Die zweite Episode der zweiten Staffel von “Star Trek: Discovery” schlägt im Vergleich zur Staffelpremiere ruhigere Töne an. “New Eden” ist eine klassische Planet-der-Woche-Episode, die nicht nur den Handlungsstrang um den mysteriösen “Red Angel” fortführt, sondern auch das Thema “Religion und Wissenschaft” in den Mittelpunkt stellt. Unter dem Strich bleibt eine wenig inspirierte, da inhaltlich eher durchschnittliche Episode mit Licht und Schatten, die sich allerdings sehr nach dem “Star Trek” vergangener Tage anfühlt.
Vorsicht Spoiler!
Die Handlung
Als ein weiteres rotes Signal in den Tiefen des Beta-Quadranten auftaucht, nutzt die Discovery einmal mehr den Sporenantrieb, um der Sache auf den Grund zu gehen. An den besagten Koordinaten angekommen, empfängt die Discovery ein sich seit 200 Jahren ständig wiederholendes Notsignal von Menschen, die einen Angriff melden. Tatsächlich lokalisiert die Crew eine kleine menschliche Prä-Warp-Zivilisation, die auf einem nahen Planeten der Klasse M lebt.
Es stellt sich heraus, dass die Ursprünge dieser Zivilisation auf der Erde des Jahres 2053 liegen. Mehrere Menschen, die in den Wirren des Dritten Weltkrieges Zuflucht in einer Kirche suchten, wurden auf wundersame Weise von einem engelsartigen Wesen gerettet und auf einen fremden Planeten gebracht, den sie fortan Terralysium nannten. Die von der Erde “Entrückten” schufen sich in den folgenden Generationen nicht nur eine neue Welt, sondern auch eine neue, synkretistische Religion um den “Roten Engel”. Das erfahren Captain Pike, Commander Burnham und Lieutenant Owosekun, als sie inkognito die Siedlung New Eden auf Terralysium besuchen.
Während der Großteil der Gemeindemitglieder von New Eden die todbringende Technik der damaligen Zeit ablehnt und ein eher spartanisches Leben bevorzugt, ist ein Mann namens Jacob durchaus an Technik interessiert. Im Gegensatz zu vielen anderen ist er der Meinung, die Erde sei damals nicht vollständig vernichtet worden und die Menschheit habe sich seither weiterentwickelt. Er glaubt, dass die drei Besucher, die angeblich aus dem Norden kommen, in Wahrheit von der echten Erde stammen. Captain Pike versucht Jacob von diesem Gedanken abzubringen, denn er fürchtet eine Verletzung des Nichteinmischungsgebots der Sternenflotte.
Als die Besatzung der Discovery feststellt, dass Terralysium ein nuklearer Winter droht, ordnet Commander Saru die Rettung des Planeten an, was dank Ensign Tilly auch gelingt. Nach seiner Rückkehr auf das Schiff muss Captain Pike ein moralisches Dilemma lösen. Er entscheidet sich unter Verletzung der Sternenflotten-Regularien dafür, Jacob über seine wahre Herkunft zu unterrichten. Jacob ist erleichtert, endlich das Schicksal der Erde zu kennen. Daraufhin deaktiviert er das Notsignal.
Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor…
Leider hat sich mit “New Eden” eine Befürchtung bestätigt, die ich bereits in der vergangenen Woche geäußert habe: Die Autoren neigen etwas dazu, den Zuschauern “alten Wein in neuen Schläuchen” zu präsentierten. Mich hat die Handlung von “New Eden” jedenfalls mehr oder weniger stark an Episoden wie “Miri, ein Kleinling” (TOS: “Miri”, 1966), “Brot und Spiele” (TOS: “Bread and Circuses”, 1968), “Hotel Royale” (TNG: “The Royale”, 1989), “Der Planet der Klone” (TNG: “Up The Long Ladder”, 1989), “Das künstliche Paradies” (TNG: “Masterpiece Society”, 1992) “Die 37er” (VOY: “The 37’s”, 1995), “Terra Nova” (ENT: dito, 2001) und “Faustrecht” (ENT: “North Star”, 2003) erinnert. Eine besonders auffällige inhaltliche Übereinstimmung besteht mit “Der Gott der Mintakaner” (TNG: “Who Watches The Watchers”, 1989).
