtet, weil Kahless den religiösen Texten nach gesagt haben soll, dass er eines Tages an diesem Ort wiederkehren wird. Kahless ist demnach das Zentrum des monastischen Lebens auf Boreth. Das spiegelt sich auch in “Der rechtmäßige Erbe” wider. Zur religiösen Praxis im Kloster gehört nämlich die Meditation beziehungsweise die Askese. Die Mönche und ihre Besucher sitzen in den Höhlen des Planeten an Lagerfeuerstellen und versuchen, eine Vision von Kahless zu kreieren. Sie suchen den Kontakt mit ihrem Messias.
In “Tal der Schatten” ist davon aber leider überhaupt nichts zu sehen. Stattdessen dreht sich alles nur um die Zeitkristalle, die scheinbar den Klosteralltag und das Leben der Mönche bestimmen. Jene Zeitkristalle spielen gleichwohl im 24. Jahrhundert überhaupt keine Rolle mehr. Die gesamte Darstellung des Klosters ist demnach nicht nur unkanonisch, sondern vor allem auch unklingonisch. Eine solche “Schutzaufgabe” hätte eher zu den Vulkaniern gepasst. Vielleicht hätte man die Episode besser auf P’Jem (“Enterprise”) spielen lassen sollen.
Auch Tenavik, Voqs und L’Rells Sohn, kommt etwas seltsam daher. Der Zeitsprung in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung wirkt unglaubwürdig. Und wie ein Klingone sieht er auch nicht aus. Durch den Blauschimmer seiner eigentlich weißen Haut sieht es eher so aus, als habe L’Rell das Kind nicht mit Voq, sondern mit einem Andorianer gezeugt.
Die Verwendung von Boreth als Handlungsort in “Tal der Schatten” ist demnach nicht mehr als ein Namedropping, das weder optisch noch inhaltlich Bezug auf den etablierten Kanon nimmt. Wenn Boreth als Fanservice gedacht war, dann ist das in meinen Augen leider völlig in die Hose gegangen. Etwas mehr Liebe zum Detail, etwas mehr Würdigung des Kanons wäre an dieser Stelle wirklich wünschenswert gewesen.
Im Angesicht des Schicksals
Erfreulicher ist hingegen die Fokussierung der Handlung auf Captain Pike. Endlich sehen wir Pike mal ohne seinen ständigen Schatten Michael Burnham. Und Anson Mount spielt seine Rolle einmal mehr sehr überzeugend. Pikes Charakter erinnert mich enorm an meinen Lieblingscaptain Jean-Luc Picard (Patrick Stewart).
Zugegeben, die ganze Geschichte um Pikes ‘Prüfung’ wirkt doch sehr konstruiert. Einerseits wird Pike von Tenavik zu schnell akzeptiert, andererseits ist dieser angebliche Test kein wirklicher. Hier hätte man vielleicht noch etwas mehr aufbieten können oder gar müssen. Pikes Begegnung mit seinem zukünftigen Ich mag an dieser Stelle purer Fanservice sein, die Umsetzung fand ich allerdings klasse. Sehr toll inszeniert, wie der invalide Pike mit seinem Rollstuhl langsam aus der dunklen Ferne auf den (noch) gesunden Pike zufährt und sich dann im Licht zu erkennen gibt. Pikes Schock ist dann auch absolut überzeugend gespielt, wobei ich auf das schmelzende Gesicht à la Vidiianer dann doch hätte verzichten können. Erfreulich fand ich auch, dass man endlich mal sieht, wie es zu dem Unfall gekommen ist. In etwa so hatte ich mir das auch immer vorgestellt. Wie gesagt, ein netter Fanservice, der ganz sicher besser gelungen ist als der Rohrkrepierer Boreth.
Inhaltlich war ich mit dieser Szene dann aber doch nicht ganz zufrieden. Das Geschwafel über Pikes besiegeltes Schicksal ist nämlich absoluter Nonsense. Erstens fragt man sich, wie der Zeitkristall das bewerkstelligen soll. Legt er eine temporale Aura um Pike, sodass dieser stets unterbewusst auf sein schlimmes Schicksal hinarbeiten wird? Ist Pikes Leben ab jetzt nur noch eine self-fulfilling prophecy? Zweitens widerspricht dieser Ansatz eigentlich allem, was man bisher in “Star Trek” zu diesem Thema gesagt hat. Ich möchte an dieser Stelle auf Captain Picards Gespräch mit dem (falschen) zeitreisenden Historiker aus der gleichnamigen “The Next Generation”-Episode verweisen.
