Überraschend detaillierte 3D-Modelle − und eine zu kleine Zielgruppe?
Mit “Star Trek: Adversaries” traut sich Puppet Master Games an das Genre digitaler Sammelkartenspiele heran. Wir haben das im Early Access befindliche Spiel in der Version 03.0 ausprobiert.
Digitale Sammelkartenspiele haben seit Blizzards “Hearthstone” Hochkonjunktur. Im analogen Zeitalter war das “Star Trek: Customizable Card Game” eines der ersten und langlebigsten Exemplare seiner Zunft. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis die “Star Trek”-Lizenz Pate für eine virtuelle Version stehen müsste. Der bislang unbekannte Entwickler Puppet Master Games hat sich dazu entschlossen, das unfertige Spiel ohne viel PR-Trubel im Early Access auf der eigenen Webseite zu veröffentlichen um mit Spielerfeedback an der Balance zu feilen.
Vorabschauversion
Der Zustand des Spiels ist im Großen und Ganzen so, wie man es von einem Early-Access-Titel oder einem öffentlichen Beta-Test erwarten kann. Echte Probleme bekommt man dann, wenn der eigene Monitor nicht im Seitenverhältnis 16:9 auflöst, weil dann wichtige Teile der Benutzeroberfläche plötzlich nicht mehr sichtbar sind. Lokalisiert ist der Titel ebenfalls noch nicht. Testfreudige sollten also in trittfest im Englischen sein. Der letzte Haken: Obwohl das Spiel mit einem Tutorial für die Bedienung daher kommt, vergessen die Entwickler, Genreneulingen die eigentlichen Regeln und Spielmechaniken beizubringen. Welche Bildschirmanzeige für welche Spielressource steht, muss man im ersten Spiel durch Ausprobieren selbst herausbekommen.
Spielprinzip
Wie alle Sammelkartenspiele bezieht “Star Trek: Adversaries” großen Reiz neben dem eigentlichen Kräftemessen mit menschlichen oder KI-Spielern aus der Verwaltung der Kartensammlung und dem geschicktem Zusammenstellen von Decks zu je 30 Karten. Spielkarten gehören zu einer von zwei Fraktionen (Föderation und Klingonen) oder sind neutral von beiden nutzbar. Vor dem Deckbau wählt der Spieler eines von 24 Flaggschiffen (je 12 für jede Seite), die ihrerseits eine Reihe von Sonderfähigkeiten und -karten beisteuern.
Die eigentlichen Partien bestehen im Raumkampf zwischen zwei Spielerflotten. Wer es schafft, das Flaggschiff des Gegners zuerst zu zerstören, gewinnt. Neben ihren Spezialfähigkeiten bleiben die Spielerpötte passive Zielscheiben für gegnerische Schiffe, die durch das Auslegen von Karten auf das Schlachtfeld kommen. Dazu stehen den Spielern jede Runde ein immer größer werdendes Punktekontingent zu Verfügung. Wo sich in den ersten Runden noch kleine Shuttles “abtasten”, warpen bald schon leichte Raumer, später Kreuzer und zuletzt Schlachtschiffe ins Getümmel. Um das Überleben der Schiffe wahrscheinlicher zu machen, können manche Vehikel durch Crewmitglieder verstärkt werden. Sondereffekte durch Kartentexte sorgen dafür, dass die an und für sich simplen Basisregeln genretypisch von Runde zu Runde modifiziert und auf den Kopf gestellt werden. Wer sein Deck geschickt zusammengestellt hat, wird nach kurzer Zeit von sich gegenseitig begünstigenden Sondereffekten profitieren − das nötige Glück beim Kartenziehen vorausgesetzt.
Modi
Aktuell erlaubt Adversaries das Kräftemessen in drei Varianten: Mit Decks aus der eigenen Sammlung im Einzelspieler gegen KI, Ranglisten-Mehrspieler gegen menschliche Spieler und zuletzt “Quark’s Arena”. Dies ist ein Einzelspielermodus, in dem Spieler sich Ad-Hoc aus zufällig gezogenen Karten ein von ihrer Sammlung unabhängiges Deck zusammenstellen. In der Arena müssen sich Spieler mit ihrem Zufallsdeck gegen mehrere KI-Gegner behaupten, um Preise wie neue Karten oder Spielwährung zu gewinnen.
