Die dritte Episode der zweiten Staffel von “Star Trek: Discovery” mit dem Titel “Point of Light” („Lichtpunkt“) beinhaltet drei mehr oder weniger separate Handlungsstränge und kommt dementsprechend wie ein erzählerisches Potpourri daher. Neben den beiden Discovery-Story-Arcs um Spock und Tilly gibt es auch eine Rückkehr in das Reich der Klingonen. „Point of Light“ ist sehr um eine vertiefende Charakterzeichnung bemüht, wird diesem Anspruch allerdings nur bedingt gerecht.
Vorsicht Spoiler!
Die Handlung
Story-Arc Nr. 1: Das Geheimnis um Spock
Commander Burnhams Ziehmutter Amanda Grayson (Mia Kirshner) kommt unerwartet an Bord der Discovery, um Michael bei der Suche nach Spock zu helfen. Dafür hat sie Spocks medizinische Akte von Sternenbasis 5 gestohlen, die allerdings mysteriöserweise verschlüsselt ist. Warum die Sternenflotte Spocks Gesundheitszustand als Top-Secret-Information eingestuft hat, bleibt auch Captain Pike zunächst ein Rätsel. Ein Gespräch mit dem Captain von Sternenbasis 5 bringt zu Tage, dass Spock nicht nur aus der psychiatrischen Anstalt geflohen ist, sondern im Verlauf seiner Flucht auch drei seiner Ärzte getötet haben soll. Zudem seien irgendwelche „Leute“ von der Sternenflotte auf ihn angesetzt worden, so Pikes Quelle.
Amanda, Burnham und der Captain sind ratlos, denn sie können sich Spocks Gewaltausbruch nicht wirklich erklären. Lediglich der „Rote Engel“ scheint diesbezüglich die einzig nachvollziehbare Erklärung für Spocks plötzliche emotionale Dissoziation zu sein. Amanda gesteht Michael, dass Spock schon in seiner Kindheit Visionen des „Roten Engels“ hatte, die ihn damals enorm belastet hätten. Um Sareks Wunsch nach einer traditionellen vulkanischen Erziehung für Spock zu entsprechen, habe sie seinerzeit darauf verzichtet, Spock in dieser schweren Zeit mütterliche Liebe zu geben. In der Rückschau bedauert Amanda dies zutiefst.
Michael wiederum gesteht ihrer Ziehmutter, sie habe Spock schon vor vielen Jahren bewusst auf Abstand gehalten, um dessen Sicherheit nicht zu gefährden. Nachdem sie bereits im Kindesalter selbst in das Fadenkreuz der vulkanischen „Logikextremisten“ geraten war, sei ihr bewusst geworden, dass Spock auf Dauer nicht in ihrer Nähe bleiben kann. Sonst könne er womöglich selbst Opfer eines Attentats werden. In welcher Weise Michael Spock bewusst verletzt hat, um eine emotionale und räumliche Distanz zwischen beiden zu erwirken, kann beziehungsweise will sie Amanda allerdings nicht offenbaren.
Eines scheint aber festzustehen: Der „Rote Engel“ ist der Schlüssel, um Spocks Aufenthaltsort zu lokalisieren und seinem merkwürdigen Verhalten auf den Grund zu gehen.
Story-Arc Nr. 2: Das Geheimnis um May Ahern
Ensign Tilly bereitet sich weiterhin auf die Prüfungen ihres harten Kommando-Trainingsprogramms vor. Dazu gehört auch ein Halbmarathon, den sie allerdings erfolgreich bestreitet. Doch die junge Nachwuchsoffizierin wird weiterhin von vermeintlichen Halluzinationen geplagt. Ihre bereits seit Jahren verstorbene Klassenkameradin May Ahern erscheint in ihrer Nähe, ohne dass sie von anderen Besatzungsmitgliedern gesehen werden kann. Ahern ist sehr fordernd und versucht ständig, Tilly zu bestimmten Entscheidungen und Handlungen zu nötigen. Es stellt sich heraus, dass sie in besonderer Weise an Lt. Commander Stamets und dessen Technologie interessiert ist.
