In “Light and Shadows” / ”Licht und Schatten” beschleunigt “Discovery” auf volle Warp-Geschwindigkeit. Die siebente Episode der Staffel fesselt von der ersten bis zur letzten Sekunde und enthält so ziemlich alles, was “Star Trek“ auszeichnet. Einen kurzen Überblick bietet unsere weitestgehend spoilerfreie Rezension.
Story
Die Handlung von “Light and Shadows” verläuft in einer klassischen dualen Struktur. Während sich die A-Handlung um die weitere Erforschung der temporalen Anomalie in der Nähe von Kaminar durch die Discovery dreht, thematisiert die B-Handlung Burnhams Heimkehr nach Vulcan.
Um den temporalen Riss, der auf den Roten Engel zurückgeht, näher zu erforschen, gehen Captain Pike und Agent Tyler auf eine Shuttle-Mission. Bei dem Versuch, eine Sonde in das Zentrum der Anomalie zu schicken, wird deren Shuttle allerdings in dieselbige hineingezogen. Die Crew der Discovery setzt in der Folge alles daran, das Außenteam aus dieser gefährlichen Lage zu retten.
Währenddessen stattet Commander Burnham ihrem Elternhaus auf Vulcan einen Besuch ab. Wie der Episoden-Trailer schon verraten hat, findet sie im weiteren Verlauf der Handlung den fieberhaft gesuchten Spock. Doch die Frage, wie nun weiter zu verfahren ist, sorgt im Hause Sarek für innerfamiliäre Spannungen. Am Ende mischt dann auch Sektion 31 wieder mit.
Die Handlung setzt zwar zeitlich direkt an “Donnergrollen“ an, bricht diese aber inhaltlich auch abrupt ab. Wir erfahren weder etwas über die Kelpianer noch über die Ba’ul. Das ist schade und auf gewisse Weise auch echt schwaches Story-Writing.
Positiv ist hingegen, dass sowohl die Suche nach Spock als auch die Erforschung des Roten Engels endlich richtig Fahrt aufnehmen. Episode 7 ist diesbezüglich ganz sicher eine wichtige Etappe, die einerseits gewisse Fragen beantwortet, gleichzeitig aber auch wieder eine ganze Reihe neuer Fragen aufwirft. Demnach schafft es “Light and Shadows” gekonnt, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Eine weitere “Verzögerungstaktik“ seitens der Autoren wäre allerdings auch nicht mehr vermittelbar gewesen. Hier hat man im Writers Room gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt.
Dialoge und Figuren
Ein absoluter Pluspunkt der Episode sind die verschiedenen Figurenkonstellationen sowie die damit verbundenen Dialoge. „Licht und Schatten“ ist definitiv geprägt durch das Thema “Konflikt“. Zu nennen sind hier insbesondere die Paarungen Pike und Tyler, Burnham und Amanda, Amanda und Sarek sowie Leland und Georgiou.
Vor allem Mia Kirshner (Amanda) spielt absolut überzeugend. Es gelingt ihr in beeindruckender Weise, den inneren Konflikt Amandas (Ehefrau eines Vulkaniers, Mutter eines halbmenschlichen Sohnes) mit Leben zu füllen. Damit geht Kirshner sogar noch einen Schritt weiter als Winona Ryder in “Star Trek (2009)“ (die mir damals wirklich gut in dieser Rolle gefallen hat) und übertrifft zudem die doch recht “vulkanisch“ wirkende Jane Wyatt (“Reise nach Babel“ aus TOS, “Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“) in Sachen Charaktertiefe deutlich. Diese Feststellung soll allerdings keine Kritik an Jane Wyatt sein, sondern ist vielmehr als Lob an die Autoren und vor allem an Mia Kirshner zu verstehen.
Auffällig ist das selbstbewusste Auftreten Amandas sowohl gegenüber der (mal wieder besserwisserischen und bevormundenden) Michael Burnham, aber eben auch gegenüber ihrem doch sehr dominanten Ehemann Sarek. Vielleicht ist es nur ein subjektiver Eindruck von mir, aber mir kam Amanda (ebenso wie Sareks zweite Frau Perrin in “The Next Generation“) früher manchmal viel zu unterwürfig vor, so dass Sarek stellenweise wie ein Logik-Macho mit veraltetem Frauenbild wirkte. Sareks leichte Macho-Allüren kommen auch in dieser Episode wieder zum Vorschein, werden von Amanda aber eindrucksvoll gekontert. Und dennoch wirkt Amanda emanzipiert und loyal zugleich. Toll geschrieben und noch besser gespielt!
Eine weitere spannende Konstellation haben wir mit dem Duo Pike und Tyler. Die Abneigung Pikes gegenüber dem Sektion 31-Agenten war schon in den Episoden zuvor sehr deutlich geworden und erhält in “Licht und Schatten“ noch einmal inhaltliche Unterfütterung. Auch hier sind die Dialoge toll geschrieben. Insbesondere Pikes böse Ironie macht hier Spaß. Wie sich diese Beziehung schlussendlich entwickelt, ist indes typisch für “Star Trek“ – und dementsprechend in meinen Augen auch absolut überzeugend.