“Jede Wahl, die wir treffen, manipuliert auf irgendeine Weise die Zukunft. (…) Das Leben eines Menschen, seine Zukunft, hängt von vielen, von Tausenden von Entscheidungen ab. Leben heißt immer, Entscheidungen treffen. (…) [Die Zukunft] ist noch nicht geschrieben worden.”
– Captain Picard in “Der zeitreisende Historiker” (TNG 5×09)
Ich finde die Message, die “Tal der Schatten” hier vermittelt, irgendwie fragwürdig. Was will man dem Zuschauer damit sagen? “Ergebe dich passiv in dein Schicksal!” Zwischen einem (aktiven) Vertrauen darauf, dass man einen bestimmten Lebensweg oder eine Art ‘Bestimmung’ hat – die man auch ‘Schicksal’ nennen könnte – und der (passiven) Fügung in ein trauriges Schicksal (hier: Pikes Invalidität) besteht dann doch ein gewisser Unterschied. Unterschwellig kommt das schon irgendwie zum Ausdruck, eben wenn Pike sagt, dass man als Sternenflottenoffizier gewisse Werte und Prinzipien vertritt, zu denen auch eine altruistische Opferbereitschaft zählt. Schön und gut, aber irgendwie wirkt das hier ein bisschen so, als könne man sein Schicksal nicht selbst bestimmen. Für mich kam das schon etwas missverständlich rüber.
Denn letztendlich ist das Picard-Zitat viel zutreffender. Praktisch jede noch so kleine, banale Entscheidung könnte dem eingeweihten Pike sein Schicksal dann doch noch ersparen. Er hat ja gesehen, wo und wie es passieren wird. Er müsste nicht einmal aus der Sternenflotte austreten, es würde auch ausreichen, wenn er seine Beförderung zum Fleet-Captain ablehnt, keine Schulungsschiffe mehr besucht oder diese nur noch im Schutzanzug betritt. Daher finde ich diese gesamte Szene absolut unlogisch. Es wäre nachvollziehbarer gewesen, wenn Pike diese Entscheidung für das Allgemeinwohl und gegen sein eigenes Leben bewusst in diesem einen Moment getroffen hätte, am Ende aber seine Erinnerungen daran verloren hätte und somit ‘unbelastet’ auf die Discovery zurückgekehrt wäre. Damit wäre die Dramatik der Szene ebenfalls erhalten geblieben, es hätte aber unter dem Strich plausibler gewirkt.
Sehr gelungen ist hingegen die Selbstreferenz, die “Star Trek” hier betreibt. Das Thema ‘Hingabe für das Allgemeinwohl’ ist ein fester Bestandteil im Wertekanon der Sternenflotte, angefangen bei Spock (“Star Trek II: Der Zorn des Khan”) über Tasha Yar (“Die alte Enterprise” / “Yesterday’s Enterprise, TNG 3×15), Data (“Star Trek: Nemesis”), Trip Tucker (“These Are the Voyages” / “Dies sind die Abenteur”, “Enterprise” 4×22) und zuletzt Airiam (“Projekt Daadalus” / “Project Daedalus”, “Discovery” 2×09).
Pike ist – einem kleinen Schwachpunkt zum Trotz (dazu später mehr) – ein wirklich toller Captain. Demnach wundert es mich auch nicht, dass die Rufe nach einer Pike-Serie lauter werden. In meinen Augen läge in einer ‘Pike auf der Enterprise’-Serie deutlich mehr Potenzial als in einem Spin-off über Sektion 31. Eine Miniserie wäre vielleicht denkbar, die Sets existieren ja bereits. Man kann nur hoffen, dass Alex Kurtzman sich die Fan-Reaktionen im Netz sehr gut durchliest. Aber womöglich fürchtet man auch eine zu große Ähnlichkeit zwischen einer Serie mit Pike und einer Serie mit Picard.
Klingonische Störfaktoren
“Tal der Schatten” beschert uns nach “Lichtpunkt” (2×03) den zweiten Auftritt von L’Rell (Mary Chieffo) in der zweiten Season von “Discovery”. Und leider ist der Klingonen-Auftritt in dieser Folge genauso überflüssig wie das Klingonen-Intermezzo in Folge 2×03. Sicherlich, wiederkehrende Charaktere bringen eine gewisse Kontinuität in eine Serie. Sie stellen aber nicht zwangsläufig einen Mehrwert dar. Und der Mehrwert der Klingonen in dieser Staffel ist mir bis jetzt nicht wirklich ersichtlich geworden. Sie erfüllen einfach keine nennenswerte Funktion für die Handlung, bringen diese nicht voran. Mehr als ein Almosen-Gastauftritt für Mary Chieffo ist der Klingonen-Arc in Season 2 einfach nicht.