Im Rahmen einer Kommandoübung, in der Tilly das Schiff kommandieren soll, verliert sie die Nerven und verlässt daraufhin völlig aufgelöst die Brücke. In einem Gespräch mit Michael wird klar, dass sie nicht halluziniert, sondern dass womöglich Tillys Kontakt mit der dunklen Materie für die seltsame Erscheinung der May Ahern verantwortlich sein könnte. Tatsächlich entpuppt sich diese Spore als ein mehrzelliger eukaryotischer Organismus. Stamets gelingt es schließlich, den fremden Parasiten aus Tillys Körper zu extrahieren und ihn in einem Eindämmungskraftfeld zu isolieren.
Story-Arc Nr. 3: Intrige auf Qo’noS
Seit den Geschehnissen in „Nimm meine Hand“ (1×15) führt Kanzlerin L’Rell den „Hohen Rat“ des “Klingonischen Reiches”. Obwohl sie sehr um die Einheit des Reiches bemüht ist, wird ihr Führungsanspruch weiterhin infrage gestellt. Besonders Kol-Sha, der Vater des verstorbenen General Kol und Mitglied im „Haus des Kor“, agitiert gegen die Klingonenfrau aus dem „Haus von Mo’Kai“. Vor allem L’Rells Vorhaben, den Menschen Ash Tyler – ehemals der hellhäutige Albino-Klingone und T‘Kuvmas Fackelträger Voq – zum Flottenkapitän zu ernennen, stößt bei Kol-Sha und seinem Gefolge auf heftigen Widerstand. Diese wittern Verrat und fürchten, L‘Rell und ihre rechte Hand seien darauf aus, das Reich an die Föderation zu verraten. Kol-Sha und seine Männer stricken daraufhin eine perfide Intrige, um L‘Rell und Tyler loszuwerden und die danach die Macht im Reich zu übernehmen.
Während Tyler L’Rells Zuneigung zurückweist und sich bei Burnham Rat sucht, wird bekannt, dass L’Rell bereits vor Monaten einen Sohn zur Welt gebracht hat. Der Kindesvater war Voq, der nun Tyler ist. L‘Rell betrachtet das namenlose Kind, das die ungewöhnliche Hautfarbe seines Vaters geerbt hat, als Angriffspunkt für ihren Machtanspruch, ebenso wie die von ihr initiierte, gescheiterte Infiltrationsmission auf der Discovery, die dazu geführt hat, dass der echte Voq für immer aufgehört hat zu existieren.
Tyler und L‘Rell werden in einen Hinterhalt gelockt, der beinahe dazu führt, dass beide getötet werden und Kol-Sha die Macht im Reich übernehmen kann. Doch bevor dieser seinen Plan in die Tat umsetzen kann, erscheint eine unbekannte Drohne und eliminiert die klingonischen Verschwörer. Die Retterin der Kanzlerin ist Philippa Georgiou, ehemals Imperatorin des mächtigen und skrupellosen Terranischen Imperiums des Spiegeluniversums, und nun „Sicherheitsberaterin“ der Sternenflotte.
Georgiou, die sich als ihr Pendant aus dem Prime-Universum ausgibt, wurde nach den Geschehnissen in „Nimm meine Hand“ von der Sternenflotten-Unterorganisation „Sektion 31“ rekrutiert, die eigene Schiffe, eine Spezialausrüstung und scheinbar auch keine Skrupel hat, um die Sicherheitsinteressen der Föderation durchzusetzen. Georgiou erpresst L‘Rell, zugunsten ihrer Regentschaft auf Tyler und L’Rell zu verzichten, um dem Reich somit politische Stabilität zu verleihen.
L’Rell täuscht dem „Hohen Rat“ vor, sowohl Tyler als auch ihr Kind zum Wohle des Reiches getötet zu haben. Sie beschwört den Geist der Einheit und lässt sich von diesem Moment an nicht mehr „Kanzlerin“, sondern „Mutter“ aller Klingonen nennen.
Tyler wiederum schließt sich „Sektion 31“ an. Seinen Sohn gibt er in die Obhut der Mönche des klingonischen Klosters auf dem Planeten Boreth, wo sich der Legende nach die Wiederkunft des großen Kahless ereignen wird. Für Tylers und L’Rells Sprössling bedeutet dieser Lebensweg aber, dass er seine Eltern niemals mehr wird sehen dürfen.