Wenn man bedenkt, dass schon die Rettungsmission in “Brother” nicht wirklich innovativer Erzählstoff war, dann muss man sich langsam fragen, ob den Autoren schon nach noch nicht einmal 20 “Discovery”-Episoden allmählich die Ideen ausgehen. Ein staffelumspannender Handlungsstrang mag eine großartige Sache sein, aber eine Serie muss sich eben auch an den Einzelepisoden messen lassen. Und hier muss ich leider sagen, dass mir nach zwei Episoden eindeutig die inhaltliche Innovation fehlt, auch wenn die beiden jüngsten Geschichten handwerklich perfekt umgesetzt worden sind. Aus einer eher flachen Story kann auch ein hervorragender Regisseur (Jonathan Frakes) kein Meisterwerk zaubern. Hier sind eindeutig die Autoren (Akiva Goldsman und Sean Cochran) gefragt. Auch wenn die Handlung von “New Eden” durchaus spannend und unterhaltsam ist, fehlt mir hier einfach das Neue.
Auf der anderen Seite hat “New Eden” den positiven Effekt, dass sich “Discovery” hier tatsächlich wie klassisches “Star Trek” anfühlt – und zwar von der ersten bis zur letzten Minute. Insofern hat das Zusehen wirklich Spaß gemacht, weil man sich an die guten alten Zeiten der alten Serien erinnert fühlt. Das Schiff entdeckt in den tiefen des Weltalls einen fremden Planeten, reagiert auf ein Notsignal, beamt einen Landetrupp hinunter und erforscht ein Geheimnis. Am Ende besteht eine Gefahr für die Bewohner des Planeten, die von der Schiffsbesatzung mit technischem Know-how beseitigt werden kann. Zudem muss auch noch ein moralisches Dilemma gelöst werden… Wow, das ist wirklich klassisches “Star Trek”!
An meinen Ausführungen in den letzten beiden Absätzen kann man hervorragend erkennen, wie schwierig wir Alt-Trekkies es den Autoren doch machen. In gewisser Weise sind wir schizophren: Auf der einen Seite wollen wir dieses klassische Trek-Gefühl basierend auf traditionellen Erzählmustern. Auf der anderen Seite wollen wir aber auch Innovation sehen. Können diese Ansprüche erfüllt werden? Ich denke schon, aber ganz sicher nicht in jeder einzelnen Episode. Dementsprechend ist “New Eden” auch zu bewerten. Die Episode ist eher etwas für den Bauch (klassisches Trek-Feeling) und weniger etwas für den Geist (innovative Geschichte) eines Alt-Trekkies.
Religion und Wissenschaft – (k)ein Widerspruch?
Dass das Thema “Religion versus Wissenschaft” im Zentrum der zweiten Staffel stehen wird, ist schon länger bekannt. “New Eden” scheint hier ein Startpunkt zu sein. Commander Burnham ist wohl eher der Fraktion der Szientisten zuzurechnen (“Meine Religion ist die Wissenschaft“), also derjenigen, die der Ansicht sind, dass sich mit wissenschaftlichen Methoden alle relevanten Sinnfragen beantworten lassen. Pike scheint mir in Bezug auf diese Frage etwas weniger dogmatisch zu sein, wenn er beispielsweise davon redet, dass vieles letztendlich eine Frage der Perspektive ist, und diesbezüglich auf das dritte der Clarkeschen Gesetze verweist. In einem Gespräch mit Burnham macht er zudem die Andeutung, dass sein Vater früher Naturwissenschaft und vergleichende Religionswissenschaft gelehrt hat. Dementsprechend ist der Captain scheinbar mit beiden Wirklichkeitszugängen vertraut. Das finde ich sehr spannend und weckt bei mir die Hoffnung, dass Religion im weiteren Verlauf der Staffel etwas ausgewogener dargestellt wird.