Dementsprechend müssen wir uns auch wieder die ewig gleiche Leier zu Gemüte führen. L’Rell trauert um Voq und ist verletzt, dass Tyler Burnham liebt. Und sie sinniert darüber, dass es für sie und Tyler keine gemeinsame Zukunft geben wird. Hat sie es nun endlich kapiert, ja? Garniert wird die melodramatische ‘Klingon Love Story’ dann noch mit einem ‘Sorgerechtsstreit’ inklusive klingonischem Wortgefecht. Warum der Universalübersetzer von Pike hier wohl ganz ‘zufällig’ versagt?
Tyler selbst (von einer Wunderheilung gesegnet, die den Autoren Bo Yeon Kim und Erika Lippoldt nicht einmal eine kleine Erwähnung wert ist) wirkt dieses Mal etwas weniger überflüssig. Aber wirklich bedeutend ist er für das Gelingen der Mission immer noch nicht.
Das einzig Positive an der neuerlichen Rückkehr der Klingonen ist der D7-Schlachtkreuzer. Der ist dann aber auch das Einzige, das in dieser Folge echtes Klingonen-Flair besitzt.
Spock und Burnham – Ein starkes Duo
Gut gefallen haben mir erneut die gemeinsamen Szenen von Burnham (Sonequa Martin-Green) und Spock (Ethan Peck). Die Chemie stimmt hier einfach und es macht enorm Spaß, wie Spock seine Schwester psychologisch seziert. Erfreulich ist auch, dass Burnham endlich mal nicht weint, auch wenn sie in einer Szene wieder kurz davor steht. Auch die kurze Reunion mit Amanda (Mia Kirshner) hat mich gefreut, eine schönes Beispiel für Staffel-Kontinuität.
Nervig bleiben weiterhin Burnhams Schuldkomplexe sowie ihr pathetisches Selbstmitleid. Auch ihre Respektlosigkeit gegenüber Pike, dem sie unverschämt ins Wort fällt, ist langsam grenzwertig. Ich weiß nicht, wie ich Pikes Reaktion hier deuten soll. Einerseits weiß er natürlich um Burnhams emotionale Ausnahmesituation, sodass seine Nichtreaktion auf diese Respektlosigkeit dann durchaus als pädagogische Feinfühligkeit interpretiert werden kann. Andererseits wirkt Pike manchmal dann doch etwas zu nachsichtig. Etwas mehr Autorität – oder wenigstens ein kleiner, beißender Kommentar (so wie bei Tyler in “Licht und Schatten”, 2×07) – hätte der Figur hier sicherlich gut getan.
Dass Burnham in besonderer Weise ins Visier von Control geraten ist, passt dann auch wieder ins Gesamtbild der Serie. ‘The Michael-Burnham-Show’ must go on! Man muss sich wohl damit arrangieren, dass Burnham in dieser Serie einfach Dreh- und Angelpunkt von allen bedeutsamen interstellaren Ereignissen sein muss – sei es der Klingonen-Krieg oder eben die Rettung der gesamten Galaxis. Weniger ist manchmal mehr, aber das Thema hatten wir ja schon viel zu oft.
Culbers langsame Rückkehr
Ebenfalls erfreulich fand ich die lang erwartete Rückkehr von Commander Reno (Tig Notaro). Die Szene in der Messe hat mich in positiver Weise an “Deep Space Nine” erinnert, wo die Crew auch sehr häufig im Quarks oder in der Messe der Defiant zusammensaß und sich gegenseitig aufgezogen hat (z.B. O’Brien und Bashir, Dax und Worf). Grundsätzlich hätte ich in dieser Staffel gerne noch etwas mehr über den Saurianer Linus erfahren, aber womöglich hebt man sich das für die dritte Staffel auf.
In Bezug auf die Beziehung zwischen Stamets und Culber hatte ich in einer meiner jüngeren Rezensionen die Hoffnung geäußert, die Autoren mögen deren Reunion bitte nicht übers Knie brechen. Das Gespräch zwischen Culber und Reno weckt nun aber den Eindruck, dass man auch hier wieder unnötig aufs Gaspedal drücken wird, um diese Geschichte noch vor dem Staffelende abzuschließen.