Spock ein irrer Amokläufer?
In „New Eden“ haben wir erfahren, dass Spock unter einer emotionalen Dissoziation leidet und sich daher selbst in die Psychiatrie hat einweisen lassen. Nun heißt es sogar, Spock sei aus der Psychiatrie geflohen und habe amokmäßig drei seiner Ärzte getötet. Und das alles nur wegen des mysteriösen „Roten Engels“?
Diese enorme Bruchstelle in Spocks Vita kommt doch sehr überraschend und wirft zunächst einmal die Frage auf, weshalb dieses Ereignis keinen nennenswerten Einfluss auf Spocks spätere Karriere in der Sternenflotte haben wird. Dass Spock einen solchen Zwischenfall mithilfe seiner vulkanischen Logik und seiner enormen mentalen Disziplin fortan auszublenden vermag, nehme ich dieser Storyline noch ab. Aber dass drei Tötungsdelikte – emotionale Dissoziation hin oder her – keinen Einfluss auf Spocks Karriere haben sollen, halte ich doch für etwas unglaubwürdig. Hierfür müssen die Autoren im Staffelfinale wirklich eine gute Erklärung liefern. Ich würde fast darauf wetten, dass man den Handlungsstrang vielleicht mit einer Art temporalen Paradoxie auflöst. Oder hat Spock die Ärzte womöglich gar nicht getötet?
Michael hat mal wieder einen Schuldkomplex
Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, dass ich praktisch jede Woche über Sonequa Martin-Greens Charakter lästern muss, aber die Handlungsbögen, Szenen und Dialoge, welche die Autoren Burnham Woche für Woche schreiben, sind dieser Rolle leider nicht unbedingt immer zuträglich. Das führt dann dazu, dass man Burnham vor allem mit zwei Dingen assoziiert: Besserwisserei und Schuldkomplex. Und das limitiert dann leider auch gleichzeitig die Schauspielerin, die dieser Figur Leben einhauchen soll.
Einerseits erleben wir in regelmäßigen Abständen die überhebliche Michael Burnham, die in gewisser Weise die Autorität des ersten Offiziers Saru untergräbt, weil sie sich fast schon zum persönlichen „Souffleur“ des Captains entwickelt hat. Ich frage mich immer, welche Rolle Saru auf dem Schiff hat, außer für irgendwelche Trainees die Stoppuhr zu drücken. War er nicht der Wissenschaftsoffizier auf der Shenzhou? Weshalb bringt er denn dann seine Expertise so selten ein? Stattdessen immer nur Burnham, Burnham, Burnham…
Das zweite Ärgernis ist die Tatsache, dass es scheinbar nahezu keine Episode geben darf, in der Burnham mal nicht mit weit aufgerissenen und mit Tränen benetzten Rehäuglein über irgendeine persönliche emotionale „Katastrophe“ sinniert. Ob es sich nun dabei um den Anschlag auf sie durch die „Logikextremisten“ handelt oder um ihre Ablehnung durch die „Vulkanische Wissenschaftsakademie“. Oder um ihre (unglückliche) Liebesbeziehung mit Tyler. Oder um ihr Mitgefühl mit dem Tardigraden. Burnham hat immer ein „Problemchen“ und wirkt stellenweise schon etwas wehleidig. Zudem hat sie ein Faible für Schuldkomplexe. Und dann ist da ja auch noch der fast schon pathologische Drang, alte Fehler wieder gut machen zu wollen.