Darüber hinaus belohnt das Spiel wie im Genre üblich das Wiederholen bestimmter Spielmodi oder -aktivitäten ebenfalls mit Spielwährung oder Karten.
Präsentation
Was “Star Trek: Adversaries” gegenüber anderen Genrevertretern abhebt, ist die Visualisierung des Spielbretts als 3D-Weltraumszene mit überraschend detaillierten 3D-Modellen der ausgespielten Raumschiffe. Auch beim Sound versucht das Spiel, “Star Trek”-Flair mit Original-Sounds und Audio-Clips beim Ausspielen von Crewkarten zu wecken. Musik gibt es nur äußerst kurz und spärlich bei bestimmten Spielaktionen zu hören. Die Visualisierung der Spieleffekte ist durchwachsen, einiges scheint noch aus Platzhaltern zu bestehen. Insbesondere die visuellen Effekte für das Abfeuern von Waffen und Explosionen wirken unpassend, unfertig und bieten keinerlei Abwechslung, obwohl sie mehrfach jede Spielrunde zu sehen sind.
Die Gestaltung der Karten geht in Ordnung. Die Motive der Crewmitglieder basieren auf PR-Fotos oder Standbildern, die stark nachbearbeitet wurden, um ihnen eine stimmungsvolle Beleuchtung und handgemalten Look zu verleihen. Bei den Raumschiffen bedient sich Master Puppet Games für die Illustrationen bei den eigenen 3D-Modellen.
Zuletzt machen die Raumschiffe im Spiel selbst einen hervorragenden Eindruck. Die Modelle sind bis auf Einzelfälle erstaunlich akkurat und detailliert. Sowohl “Star Trek: Online” als auch “Star Trek: Timelines” sind hier wider Erwarten im Hintertreffen. Leider kann man diese Stärke von Adversaries nicht auskosten. Während man die Flaggschiffe im Hauptmenü noch zumindest rotieren kann, ist die Perspektive auf das 3D-Schlachtfeld während der Partie unveränderlich. Wer einmal nah auf die Facetten des Sarkophagschiffes schauen möchte, geht leider leer aus.
Die sehr detaillierten Raumschiffmodelle darf man während der Partie nicht rotieren. Heranzoomen ist auch im Hauptmenü unmöglich.
Umfang
Mit Ausnahme der Zeichentrickserie und den Filmen im Kelvin-Universum scheint sich Puppet Master Games frei im Fundus von CBS und Paramount bedienen zu dürfen. Auch Karten und Raumschiffe aus “Star Trek: Discovery” sind bereits vertreten. Aktuell umfasst der Spielkartenkatalog rund 300 sammelbare Karten. Dazu kommen knapp 200 weitere “Core Cards”, die an die 24 Flaggschiffe gebunden sind. Zur Langzeitmotivation und der Abwechslung durch die drei Spielmodi und -ziele lässt sich nach einigen Proberunden nichts sagen. Für die Einzelspielermodi stehen derzeit 13 Gegner bereit, die mit unterschiedlichen, thematisch passenden Decks spürbar unterschiedliche Spielstile favorisieren.
Geschäftsmodell
Offenbar ist “Adversaries” als sogenanntes Free-to-Play-Spiel angelegt, das vom Start weg einen kostenlosen Einstieg erlaubt. Zur Kasse gebeten werden die Spieler, sobald sie neue Kartenpäckchen oder Zugang zu Quark’s Arena erhalten wollen. Während des Early Access’ ist Ersteres noch nicht möglich und Letzteres vorübergehend kostenlos. Ambitionierte Spieler werden aber schnell merken, dass sie dringend zusätzlich Karten benötigen, um auf Kombinationseffekte optimierte Decks für die Ranglistenspiele zusammenstellen zu können.