Die Gemeinde auf Terralysium wird nämlich enorm überzeichnet charakterisiert. Die Gläubigen in New Eden wirken auf mich wie ein Spiegelbild religiöser Fundamentalisten der Gegenwart und vermitteln daher auch leider den falschen – da pauschalen – Eindruck, religiöse Menschen seien per se isolationistisch, exklusivistisch, unaufgeklärt und technophob. Diese klischeehafte Darstellung lässt jedoch außer Acht, dass wissenschaftliche Erkenntnisse (Logos) und religiöse Glaubenszeugnisse (Mythos) in der aufgeklärten Religion der Moderne durchaus kompatibel sind. Nicht jeder religiöse Mensch ist automatisch ein Fundamentalist, der die Wissenschaft ablehnt. Die Bewohner von New Eden (abgesehen von Jacob) suggerieren das allerdings.
Abgesehen davon wirkt der religiöse Synkretismus der New Eden-Gemeinde auf mich absolut unglaubwürdig. Eine solch wundersame Rettung vor dem sicheren Tod würde wohl eher den eigenen Glauben stärken, anstatt diesen in einer Masse der unterschiedlichen Weltreligionen aufgehen zu lassen. Hier werden die zweifellos bestehenden Unterschiede zwischen den verschiedenen Religionen für meinen Geschmack unsachgemäß kleingeredet.
Der Name Terralysium setzt sich übrigens aus den Wörtern Terra (Erde, Land) und Elysium (Insel der Seligen oder Entrückten) zusammen. Die Menschen von 2053 werden von der Erde „entrückt“ und auf einen weit entfernten Planeten in einem neuen Paradies des Friedens (New Eden) gebracht. Hier haben die Autoren auf religiöse Motive der Apokalyptik zurückgegriffen.
Die klischeehafte, undifferenzierte Darstellung der Religion in “New Eden” mag zwar dem Geiste Gene Roddenberrys entsprechen, wirft “Star Trek” allerdings im Hinblick auf diese Thematik meiner Ansicht nach um zwei Jahrzehnte zurück. “Deep Space Nine” und “Voyager” waren hier schon weiter, weil die Thematik “Glaube und Religion” in beiden Serien seinerzeit wesentlich tiefgründiger behandelt worden ist. Das ist jedenfalls mein subjektiver Eindruck. Man denke nur an Commander Chakotay, der trotz seiner tiefen Religiosität ohne Frage ein “Advanced Human” im Sinne Roddenberrys ist. Auch das Gespräch zwischen Commander Sisko und seinem Sohn Jake in “Blasphemie” (DS9: “In the Hands of the Prophets”, 1993) oder die Figur des Vedek Bareil verdeutlichen, dass Religion (ebenso wie die Wissenschaft) eine ambivalente Sache ist, die nun einmal positive wie auch negative Seiten haben kann. Dementsprechend wäre es in meinen Augen sehr bedauerlich, wenn “Discovery” die längst überkommene, da undifferenzierte Religionskritik der Roddenberry-Ära wieder aus der Mottenkiste holen sollte. Davon gehe ich allerdings nicht aus, denn Captain Pike scheint mir in dieser Sache eine Art Mittelweg zwischen zwei Extrempositionen (Burnham als Vertreterin des Szientismus, New Eden als Symbol für religiösen Fundamentalismus) zu sein. Hier gilt einfach die Devise: Abwarten und Tee trinken! Wir sind schließlich erst bei der zweiten Episode der Staffel angekommen.
Das “ewige Leben” naturwissenschaftlich gedacht?
Tillys verstorbene und nun (als Geist?) wiederauferstandene ehemalige Klassenkameradin May Ahearn sowie der Story-Arc um Dr. Culber lassen vermuten, dass das zentrale spirituelle Thema der zweiten Season die Frage nach dem “ewigen Leben” sein könnte. Das ewige Leben ist eine Idee, die in vielen Religionen zu finden ist. Die Vorstellung einer postmortalen Existenz lässt sich gegenwärtig naturwissenschaftlich weder beweisen noch widerlegen, gibt vielen Menschen aber Trost und Hoffnung hinsichtlich des Umgangs mit dem eigenen Tod oder dem eines geliebten Menschen. Das Thema kann demnach sowohl aus einer naturwissenschaftlichen als auch aus einer anthropologischen oder theologischen Perspektive beleuchtet werden. Womöglich soll das Myzel-Netzwerk eine Art naturwissenschaftliche Erklärung für diese religiöse Vorstellung sein. Ich könnte mir vorstellen, dass die Geschichte eine solche Richtung nehmen könnte.