Auch wenn die Szene in der Krankenstation durchaus zu gefallen weiß – sie ist gut geschrieben und gut gespielt – geht mir das dann aber doch etwas zu schnell. Culber geht zu Cornwell (wo ist die eigentlich geblieben?) und sie sagt ungefähr das: “Geben Sie ihrer Liebe eine Chance!” Culber spricht mit Reno, die ungefähr das Folgende sagt: “Geben Sie ihrer Liebe eine Chance, solange diese noch existiert. Es kann auch schnell vorbei sein!” Ich wage jetzt einfach mal einen Ausblick: Im Angesicht der drohenden Vernichtung durch Control kommt Culber zu der Einsicht: jetzt oder nie! Und schwuppdiwupp sind beide wieder ein Paar.
Ich fände es wirklich schade, wenn man diesen Handlungsstrang so plump auflösen würde. Aber es würde mich jetzt auch nicht wirklich überraschen.
Dem KI-Handlungsbogen fehlt Tiefgang
Eine herbe Enttäuschung ist und bleibt für mich der Handlungsbogen um die KI. Mal abgesehen davon, dass Control merkwürdigerweise nicht wirklich effizient darin ist, unliebsame Individuen zu eliminieren (Hätte Control Spock nicht einfach mit einem heftigen Energiestoß schon an der Konsole töten können?), fehlt mir in der gesamten Thematik einfach der inhaltliche Tiefgang. Wenn man bedenkt, dass das Thema ‘Künstliche Intelligenz’ aktuell sehr relevant ist und dementsprechend in den Medien, in der Philosophie und teilweise auch in der Politik heiß diskutiert wird, dann ist mir die Aufarbeitung dieser spannenden Thematik in “Discovery” einfach viel zu flach.
Letztendlich wiederholt “Discovery” hier lediglich Science-Fiction-Klassiker wie “Terminator”, weil man sich allzu sehr auf die Cyborg-Schiene begeben hat. Dabei wirft das Thema etliche spannende Fragestellungen auf, die sehr gut zu “Star Trek” passen würden. Stichwörter sind hier beispielsweise Bequemlichkeit, Denkfaulheit und Legitimität:
Ist es wirklich sinnvoll, ist es legitim, dass Algorithmen darüber entscheiden sollen, was sagbar ist und was nicht? Was von der Meinungsfreiheit gedeckt ist und was nicht? Ist es sinnvoll, dass wir uns in Flugzeugen und neuerdings auch im Auto vollständig in die Hände einer künstlichen Intelligenz begeben? Sind wir nicht zu bequem geworden? Wo verläuft die Grenze zwischen Komfort und Selbstaufgabe, zwischen technischem Fortschritt und kulturellem Rückschritt?
Das Thema ‘KI’ beinhaltet etliche Aspekte, die viel Stoff für gesellschaftskritische Narrative bieten. Aber anstatt dieses Potenzial zu nutzen, kommen die Autoren mit einer doch recht einfach gestrickten Cyborg-Geschichte daher: “Ich bin das reinste Bewusstsein aller Zeiten und weil ihr meine Existenz bedroht, muss ich euch alle töten.” Es tut mir leid, aber das ist mir einfach zu plump. “Star Trek” muss hier mehr bieten, denn “Star Trek” könnte hier auch mehr bieten, sofern sich die Autoren etwas differenzierter mit dieser Thematik auseinandergesetzt hätten. Oder hat einfach nur der Mut gefehlt, eine amorphe Bedrohung (wie einst V’Ger) zum Antagonisten zu machen?
Es sollte den Autoren schon zu denken geben, dass eine 51 Jahre alte Episode – namentlich “Computer M5” / “The ultimate Computer” (“The Original Series” 2×24) – diesbezüglich mehr zu bieten hatte als eine Serienstaffel aus dem Jahr 2019. In dieser Episode wurden nämlich die Zusammenhänge von Effizienz und menschlicher Intuition beziehungsweise Moral in genialer Weise reflektiert. Computer werden als Hilfsinstrumente dargestellt, nicht aber als Ersatz für den menschlichen Verstand. Ein solche philosophische oder auch gesellschaftskritische Reflexion fehlt mir leider im Story-Arc um Control vollständig. Und gerade das ist es doch, was mich an “Star Trek” immer in besonderer Weise fasziniert hat.