Dann bleiben typischerweise zwei Wege: Entweder über durch langwieriges Intensivspielen Spielwährung erlangen, oder doch zum Portemonnaie greifen und solange Kartenpäckchen kaufen, bis durch Zufall endlich die richtigen Karten in der Sammlung sind. In der kleinsten Packungsgröße kosten die Karten 30 US-Cent das Stück. Wer direkt 250 nimmt, zahlt immerhin noch 24 US-Cent. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die zufällige Verteilung von Spielinhalten durch die Zahlung von Kleinstbeträgen zuletzt verstärkt in die Kritik geraten ist, weil es Anhaltspunkte für Suchtgefahren analog zum Glücksspiel gibt.
Thema verfehlt
Obwohl das Spiel auch schon im jetzigen Zustand eine solide Figur macht, stellt sich doch die Frage, wie ausgerechnet das fast unveränderte Hearthstone-Gameplay und die “Star Trek”-Lizenz in dieser Form zueinander finden konnten. Die Spielmechanik ist gänzlich von Forschung, Entdeckung und Diplomatie befreit; und während “Star Trek: Timelines” sich wenigstens noch die Mühe macht, die Vermischung von Elementen aus unterschiedlichen Zeitepochen durch eine haarsträubende Story rund um Q plausibel zu machen, verzichtet “Adversaries” einfach gleich auf jede Art von Hintergrundgeschichte und Kanon-Anbindung. Locutus und Picard auf der Enterprise NX-01? Kommentarlos möglich.
Die Schlachten werden auch im Einzelspieler nicht motiviert. Diplomatie: Fehlanzeige. Mutig geht hier niemand irgendwo hin. Auch ansonsten ist schwer nachzuvollziehen, wie das Geschehen auf dem Bildschirm ins “Star Trek”-Universum passen soll. Flaggschiffe werden zur reinen Zielscheibe deklassiert. Plötzlich sind Ärzte die besten Raumschiffingenieure. Aber auch leichtbekleidete Orion-Sklavinnen verstärken gerne mal den Schiffsrumpf. Shuttles zwingen Gegner, zuerst auf sie zu feuern, statt auf die 100fach größeren Raumer daneben. Normale Schilde wurden im ganzen Universum gleich ganz abgeschafft. Der Konflikt zwischen Thema und Spielmechaniken ist also auch dann unübersehbar, wenn man akzeptiert, dass der Spielwelt von Adversariers jeder auf jeden schießt, befreit von Raum, Zeit und Erster Direktive.
Die Älteren werden sich vielleicht noch an das eingangs erwähnte physisch existierende “Star Trek: Custumizable Card Game” erinnern. Ebenfalls ein Wetteifern zwischen zwei Spielern mit vor-konstruierten Decks, aber die Spielmechaniken waren seinerzeit nicht kopflos von dem damals dominierenden “Magic: The Gathering” abgekupfert. “ST:CCG” implementierte stattdessen erfolgreich Entdeckung, Forschung, Diplomatie, Kolonisation und Krisenbewältigung in seinen Spielmechaniken. Während sich “Hearthstone” thematisch zurecht und mechanisch erfolgreich an “Magic” orientiert hat, ignoriert “Adversaries” seinen analogen Vorvater sträflich, um ein vermeintliches Erfolgsrezept zu kopieren.
Fazit
Für einen Early-Access-Titel geht die Version v03.0 absolut in Ordnung, und handwerklich hat der Entwickler viel richtig gemacht. Insbesondere die 3D-Inszenierung mit detaillierten Modellraumschiffen war eine angenehme Überraschung. Auf der anderen Seite passen Thema und Spielmechanik nicht zusammen. So stellt sich die berechtigte Frage: Wer soll das spielen? Trotz des soliden Einstands wird Puppet Master Games sicher nicht in ernsthafte Konkurrenz mit Blizzard treten, und die bekannten Spielmechaniken besser umsetzen können, um Hearthstone-Veteranen anzulocken. “Star Trek”-Fans auf der anderen Seite werden bei F2P-Titeln wie “Star Trek: Online” besser mit Story und einem Einklang von Thema und Spielmechaniken versorgt. Vielleicht hofft Puppet Master Games auch einfach darauf, Spieler zu erreichen, die bisher keinen Kontakt zu Hearthstone hatten, und mit “Star Trek” nur oberflächlich vertraut sind. Das ist dann aber eine verdammt kleine Zielgruppe.