Das mag in der ersten Staffel (Georgiou-Komplex) als Hintergrundstory noch innovativ gewesen sein. In der zweiten Staffel (Spock-Komplex) ist es aber leider schon ausgelutscht. Das Erzählmuster der zweiten Staffel ist doch praktisch identisch mit dem der ersten: Burnham trifft aus ehrenhaften Motiven eine falsche Entscheidung, die zu einer Entfremdung mit einer ihr nahestehenden Person führt. In der Premierenstaffel war es die Meuterei und der damit verbundene Vertrauensbruch gegenüber Captain Georgiou. In der neuen Staffel kommt wiederum ans Licht, dass Burnham Spock vor Jahren auf irgendeine Weise enorm verletzt haben muss, um ihn vor etwaigen Anschlägen durch die „Logikextremisten“ zu schützen. Mal abgesehen davon, dass mir diese Erklärung enorm konstruiert vorkommt, so ist diese darüber hinaus auch noch unlogisch. Denn als vulkanisch-menschlicher Hybride wäre Spock ohnehin ein bevorzugtes Ziel für die isolationistischen „Logikextremisten“ gewesen, ebenso wie Amanda und Sarek als nicht standesgemäßes Paar.
Haben die Autoren wirklich nicht noch andere Facetten ihrer Protagonistin anzubieten? Wird jetzt für jede Staffel ein „Burnham-Trauma“ ausgepackt, das sich dann wie Kaugummi über die gesamte Staffel zieht, damit Sonequa Martin-Green die ewig gleiche Mimik auflegen muss? Damit will ich ganz sicher nicht sagen, dass Martin-Green eine schlechte Schauspielerin ist. Das bitte nicht falsch verstehen! Aber momentan tritt die Charakterentwicklung von Burnham enorm auf der Stelle, weil man eigentlich immer nur die gleichen Facetten zu Gesicht bekommt. Das ist nicht gut für die Story und das ist auch nicht gut für Sonequa Martin-Green!
Tilly und die grüne Spore
Ein Lichtblick war mal wieder Mary Wiseman, die einfach grandios spielt und auch optisch so geschminkt worden ist, dass man ihr die psychische und physische Belastung durch den fremden Organismus (May) wirklich voll und ganz abgenommen hat. Etwas unrealistisch fand ich allerdings, dass Tilly beim Halbmarathon den Abstand zu den anderen Trainees so schnell wieder aufholen konnte.
Ebenfalls irritiert hat mich die Tatsache, dass Burnham und Tilly sich scheinbar immer noch ein Quartier teilen müssen. Sollte Burnham als Commander nicht ein eigenes Quartier haben? Hier wollte man wahrscheinlich die Freundinnen-WG Michael/Sylvia nicht auflösen, weil diese Konstellation natürlich eine gute Grundlage für tiefgründige, emotionale Dialoge ist. Dennoch ist dieser Umstand etwas inkonsistent, denn Führungsoffiziere hatten bisher immer ein Einzelquartier.
Etwas überraschend fand ich, dass sich Tillys grüne Spore am Ende als ein eukaryotischer Organismus herausstellt. Ich hätte eher angenommen, dass sich dahinter eine Art postmortale Existenz von Dr. Culber verbirgt. Aber vielleicht kommt diese Überraschung ja noch.
Qo’noS oder doch „Underworld“?
Nun einige Worte zum Klingonen-Arc in der zweiten Staffel. Leider hat sich bei mir der Eindruck aus der ersten Staffel verfestigt: „Discovery“ und Klingonen – das passt nicht ganz zusammen.
Lobenswert ist sicherlich, dass man auf den Missmut vieler Fans reagiert hat und die Optik der Klingonen so verändert hat, dass sie mit den langen Haaren zumindest wieder etwas näher an dem Look sind, den man aus der Zeit von 1979 und 2005 gewohnt war. Auf der anderen Seite sind mir diese „Kling-Orks“ einfach zu tierisch und nicht-humanoid, vor allem die seltsamen animalischen Laute, die sie von sich geben.
Auch L’Rells Make-Up ist stark überarbeitet worden, was der Figur sicher nicht geschadet hat. Man fragt sich allerdings, ob die Klingonen neuerdings alle Extensions haben. Oder wächst Klingonenhaar wirklich so schnell? Wenn ich mich recht erinnere, dann sprach Worf in „Star Trek: Der Aufstand“ davon, dass starkes Haarwachstum neben aggressiven Tendenzen, Blutgier und Gorch (Pickel) zu den häufigsten „Symptomen“ der Jak’tahla, der klingonischen Variante der Pubertät, zählen. Nur sind die Klingonen in „Lichtpunkt“ dem Alter der Pubertät schon lange entwachsen. Aber nehmen wir das einfach mal so hin, schließlich wollen uns die Serienmacher hier immerhin entgegenkommen.