Sicher, die Geschichte um Control ist spannend, temporeich, mitreißend und enorm unterhaltsam. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Ich war von der ersten bis zur letzten Minuten der Episode gefesselt. Und ich freue mich auch schon auf die Fortsetzung morgen. Aber dennoch: Das, was “Discovery” hier bietet, ist nichts, was man nicht auch schon in vielen anderen Science-Fiction-Produktionen geboten bekommen hätte. In gewisser Weise kombiniert “Discovery” in Season 2 die Fantasy-Aspekte von “Herr der Ringe” und “Harry Potter” (Zauberei à la Zeitkristalle) mit der Story von “Terminator” (Cyborg will Menschheit zerstören) und dem Superhelden/Comic-Stil von “Iron Man” (Red Angel). Das ist modern, das ist spannend, das ist actionreich, das sieht super aus, das macht auch viel Spaß. Aber geistig anspruchsvoll ist es leider nicht. Und das ist mir bei “Star Trek” einfach enorm wichtig. Ich möchte auch nach mehrmaligem Sehen der Episode noch zum Nachdenken angeregt werden. Das war bei der Originalserie so, das war bei “The Next Generation” so, das war bei “Deep Space Nine” so, ebenso bei “Voyager” und “Enterprise”. Sicherlich nicht immer, aber doch sehr oft. “Discovery” hat dieses Niveau bisher leider noch nicht erreicht, maximal in Ansätzen.
Neues aus der Beobachtungslounge
- Zu Beginn der Staffel waren noch sieben Signale lokalisiert worden und nun kann man sie nicht mehr orten, sondern muss auf deren neuerliches Erscheinen warten? Seltsam!
- Die roten Signale gehen womöglich doch auf eine zeitreisende Michael Burnham zurück. Jedenfalls deuten so manche Dialoge darauf hin.
- Einmal mehr wird der Sporenantrieb benutzt. Hatte man das leidige Thema nicht schon ad acta gelegt? Es wäre mal an der Zeit!
- Georgiou sucht Leland auf eigene Faust, Cornwell ist weiter verschollen. Man hätte zumindest erwähnen können, dass sie zwischenzeitlich das Schiff verlassen hat. Aber wahrscheinlich taucht die Admiralin in der kommenden Episode dann doch wieder auf der Discovery auf – natürlich ohne Begründung für ihr langes Fehlen.
- Warum läuft Spock die ganze Zeit in Zivilkleidung rum? Er ist doch – rein praktisch gesehen – längst wieder im Dienst.
- Tilly ist in den letzten drei Folgen extrem marginalisiert worden. Zuletzt bestand ihre Rolle nur noch aus nerviger Plapperei, nun fehlt sie sogar vollständig. Schade!
- Die Pike-rettet-Kadetten-Szene wurde wohl im Set des Discovery-Maschinenraums gedreht.
- Burnham hält den Angriffen der KI seltsamerweise relativ lange stand. Bei Tyler sah das in der vorangegangenen Episode noch ganz anders aus.
- Und noch ein Logikloch: Pike: “Dann springen wir [mit dem Sporenantrieb, Anm. d. Verf.], bis wir wissen, wie wir den Kristall aktivieren können.” Daraufhin Burnham: “Sie werden uns trotzdem verfolgen.” – Was ist das denn für eine dürftige Erklärung? Die Discovery ist in “Bruder” (2×01) immerhin bis an den äußeren Rand des Beta-Quadranten gesprungen. Was sollten die Schiffe von Sektion 31 denn machen, wenn die Discovery erneut so weit springt? Absolut unlogische Argumentation, die Burnham hier anbringt!
- Pikes Fleet-Captain-Uniform erinnert an die Uniformen aus “Star Trek Into Darkness”.
- Es könnte sich lohnen, zur Vorbereitung auf die dreizehnte Episode noch einmal die “Short Treks”-Episode “Calypso” anzuschauen.
Ein Blick in den Zeitkristall…
An dieser Stelle möchte ich eine neue Rubrik einführen und eine Prognose wagen, wie es in 2×13 “Such Sweet Sorrow” und 2×14 weitergehen könnte:
- Stamets und Culber kommen wieder zusammen.
- Die Firewall des Sphärenarchivs macht das Selbstzerstörungsprogramm der Discovery unbrauchbar.