Zur Hölle mit unseren Befehlen!
Dieses Zitat geht zwar auf Lt. Commander Data (“Star Trek: First Contact”, 1996) zurück, könnte aber wohl auch von Captain Pike, Burnham oder Saru stammen. Der Zweck (Gefahr für die Föderation und Terralysium) heiligt scheinbar eben doch die Mittel und deshalb setzt sich die Besatzung der Discovery nicht nur über das Verbot der Nutzung des Sporenantriebs hinweg, sondern verletzt zudem bewusst die Prime Directive, hier noch “General Order One” genannt. Auch das ist in “Star Trek” schon oft genug passiert, denn nicht nur Kirk, sondern auch Picard, Sisko und Janeway haben diese eigentlich unantastbare Regel in nicht wenigen Fällen mindestens gedehnt, manchmal aber auch gebrochen.
Wie ist dieser Umstand nun zu bewerten? “No big deal”, würde ich in diesem speziellen Fall sagen. Man kann nämlich davon ausgehen, dass die “Amischen” des Beta-Quadranten ihre eigene Welt wohl nie verlassen werden. Sofern sich deren Abneigung gegenüber Technik und Waffengewalt über die Generationen nicht abschwächen sollte, dürfte von dieser Welt in Zukunft wohl keine Gefahr für andere Welten ausgehen. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Rettung dieser Zivilisation für mein Dafürhalten gerechtfertigt werden kann. Aber die Oberste Direktive ist bekanntlich eine Regel, die mindestens so “eindeutig” ist wie die Handspiel-Regel im Fußball: Alle kennen sie, aber im Einzelfall ist sie dann doch irgendwie immer strittig.
Eine Zwangsjacke für Mr. Spock
Was der Promo-Trailer bereits vermuten ließ, hat Captain Pike nun bestätigt: Der arme Spock befindet sich derzeit in der Klapsmühle. Gut, dass er Dr. McCoy noch nicht kennt, denn der hätte Spock sicherlich wieder süffisant den Vogel gezeigt (wie in “Star Trek III” nach Spocks Fal-Tor-Pan-Zeremonie).
Aber im Ernst: Was macht Spock so fertig, dass er sich selbst einweisen lässt? Vermutlich ist es die Frage, ob der Glaube an eine göttliche Existenz den Gesetzen der Logik entspricht oder diese ad absurdum führt. Aber sind die Vulkanier tatsächlich alle unreligiös? Die Vorstellung von “Sha Ka Ree” lässt vermuten, dass es auf Vulkan irgendwann einmal eine Religion gegeben haben muss – oder immer noch gibt, wenn man an Spocks Halbbruder Sybok denkt. Diese ganze Thematik erinnert schon etwas an “Star Trek V”, sodass ich fast die Vermutung habe, Sybok könnte in der zweiten Staffel eventuell doch noch eine größere Rolle spielen. Wir werden sehen. Ein Familiendrama um Spock, Sarek und Burnham darf schon aus Respekt vor dem “Star Trek”-Kanon die Figur des Sybok eigentlich nicht ignorieren.
Wird Tilly der neue Wesley?
Eines gleich vorweg: Ich mag Ensign Tilly, weil diese Figur so herrlich optimistisch, verpeilt und jugendlich ist, dass man sich mit ihr prima identifizieren kann. Tilly ist genau das, was ich von “Discovery” erwarte. Sie ist Innovation. Während mir Burnham irgendwie wie ein Aufguss von Seven of Nine und T’Pol vorkommt (was wohl auch der Hauptgrund ist, weshalb ich mit dieser Figur nicht richtig warm werde), so ist Ensign Tilly wirklich ein Charakter, den es in 52 Jahren “Star Trek” so noch nicht gegeben hat.