Etwas peinlich fand ich allerdings den neuen Look von Ash Tyler. Ash macht neuerdings auf „Hipster“ (zu zeitgenössisch!) und hat sich wohl in der Garderobe der „Underworld“-Reihe bedient. Überhaupt wirkt Qo’noS optisch wie eine Mischung aus „Der Herr der Ringe“ (Mordor) und eben „Underworld“. Viele Kostüme der Klingonen gleichen Vampirumhängen. Grundsätzlich habe ich mich auch etwas an die Remaner in „Star Trek: Nemesis“ erinnert gefühlt.
Natürlich war die klingonische Heimatwelt schon immer eher dunkel und wenig einladend, aber in „Discovery“ wird das schon etwas auf die Spitze getrieben. Man fragt sich schon irgendwie, ob die Klingonen (Warp-Zivilisation!) einen Argwohn gegenüber Elektrizität haben. Anders kann ich mir diesen doch sehr ausgeprägten Kerzenlicht-Fetisch nicht wirklich erklären. Oder waren die Klingonen in dieser Zeit einfach übermäßig lichtempfindlich? Mir ist das irgendwie zu rituell und pseudoreligiös angehaucht. Das klischeehafte Gewitter bei der Kampfszene setzt der „Underworld“-Atmosphäre dann auch noch die Krone auf. Leider verzichtet man auch bei der musikalischen Untermalung auf einen Wiedererkennungswert. Man wünscht sich hier einfach die bekannte Klingonen-Musik aus den früheren Filmen und Serien zurück.
„House of Qo’noS“
Inhaltlich muss ich sagen, dass ich das ganze Gedöns von L’Rell hinsichtlich Tyler und ihrem gemeinsamen Kind irgendwie wenig überzeugend fand. Okay, sie macht einen Menschen zu ihrem Flottenkommandanten und wundert sich dann, dass der „Hohe Rat“ ihr mit Skepsis begegnet? Und dass zwischen L’Rell und Tyler/Voq mal was gelaufen ist, dürfte sicher schon das halbe Imperium wissen.
Ich fand schon den Story-Arc um die Inthronisation von L’Rell in „Nimm meine Hand“ völlig unglaubwürdig (Bombe, Erpressung!) und demzufolge geht die Geschichte leider auch nicht wirklich besser weiter. Man versucht hier zwanghaft eine politische Intrige zu stricken, die einfach unglaubwürdig, vorhersehbar und auch nur bedingt spannend ist. „House of Cards“ für Arme! Da war die Intrige von Duras und seinen bösen Schwestern doch mindestens eine ganze Klasse besser.
Zudem wird hier wieder ein weiterer Handlungsbogen aufgemacht, der den Haupthandlungsstrang keinen Millimeter weiterbringt und dementsprechend unnötig ist wie ein Kropf. Die Intrige um Kol-Sha ist leider reiner Selbstzweck.
Was zudem auffällt: Sind ehrlose Klingonen eigentlich die Ausnahme oder vielleicht doch sogar die Regel? Kol-Sha hat ebenso wenig Ehrgefühl wie seine prominenten Vorgänger (eigentlich: Nachfolger) Chang, Duras, Lursa, B’Etor, K’mpec und Gowron. Worf, Martok und Gorkon sind hier die (seltenen) Gegenbeispiele.
„Nennt mich Mutter!”
Fast von der Couch gehauen hat mich L’Rells Rede zum Schluss. „Nennt mich Mutter!“ Okay, soll das jetzt eine Anspielung (oder Parodie) auf die deutsche Bundeskanzlerin sein? Angela Merkel bekommt ja auch oft den Beinamen „Mutti“ verpasst. Jedenfalls kam mir das sofort in den Sinn. Aber was haben wir hier noch zu erwarten? Einen neuen Intriganten namens Kol-Horst? Oder eine „Kronprinzessin“ namens Ann E’Gret? Bitte keine ewiggleichen Klingonen-Storys mehr!