- Stamets und Reno schaffen es mithilfe von Po vom Planeten Xahea (“Runaway”), den Zeitkristall für eine Zeitreise nutzbar zu machen.
- Die Discovery wird rund 900 Jahre in die Zukunft geschickt.
- Burnham wird von Leland entführt und Georgiou rettet sie in aller letzter Sekunde.
- Burnham trifft auf ihr zukünftiges Ich, das für die roten Signale verantwortlich ist.
- In der Zukunft entwickelt sich auch der Computer der Discovery dank des Sphärenarchivs zu einer selbstbewussten KI namens Zora (“Calypso”).
- Burnham reist durch die Zeit und kehrt mit der Discovery und Zora in die Gegenwart zurück.
- Zora wird auf alle von Control infizierten Schiffe übertragen und bekämpft dort die böse KI, bis diese vollständig vernichtet ist.
- Alle Sektion 31-Schiffe und Einrichtungen sind zerstört worden und die Organisation wird offiziell aufgelöst. Georgiou führt die Arbeit der Sektion fortan im Geheimen weiter.
Fazit: unkanonisch, oberflächlich…und doch sehr unterhaltsam
Mit “Tal der Schatten“ geht die Formkurve von “Star Trek: Discovery” wieder leicht nach oben. Diese Episode weiß definitiv zu unterhalten. Sie fesselt bis zur letzten Sekunde und weckt Neugier auf das große Staffelfinale. An der Inszenierung von Doug Aarniokoski gibt es eigentlich nichts zu meckern; optisch, dramaturgisch und schauspielerisch liefert “Tal der Schatten” in bereits gewohnter Manier Spitzenqualität ab.
Ein großes Ärgernis bleiben weiterhin die zahlreichen Logiklöcher im Drehbuch. Der angedachte Fanservice zündet auch nur bedingt; im Falle von Pike sicher mehr als beim Kloster Boreth, das praktisch keinen optischen oder inhaltlichen Bezug zu “The Next Generation” mehr aufweist. Die Darstellung der Klingonen wirkt weiterhin fremdartig – nicht nur optisch, sondern vor allem auch was den kulturellen Habitus betrifft. Die Klingonen als ‘Wächter der Zeit’? Nein, das ist leider absolut unkanonisch – und unglaubwürdig obendrein.
Der Handlungsstrang um die KI bleibt leider oberflächlich, das gesellschaftskritische Potenzial der Thematik wird nicht einmal im Ansatz fruchtbar gemacht. Die Geschichte ist flott, spannend und actionreich, fordert den Zuschauer aber leider intellektuell nicht heraus.
Wer von “Star Trek” lediglich unterhalten werden will, der kommt in “Tal der Schatten” – wie eigentlich in der gesamten zweiten Staffel – voll auf seine Kosten. Wer jedoch auf Geschichten mit einer nachvollziehbaren Handlungslogik sowie geistigem Anspruch steht, der dürfte wohl sowohl mit “Tal der Schatten” als auch mit dem Rest der Staffel hadern.
Zwei Episoden stehen noch aus. “Tal der Schatten” hat den Grundstein für ein spektakuläres und spannendes Finale der zweiten Season gelegt.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 3 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 3 max=”6″] |
Spannung | [usr 5 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 5 max=”6″] |
Humor | [usr 1 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 2 max=”6″] |
Gesamt | [usr 4 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 27 (Staffel 2, Episode 12) |
Originaltitel | Through the Valley of Shadows |
Deutscher Titel | Tal der Schatten |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 4. April 2019 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 5. April 2019 |
Drehbuch | Bo Yeon Kim, Erika Lippoldt, |
Regie | Doug Aarniokoski |
Laufzeit | 45 Minuten |
Großes Lob, ganz tolle Rezension, die die Stärken und Schwächen der Folge sehr gut herausarbeitet. Ich bin ähnlicher Meinung, auf der einen Seite bin ich sehr gut unterhalten, kann viel Star Trek in der Serie / Folge wiederfinden, jedoch bin ich auch etwas enttäuscht, dass gerade die staffelumfassende Story so schwach und unüberlegt wirkt. Viele Episoden waren für sich alleine betrachtet schon auf einem sehr guten Niveau für eine zweit Staffel, jedoch fehlt mir der einheitlich rote Faden zwischen vielen Episoden. Ich bin zwar auch sehr gespannt auf das Finale, hoffe aber, dass uns nicht wieder so eine schwache Auflösung… Weiterlesen »