Leider gewinne ich zunehmend den Eindruck, dass sich Sylvia Tilly in einen neuen Wesley Crusher (oder Leslie?) verwandeln könnte. Die junge Nachwuchsoffizierin ist ein Genie und übertrumpft mit ihrem Wissen in regelmäßiger Wiederkehr gestandene Sternenflotten-Ingenieure. Das erinnert doch sehr stark an Dr. Crushers Wunder-Filius, sodass ich schon wieder Captain Picard im Ohr habe: “Shut up, Wesley!”
Das “Problem” mit Wesley wurde damals dadurch gelöst, dass man ab der zweiten Season zunächst mit Lieutenant La Forge einen festen Chefingenieur etablierte und Wil Wheaton ab Mitte der vierten Staffel dann komplett aus der Serie geschrieben wurde. Ich hoffe doch sehr, dass Tilly nicht das gleiche Schicksal ereilen wird!
Der Serie würde es aber sicher gut tun, wenn die Discovery bald einen festen Chefingenieur bekommt, den man auch im Maschinenraum zu Gesicht bekommt. Und der Figur Sylvia Tilly würde es sicher auch nicht schaden, wenn sie nicht unbedingt in jeder Episode das Schiff oder die Mission rettet.
Saru und die Befehlskette
Gut gefallen hat mir wieder Saru, der als zweiter Mann auf dem Schiff eine immer bessere Figur macht. Saru wirkt zwar etwas steif, kommt aber dennoch sehr fürsorglich und kompetent rüber. Hinsichtlich seiner Art als XO unterscheidet er sich sehr stark von seinen Vorgängern Riker, Kira und Chakotay, ist aber auch zugleich keine Kopie von Spock oder T’Pol. Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich ihm den Captain’s Chair dauerhaft zutraue. Seine Sozialkompetenz ist unbestritten, aber wie ein echter Leader im Stil eines Archer, Pike, Kirk, Picard, Sisko oder einer Janeway wirkt er auf mich (noch) nicht. Ich bin gespannt, was die Autoren mit ihm vorhaben.
Was Saru bisher noch fehlt, ist eine echte Beziehung zu seinem Captain. Die Duos Kirk/Spock, Picard/Riker, Sisko/Kira, Janeway/Chakotay und Archer/T’Pol hatten alle eine sichtbare Arbeitsbeziehung miteinander, ob diese nun vertrauensvoll, freundschaftlich oder gelegentlich auch konfliktgeladen war. Saru befindet sich hingegen irgendwie im luftleeren Raum, sein erster Ansprechpartner scheint stets Burnham zu sein. Und in “New Eden” interessiert sich Captain Pike jedenfalls mehr für die Ansichten seines Wissenschaftsoffiziers als für die seines Stellvertreters. Das erscheint mir irgendwie seltsam.
Überhaupt finde ich sowohl die Kommandokette als auch die Aufgabenverteilung auf der Discovery höchst verwirrend. Burnham spielt sich als Erster Offizier auf, obwohl sie eigentlich Wissenschaftsoffizier ist. Ist sie nach ihrer Begnadigung eigentlich zum Zweiten Offizier aufgestiegen? Und wie sieht eigentlich die Aufgabenverteilung zwischen ihr und Lt. Cmdr. Stamets aus? Wurde Stamets durch Burnhams Begnadigung herabgestuft oder war er auch schon zuvor nicht der Chef-Wissenschaftsoffizier an Bord? Zudem wird Lieutenant J.G. Joann Owosekun als “Operations Officer” geführt, obwohl es diese Position erst seit “The Next Generation” gibt.
Diesbezüglich würde ich mir etwas mehr Klarheit wünschen. Was mir ebenfalls fehlt, sind die Einsatzbesprechungen, wie man sie aus den alten Serien kennt. Zwar hat die Discovery schöne Konferenzräume, die Entscheidungen werden aber in der Regel in kleiner Runde von zwei oder drei Leuten getroffen. Das Teamwork der alten Serien hat mir hier viel besser gefallen.
Wer oder was ist der “Red Angel”?