Philippa Georgiou bleibt weiterhin eine sehr zwiespältige Person, die einerseits ein – meiner Einschätzung nach – aufrichtiges Interesse an Michael Burnham zu haben scheint, gleichwohl aber ganz eindeutig höhere Machtambitionen verfolgt. Über die Sprechweise von Michelle Yeoh kann man sicher diskutieren (in meinen Augen neigt sie teilweise zum Overacting), aber an ihren Martial Arts-Skills (die Frau ist 56 Jahre alt!) oder ihrer Fähigkeit, den Zynismus einer ehemaligen terranischen Ex-Imperatorin darzustellen, besteht ganz sicher kein Zweifel. Die Frau hat ihre Rolle zweifellos verinnerlicht. Und die Tatsache, dass sie sowohl die “brave” als auch die “böse” Georgiou spielen kann, spricht eindeutig für Yeoh. Jedenfalls spürt man förmlich, wie Leland es schon zutiefst bedauert, diese mit allen Wassern der Machtpolitik gewaschene Frau überhaupt für die Sektion rekrutiert zu haben. Das macht wirklich Spaß!
Die letzte Figurenkonstellation ist ausnahmsweise mal nicht konfliktträchtig, sondern betont einmal mehr, wie wichtig es ist, dass man auf einem Raumschiff seinen Kameraden und Kameradinnen blind vertrauen kann. Wie Stamets und Tilly hier gemeinsam arbeiten und miteinander umgehen (man achte vor allem auf den Dialog im Transporterraum), ist einfach “Star Trek“ pur und erinnert an beste Zeiten.
Von Spock sehen wir leider noch nicht allzu viel, denn dieser zeigt in “Light and Shadows” autistische Züge, nimmt er seine Umgebung doch nur sehr eingeschränkt wahr. Was man aber zu sehen bekommt, macht Hoffnung, dass man mit Ethan Peck einen würdigen Spock-Mimen gefunden hat. Haltung, Bewegungsablauf, Stimme und Mimik passen schon einmal sehr gut.
Unter dem Strich sind die Figurenkonstellationen sowie die Dialoge die größten Stärken dieser Episode.
Inszenierung
Das ausbalancierte Abwechseln zwischen ruhigen Dialogszenen und temporeichen Action-Sequenzen sorgt schlussendlich dafür, dass wir mit “Light and Shadow” eine überraschend klar strukturierte und in sich stimmige Episode vorliegen haben. Die 40 Minuten vergehen wie im Flug, wobei zu keinem Zeitpunkt weder Langeweile auf der einen noch eine Reizüberflutung auf der anderen Seite aufkommt. In meinen Augen ist “Light and Shadows“ eine der am besten inszenierten Episoden der gesamten Serie überhaupt, zumal man dieses Mal auch etwas spärlicher mit schnellen und heftigen Kameraführungen umgegangen ist. Das Geschehen auf der Brücke hat auf mich jedenfalls angenehmer gewirkt als in vielen Episoden zuvor.
Über die Spezialeffekte muss man nicht viele Worte verlieren, die sind wieder einmal gewohnt hochqualitativ und absolut auf Kinofilm-Niveau. Die Darstellung Vulcans erinnert sicherlich an “Star Trek (2009)“, wobei man hier auch eigene Akzente gesetzt hat, vor allem im Hinblick auf die Architektur von Sareks Haus und die umgebende Vegetation. Die Höhle wiederum ist klassisches Vulcan-Design, wie man es schon aus allen vorherigen “Star Trek”-Inkarnationen kennt. Demnach ist hier eine schöne Mischung aus Tradition und Moderne festzustellen.
Rahmenhandlung
Nachdem die Suche nach dem Roten Engel in den vergangenen Episoden nur sehr schleppend vorangegangen war, geht die Staffel diesbezüglich so langsam in die Vollen. Die Theorie, dass der Rote Engel ein Zeitreisender sein könnte, wird weiter erforscht. Auch hinsichtlich der Frage, ob dieser nun gute oder doch eher destruktive Ambitionen verfolgt, gibt “Licht und Schatten” weitere inhaltliche Impulse. Nichtsdestotrotz bleiben die meisten Fragen weiter ungeklärt. Es kommen zudem weitere Fragen hinzu, die einerseits mit Burnhams Vergangenheit in Verbindung stehen und andererseits starke Bezüge zum bekannten “Star Trek”-Kanon aufweisen. Mehr sei an dieser Stelle aber nicht verraten. Ob diese Bezüge den Kanon in Frage stellen oder diesen stärken, muss der weitere Verlauf der Staffel erst noch zeigen. Es bleibt hier aber festzuhalten: Die Autoren haben keine Berührungsängste mit dem Kanon und beweisen dementsprechend großen Mut!