Was diese Rede jetzt soll, erschließt sich mir auch nicht wirklich. Eigentlich propagiert man damit ein wirklich veraltetes Rollenbild, indem man gewissermaßen unterstellt, dass Frauen in Führungspositionen auch immer ihre „Mutterinstinkte“ befriedigen müssen. Hätte man einem Gowron oder Martok je folgende Zeilen geschrieben?
„Der Titel ‚Kanzler des Reiches‘ genügt nicht, um auszudrücken, was ich für euch sein möchte. Nennt mich ab jetzt ‚Vater‘!“
Wohl eher nicht! Daher finde ich diese Szene einfach nur doof und unsinnig.
Außerdem haben wir hier (erneut) einen Kanonbruch vorliegen. Mussten Lursa und B’Etor in „Der Kampf um das Klingonische Reich, Teil 1“ (“The Next Generation”) nicht Duras‘ Sohn Toral vorschicken, weil Frauen angeblich dem „Hohen Rat“ nicht angehören oder ihn gar führen dürfen? Allerdings ist diese Behauptung bereits in „Star Trek VI: Das unentdeckte Land“ durch Azetbur widerlegt worden.
Ein Albino für Kor
Nett fand ich hingegen, dass man dem „Albino“ aus „Blutschwur“ („Deep Space Nine“) eine schöne Vorgeschichte geschrieben hat, die tatsächlich nachvollziehbar erklärt, wie es zu der Blutfehde zwischen dem Voq-L’Rell-Sprössling und Kor gekommen ist. Der „Albino“ hat wohl herausgefunden, wer ihm sein einsames Schicksal eingebrockt hat. Und deshalb will er sich am „Haus des Kor“ rächen.
Hier hat man sicher das Fan-Gerücht aus der ersten Staffel aufgegriffen, das davon ausging, dass Voq der besagte „Albino“ ist. Für diese schöne Kanon-Referenz und die Würdigung von Fan-Spekulationen gibt es einen dicken Pluspunkt von mir!
Sektion 31 – oder die nicht-geheime Geheimorganisation
Die „Sektion 31“ wird in „Point of Light“ als eine enorm mächtige Sicherheitsbehörde der Sternenflotte charakterisiert, die zu meiner Überraschung nicht ganz so geheim zu sein scheint, wie noch im 22. („Enterprise“) oder auch im 24. Jahrhundert („Deep Space Nine“). Hier liegt eine Inkonsistenz des bekannten Trek-Kanons vor, für die man schon eine gute Erklärung liefern sollte.
Der Story-Arc um „Sektion 31“ wird „Discovery“ folglich wieder einen etwas düstereren Ton verpassen, was allerdings auch ein schöner Kontrast zu Captain Pike sein könnte. Die zweite Staffel soll wohl auch als eine Art „Starthilfe“ für eine neue „Sektion 31“-Serie fungieren, die wohl zugleich die kontroverseste aller Trek-Serien werden dürfte. Inwiefern eine solche Organisation in das Trek-Universum passt oder nicht, darüber kann man sicher geteilter Meinung sein. Interessant dürfte die Serie aber sicher werden.
Kein „Star Trek“ für Kinder
In Bezug auf die szenische und optische Umsetzung der Episode gibt es von mir wieder sehr viel Lob, aber auch etwas Kritik. Die sehr schnelle und unruhige Kameraführung war für meinen Geschmack manchmal etwas zu viel des Guten. Aber abgesehen davon: Hier sind Regisseure am Werk, die wissen, wie man modernes Fernsehen macht.
Die Sets in „Discovery“ sind einfach grandios und übertreffen alles, was man bisher in „Star Trek“ zu sehen bekommen hat – auch die Reboot-Kinofilme!
Als großen Makel empfinde ich die enorme Gewaltdarstellung (spritzendes Blut!) in „Point of Light“. Natürlich, „Star Trek“ ist eine Serie für Erwachsene und muss sich als Streamingdienst-Produktion auch nach dem richten, was derzeit erfolgreich ist. Und das sind in der Regel Serien, in denen explizite Gewaltdarstellungen dazugehören.
Andererseits muss ich sagen, dass ich es als jemand, der im Alter von knapp zehn Jahren mit dem „Star Trek“-Virus infiziert worden ist, irgendwie schade finde, dass man hier die Chance verpasst, auch sehr junge Generationen für „Star Trek“ zu gewinnen.