Wie schon im Staffelauftakt ist auch in “New Eden” wieder der mysteriöse “Red Angel” zu sehen. Das Rätsel um die roten Signale und die damit verbundene Erscheinung einer unbekannten Kreatur wird in der zweiten Episode der Staffel konsequent weitergeführt. Dass diese Kreatur vor rund 200 Jahren auf der Erde war und dem Tode geweihte Menschen aus den Kriegswirren gerettet hat, spricht zunächst einmal nicht unbedingt dafür, dass dieses Wesen von feindseliger Natur ist. Schließlich wurden die Menschen von Terralysium nach ihrer Rettung weder versklavt noch anderweitig misshandelt. Andererseits wissen wir aus den Promo-Trailern, dass Spock die roten Signale als eine Gefahr für “alle empfindungsfähigen Lebenswesen” der Galaxie betrachtet.
Im Fandom machen sich diesbezüglich schon die ersten Gerüchte breit. Handelt es sich bei dieser mysteriösen Spezies eventuell um die Iconianer aus “Die Iconia-Sonden” (TNG: “Contagion”, 1989) und “Die Abtrünnigen” (DS9: “To the Death”, 1996)? Für diese These würden sicherlich deren unbekanntes Erscheinungsbild sowie deren intergalaktischen Portale sprechen. Die Funktionsweise dieser “Gateways” wurde bisher noch nicht erklärt und könnte womöglich auf dem Myzel-Netzwerk basieren. Andererseits drohen hier Konflikte mit dem bekannten “Star Trek”-Kanon, denn im 24. Jahrhundert weiß man eigentlich nur sehr wenig über die Iconianer.
Ebenso denkbar wäre die “Urspezies” aus “Das fehlende Fragment” (TNG: “The Chase”, 1993) oder das Volk der Douwd aus “Die Überlebenden auf Rana-Vier” (TNG: “The Survivors”, 1989). Womöglich haben die Autoren auch eine völlig unbekannte Spezies konzipiert, von der man später allerdings nichts mehr hören wird, so wie es in “Enterprise” bei den Xindi der Fall war.
Frakes’ zweites Engagement
Mit Jonathan Frakes (66) führte ein waschechter “Star Trek”-Veteran bei “New Eden” Regie und das ist dieser Episode auch anzumerken. Handwerklich gibt es an Frakes’ zweitem “Discovery”-Engagement wirklich nichts zu beanstanden. Das enorm hohe Niveau der Serie im Hinblick auf die Effekte, die Kostüme, den Schnitt und das Tempo wird auch in “New Eden” gehalten. Auch die Musik von Jeff Russo ist wieder sehr gelungen, eine schöne Mischung aus neuen Arrangements, der mittlerweile etablierten “Discovery”-Fanfare und der Ur-Trek-Melodie von Alexander Courage.
Schauspielerisch stechen vor allem wieder Anson Mount (Pike) und Mary Wiseman (Tilly) hervor. Mary Wiseman muss man einfach dafür loben, wie glaubwürdig sie die sympathische Quasselstrippe Tilly verkörpert. Und Anson Mounts Captain Pike erinnert mich mit seiner ruhigen und reflektierten Art immer mehr an Jean-Luc Picard. Schon jetzt finde ich Pike um Klassen besser als etwa Captain Archer, der mir manchmal einfach zu impulsiv und wankelmütig war. Pike ist mit seiner natürlichen Autorität der ideale Kommandant für ein Raumschiff.
Der Blick in den Spiegel – gesellschaftskritische Aspekte
“New Eden” stellt die spannende Frage, wie unerklärliche Phänomene zu bewerten sind, in den Mittelpunkt der Handlung. Was ist eigentlich ein Wunder und welche Schlüsse ziehen wir für unsere Weltdeutung daraus? Der Glaube an Wunder lässt (zumindest auf den ersten Blick) einen Gegensatz zwischen dem Glauben an das Numinose und der naturwissenschaftlichen Erkenntnis vermuten. Während die Bewohner von New Eden die “Entrückung” ihrer Vorfahren von der Erde auf das Wirken einer göttlichen Macht zurückführen, befürwortet Burnham hingegen einen weniger spirituellen Ansatz. Zwar führt auch sie die Rettung der Menschen auf das Wirken des “Red Angel” zurück, sie betrachtet diesen aber nicht als eine göttliche Macht, sondern hält ihn lediglich für eine fremde Lebensform, die scheinbar über eine enorm fortschrittliche Transportertechnologie verfügt. Captain Pike verweist wiederum auf die unterschiedlichen Perspektiven, die man in dieser Frage einnehmen kann. So heißt es etwa im dritten Gesetz von Arthur C. Clarke (1917-2008), einem britischen Physiker und bekannten Science-Fiction-Schriftsteller: “Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.” Pike warnt demnach davor, sich nicht nur auf eine einzige Perspektive zu beschränken. Toleranz und Weltoffenheit zeigen sich eben auch darin, die eigene Weltdeutung nicht zu überhöhen und den eigenen Geist offen zu halten für andere Perspektiven und andere Interpretationen.