Beobachtungen
- Der Rote Engel ist nun auch im Intro in einer größeren Version (mit Hightech-Anzug) zu sehen.
- Dr. Culber, Cmdr. Nhan und Cmdr. Reno tauchen in dieser Episode nicht auf.
- Der Computerdisplay-Störungseffekt, der im Zuge der temporalen Anomalie auftaucht, ist wirklich sehr innovativ. Klasse!
- Die Oktopus-Tentakel der Sonde erinnern ein wenig an Dr. Octopus (Dr. Otto Octavius) aus “Spiderman“.
- Die Soundkulisse im Shuttle erinnert an einer Stelle sehr stark an den Beschleunigungssound der Enterprise-Triebwerke in der Originalserie.
- Der Planet, den Burnham am Ende der Episode anfliegen will, ist im Kanon wohl bekannt und dürfte im Fandom hochkontrovers diskutiert werden.
- Lt. Cmdr. Airiam dürfte in den kommenden Episoden endlich eine größere Rolle spielen. Ganz sicher werden wir schon in der nächsten Episode erfahren, was sie eigentlich ist.
- Die Registriernummer von Lelands Sektion 31-Schiff lautet “NCIA-93“. In dieser Kennung steckt das Kürzel “CIA“, also die Abkürzung für “Central Intelligence Agency“ – den Auslandsgeheimdienst der USA. Das ist wohl eher kein Zufall.
- Sektion 31 scheint eine eigenständige Flotte bestehend aus einem bestimmten Schiffstypus zu besitzen. Das erinnert in gewisser Weise an den Obsidianischen Orden aus “Deep Space Nine“, der als Geheimdienst ebenfalls eine eigene Flotte unterhält, obwohl ihm das Cardassianische Zentralkommando dies eigentlich untersagt hat.
- Sternenbasis 23 wird abermals erwähnt.
- Schön, dass die Discovery am Ende ihr Heil in der Flucht sucht, aber was ist bitte schön mit Kaminar?!!!
- Hat Burnhams Shuttle einen Sporenantrieb oder warum braucht sie bis Vulcan gefühlt genauso lange wie Pike und Tyler von der Brücke bis zum Shuttlehangar?
- Regisseurin Marta Cunningham ist die Ehefrau von James Frain (Sarek).
- Das ultimative Zitat der Episode stammt von Captain Pike: “We are always in a fight for the future.“ – Yes, das ist “Star Trek“!
- Was zum Spekulieren: Führt eventuell eine heiße Fährte zu “Star Trek: Der Film“?
Fazit
“Licht und Schatten“ ist eine richtig starke Episode “Star Trek“, die mir unfassbar viel Spaß bereitet hat. Genau so sollte eine moderne Star Trek-Serie aussehen. Die Folge punktet mit einer klaren Struktur, einer spannenden Story (sowohl A- als auch B-Story), hervorragenden Dialogen sowie weiteren typischen Star Trek-Zutaten wie Witz, Ironie, Action, Forschergeist, Teamspirit und natürlich mit einer grandiosen Optik. Hinzu kommt noch eine nette Prise “Mystery“. Unter dem Strich gibt es nicht viel zu bemängeln und die Episode kratzt nur ganz knapp am Maximum vorbei. Für mich die bisher beste Discovery-Episode.
Dies waren meine ersten Eindrücke. Es folgen wie gewohnt unsere ausführlichen Rezensionen.
Mit Rücksicht auf andere Leser, die die Folge noch nicht gesehen haben, bitten wir, in den Kommentaren zu diesem Artikel auf Spoiler zu verzichten. Danke!
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 6 max=”6″] |
Stringenz des staffel- und serienübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 5 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons |
[usr 4 max=”6″] (derzeit noch schwer zu beurteilen) |
Charakterentwicklung | [usr 5 max=”6″] |
Spannung | [usr 6 max=”6″] |
Action & Effekte | [usr 6 max=”6″] |
Humor | [usr 4 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 4 max=”6″] |
Gesamt | [usr 5,5 max=”6″] |
Episoden-Infos
Episodennummer | 22 (Staffel 2, Episode 7) |
Originaltitel | Light and Shadows |
Deutscher Titel | Licht und Schatten |
Erstausstrahlung USA | Donnerstag, 28. Februar 2019 |
Erstausstrahlung Deutschland | Freitag, 1. März 2019 |
Story | Ted Sullivan & Vaun Wilmott |
Drehbuch | Ted Sullivan |
Regie | Marta Cunningham |
Laufzeit | 40 Minuten |
Sehr schöne Episode, sehr gutes Review . Es bringt Spaß DSC zu sehen auch wenn es nicht perfekt ist. Ich freue mich schon auf die nächste Folge mit den im Trailer gut getroffenen [Entfernt, bitte unter der Kurz-Rezension nicht spoilern. Anm. d. Red.]