Vielleicht bestand die Genialität von „The Next Generation“, „Deep Space Nine“ und „Voyager“ vor allem darin, Erwachsene und Jugendliche (oder Kinder) gleichermaßen anzusprechen. Die Gewaltdarstellungen in diesen Serien waren auch stets im Rahmen geblieben. Auch das sehr üppige Merchandising (Actionfiguren und anderes Spielzeug) war damals sicher ein wichtiger Faktor, der den „Star Trek“-Boom der 90er-Jahre mitbegünstigt hat. All das fehlt mir derzeit irgendwie. Man ist zu sehr auf eine Zielgruppe zwischen 16 und 40 Jahren fixiert. Ob das so klug ist?
Fazit: Nichts für die Ewigkeit
„Point of Light“ ist eine Episode, die ganz sicher ihre Momente hat. Auch wenn ich vielleicht die Background-Stories nicht immer besonders gelungen finde, so sind die Dialoge doch zumeist gut geschrieben und auch überzeugend gespielt. Mia Kirshner spielt Amanda wirklich sehr gekonnt und man nimmt ihr und Sonequa Martin-Green die Mutter-Kind-Beziehung zu jeder Sekunde ab. Eine Weiterentwicklung ist auch in Bezug auf die Beziehung zwischen Burnham und Tilly zu erkennen, die mittlerweile sehr vertraut miteinander umgehen. Dass sich beide in der deutschen Synchro duzen, ist wirklich sehr erfreulich, denn das ständige Siezen enger Freunde in den 90er-Serien (Data & La Forge, Bashir & O’Brien, Sisko & Dax, Paris & Kim) war stellenweise echt lächerlich.
Eine nennenswerte Charakterentwicklung kann ich bei dieser sehr dialoglastigen und auf Charaktermomente bedachten Episode allerdings nicht erkennen. „Schuldkomplex-Burnham“ dreht sich im Kreis, Tyler und L’Rell haben sich jetzt auch nicht unbedingt enorm weiterentwickelt. Und bei Tilly hatte ich auch nicht das Gefühl, dass wir hier neue Charakterfacetten präsentiert bekommen.
Und so bleibt unter dem Strich eine durchaus kurzweilige, aber auch wenig spektakuläre Episode, die weder besonders schlecht noch besonders gut ist. Wenn man es positiv ausdrücken möchte: „Point of Light“ hält das (mittelmäßige) Niveau von „New Eden“ und fällt zumindest nicht weiter ab.
Der Klingonen-Arc wirkt etwas konstruiert und ist – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – leider deplatziert. Allerdings enthält dieser eine erfreuliche Kanon-Referenz („Der rechtmäßige Erbe“ aus „The Next Generation“) – und hat durchaus gewissen Unterhaltungswert. Das klassische Klingonen-Feeling kam bei mir leider nicht auf, aber das ist auch immer eine subjektive Geschichte.
Über Spock und seine Beziehung zum „Roten Engel“ erfahren wir leider kaum etwas. Das ist ein dicker Minuspunkt, weil man hier leider in alte Muster aus der ersten Staffel zurückfällt und zu viele Nebenschauplätze aufmacht, anstatt den roten Faden konsequent beizubehalten.
Wie „New Eden“ kann ich auch „Point of Light“ leider nur eine durchschnittliche Bewertung geben. Die Episode fügt sich zwar gut in die (komplette) Serie ein, hat aber leider kein nennenswertes Alleinstellungsmerkmal. Demnach habe ich so meine Zweifel, dass man sich in zehn oder 20 Jahren noch schwärmend an diese Episode erinnern wird.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 3 max=”6″] |
Stringenz des staffelübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 3 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 3 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 3 max=”6″] |
Spannung | [usr 3 max=”6″] |
Action | [usr 5 max=”6″] |
Humor | [usr 2 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 3 max=”6″] |
Gesamt | [usr 3 max=”6″] |
Hallo, hat jemand eine Ahnung wie die Story aus dem Buch “Gegen die Zeit” hier zum angesprochenen Konflikt zwischen Burnham und Spock passt? Lg