Ein zweiter gesellschaftskritischer Aspekt ist sicherlich der Verweis auf den fiktiven Dritten Weltkrieg, der laut “Star Trek”-Historie 2026 ausbricht, bis 2053 andauert und 600 Millionen Menschenleben fordert. Was in den 1960er-Jahren zeitlich noch sehr fern war, ist aus heutiger Sicht nur noch wenige Jahre entfernt. Und so macht man sich heute vielleicht noch ausführlicher Gedanken darüber, wie unsere Welt gegenwärtig aussieht und ob ein weiterer Weltkrieg in naher Zukunft ein realistisches Schreckensszenario sein könnte.
Fakt ist, dass die Welt aktuell sehr unruhig ist. Das war sie eigentlich immer, aber es fällt schon auf, dass die seit dem Ende der Blockkonfrontation aufgebauten diplomatische Beziehungen teilweise abkühlen, die Großmächte wieder aufrüsten, langjährige Allianzen zu zerbrechen drohen und Teile der Nachkriegsordnung zunehmend auf tönernen Füßen zu stehen scheinen, wenn man sich beispielsweise den Bedeutungsverlust oder auch die oftmals zu beobachtende Handlungsunfähigkeit der UNO vor Augen führt.
Auch diesbezüglich war und ist “Star Trek” als Utopie mit dystopischer Vorgeschichte (Eugenische Kriege, Dritter Weltkrieg, Postatomare Schreckenszeit) Warnung und Hoffnung zugleich: Die Menschheit muss es besser machen als aktuell! Die Menschheit hat grundsätzlich das Potenzial, es besser zu machen.
Fazit: Guter Durchschnitt
Eine abschließende Bewertung von “New Eden” fällt mir schwer, denn die Episode hat zweifelsohne Stärken, aber leider auch einige Schwächen. Die Folge ist keineswegs schlecht, aber sie ist eben auch nicht besonders originell.
Einerseits hat man wirklich das Gefühl, hierbei handelt es sich um echtes “Star Trek”. Andererseits ist es einfach zu wenig, was uns die Autoren hier vorsetzen. Man kann auf Dauer nicht ständig alten Erzählstoff neu verpacken und das x-te Mal mit einer Story um die Ecke kommen, die in “Star Trek” schon so oft erzählt worden ist. Es ist keine große Kunst, “Terra Nova”, “Planet der Klone”, “Die 37er” und “Der Gott der Mintakaner” zu einer neuen Geschichte zusammenzuschreiben und das Produkt dann als neues Abenteuer verkaufen zu wollen. Andererseits sollte man auch die weise Einsicht der Produzenten honorieren, dass “Discovery” wieder vermehrt den Ton der alten Serien treffen muss, wenn man skeptische Alt-Trekkies für das jüngste Kind des “Star Trek”-Serienuniversums gewinnen möchte.
Und so bleibt unter dem Strich ein gutes “befriedigend”. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Bewertung
Handlung der Einzelepisode | [usr 3 max=”6″] |
Stringenz des staffelübergreifenden Handlungsstrangs | [usr 4 max=”6″] |
Stringenz des bekannten Kanons | [usr 3 max=”6″] |
Charakterentwicklung | [usr 3 max=”6″] |
Spannung | [usr 3 max=”6″] |
Action | [usr 3 max=”6″] |
Humor | [usr 2 max=”6″] |
Intellektueller Anspruch | [usr 4 max=”6″] |
Gesamt | [usr 3 max=”6″] |